Was bedeutet es konkret, wenn ein Politik-Professor wie der an der Berliner Humboldt-Uni lehrende Herfried Münkler Einwände gegen seine eurozentrische Literaturliste mit Witzen a la „„Sie können da einwenden: Nur europäische Autoren. [Kunstpause] Keine Afrikaner“ beiseite wischt?
(Vorlesung am 15.4.2015 http://hu.blogsport.de/2015/04/16/muenkler-watch-folge-1-14-4-2015/ )Was bedeutet es konkret, wenn ein Prof. mit Sprüchen wie „Ich hätte ihnen jetzt auch ein Bild von Frantz Fanon gezeigt, aber dann hätte ich ja widerlegt, dass ich sozusagen keine Schwarzen in meiner Vorlesung thematisiere und deswegen zeige ich Ihnen kein Bild“ auf den Vorwurf des Eurozentrismus reagiert? (Vorlesung am 23.6.2015 http://hu.blogsport.de/2015/06/29/muenkler-watch-11-revolution-und-rebel... ). Der Versuch einer Annäherung mit Hilfe des Konzeptes der „Symbolischen Gewalt“ von Pierre Bourdieu.
Was ist „symbolische Gewalt“?
Der Begriff „Symbolische Gewalt“ ist ein Konzept, dass von der französischen Soziolog_in Pierre Bourdieu entwickelt wurde. Bourdieu war eine Bildungsaufsteiger_in, die im Laufe ihres Lebens zu höchsten universitären Würden kam, aber trotzdem sehr sensibel für die „feinen Unterschiede“ in der gesellschaftlichen Hierarchien zwischen Menschen blieb. Dieser Blick für die „feinen Unterschiede“ zieht sich durch sein gesamtes Werk. Schon bei seinen ersten Arbeiten in den 1950zigern Jahren im damals noch von Frankreich okkupierten Algerien beobachtet er, dass Herrschaftsverhältnisse in den wenigsten Fällen mit direkter Gewalt durchgesetzt werden. Viel viel häufiger reproduzieren sie sich in den alltäglichen Handlungen der Menschen untereinander. Diesen zunächst schwer zu fassenden Gegensatz zur direkten Gewalt nennt er „Symbolische Gewalt“.
Trennungen in den gesellschaftlichen Sphären
Zunächst beobachtet er „Symbolische Gewalt“ in den traditionellen Lebensweisen in Algerien. In den Verhaltensweisen der Menschen, die diese selbst und die Gesellschaft als „normal“ und als gesellschaftlich „gut“ und „wünschenswert“ wahrnehmen, reproduzieren sich laut Bourdieu die gesellschaftlichen Ungleichheiten und Diskriminierungslinien. Konkret beobachtet Bourdieu zum Beispiel, dass das gesellschaftliche Leben in „Öffentlichkeit“ und „Häuslichkeit“ unterteilt sei. Diese Sphären des gesellschaftlichen Lebens würden nun von den Teilnehmenden an der Gesellschaft wie selbstverständlich bestimmten Geschlechtern zugewiesen. Die Öffentlichkeit gelte als männlich, während der häusliche Bereich als weiblich gelesenen Personen zugewiesen werde. Fände man gesellschaftlich als weiblich konstruierte Personen doch in der „öffentlichen“ Sphäre, so seien diese Personen in den gesellschaftlichen Hierarchien systematisch unter den als männlich konstruierten Personen platziert.
Symbolische Gewalt ist alltäglich
Überträten nun einzelne Individuen werde dies verhältnismäßig selten mit direkter Gewalt beantwortet. Viel häufiger, ja „alltäglich“ sei die „Symbolische Gewalt“. Zu dieser „Symbolischen Gewalt“ würden zum einen gesellschaftliche Narrative gehören, die die jeweiligen Sphären und Geschlechter konstruieren. Darüber hinaus gäbe es Narrative, die erklären, warum sich bestimmte Verhaltensweisen für bestimmte Geschlechter „so gehören“ würden, oder warum genau diese Verhaltensweisen nur bei bestimmten Personen gesellschaftlich „gut und wünschenswert“ seien, und bei andern nicht. „Symbolische“ Sanktionierung Neben der Legitimationsfunktion halte die „Symbolische Gewalt“ auch Sanktionsmechanismen bereit. So spräche das gesellschaftliche Umfeld konträr zum Narrativ stehenden Verhaltensweisen von konkreten Individuen sehr schnell die Legitimation ab. Der Satz „Das gehört sich aber nicht!“ sei ein Symbol, um das Verlassen des für ein Individuum als gesellschaftlich „gut und wünschenswert“ konstruierten Weges symbolisch aufzeigen zu können. Erst wenn diese „Symbolische Gewalt“ in der alltäglichen Praxis der Menschen untereinander folgenlos bleibe, steige die Chance, dass direkte Gewalt den Regelverstoß beantwortet.
Verbindungen zum Habitus-Konzept
Pierre Bourdieu geht aber noch weiter. Er behauptet, dass die besondere Tiefe der „Symbolischen Gewalt“ daher komme, dass die Menschen die Insignien dieser Gewalt in ihrem Habitus verinnerlicht hätten. Das, was mit dem Begriff „Habitus“ gemeint ist, würde in der Kritischen Theorie vielleicht „Einstellungssyndrom“ und in der Sozialpsychologie „Sozialisation“ heißen. Die Ergänzung bei Bourdieu ist, dass der Habitus nicht nur nach innen auf ein Individuum wirkt, sondern eine „strukturierende Struktur“ sei. Das, was die Leute im Kopf hätten, und die Art und Weise, wie sie sich in der Welt verorten würden, zeichnet sich laut Bourdieu auch in ihren Handlungen gegenüber anderen Menschen ab.
„Strukturierende Struktur“
Laut Bourdieu könne man mit dieser „Strukturierenden Struktur“ aus Habitus und Symbolischer Gewalt eine Menge gesellschaftlicher Verhältnisse erklären. So ließe sich dies u.a. auf die vom ihm beobachtete „soziale Vererbung“ von Bildung anwenden. In allen westlichen Gesellschaften gibt es im Bildungssystem einen „unsichtbaren Flaschenhals“. Bei höheren Abschlüssen seien Abkömmlinge das Bildungsbürgertum überrepräsentiert, während Bildungsaufsteiger_innen regelmäßig deutlich seltener bei den hohen Abschlüssen zu finden sind. Interessanterweise ist dieser „Flaschenhals“ unabhängig von Leitung und Noten.
Soziales Kapital
Bourdieu erklärt das Phänomen damit, dass Kids aus dem Bildungsbürgertum ein bestimmtes kulturelles Kapital aus ihrer Sozialisation in bürgerlichen Haushalten und Lebenswelten mitbrächten. Dieses kulturelle Kapital fehle Bildungsaufsteiger_innen. Dies wirke sich bereits im Kindergarten und in der Grundschule aus. So hätten es Bildungsbürger_innentumkids sehr leicht, sich in die Abläufe der primären Bildungseinrichtungen einzufinden, weil „die Tante alles so macht, wie die Mama zuhause“ (Zitat aus „Soziologie ist ein Kampfsport“). Kids aus anderen gesellschaftlichen Schichten und Milieus müssten dies erst lernen. Gegenseitiger Code des Ausschlusses An der Universität setze sich dies fort. Dort herrsche ein bestimmter parallelgesellschaftlicher Verhaltenscode, der dem entspräche, was die Bildungsbürger_innentumkids von zuhause gewohnt seien. Dies drücke sich u.a. über den Habitus im Verhalten der Studierenden untereinander aus. Für Bildungsaufsteiger_innen bedeutete dies, dass durch die alltäglichen Verhaltens- und Ausdrucksweisen, ihnen aufgezeigt werde, dass sie „hier nicht hingehören“. Dieses permanente sich „fehl an Platze fühlen“ wirke sich massiv auf den Studienerfolg der Nicht-Bildungsbürger_innentumkids aus und führe zu hohen Abbruchraten.
Symbolische Gewalt und männliche Herrschaft auch in westlichen Gesellschaften
In seinem 1998 erschienen Werk „Die männliche Herrschaft“ überträgt Bourdieu seine Beobachtungen aus Algerien und seine bildungssoziologischen Überlegungen explizit auch auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen den Geschlechtern in der westlichen Welt. Kurzfassung: Es läuft genauso, bloß anders. Auch in der westlichen Welt gäbe es gesellschaftliche Narrative, die die Individuen relativ stark mittels Symbolischer Gewalt zwingen, sich einem Geschlecht zuzuordnen. Darüber hinaus weißt der gesellschaftliche Diskurs ebenfalls mittels Symbolischer Gewalt den zuvor konstruierten Geschlechtern bestimmte gesellschaftliche Sphären, Perspektiven und Positionen zu. Und auch die „Gläserne Decke“, die gesellschaftlich als Männern gelesenen Personen bis heute die hohen Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und größtenteils auch Politik sichert, lässt sich analog zum „Flaschenhals“ mittels der Konzepte „Habitus“ und „Symbolische Gewalt“ erklären.
Sexistische Normalität in Vorlesungen
Angesichts dieser Überlegungen zur Wirkungsweise der „Symbolischen Gewalt“ bei der alltäglichen Diskriminierung von Menschen, dürfte deutlich geworden sein, welche Wirkungen die „Normalität“ in den Vorlesungen von Prof. Dr. Münkler entfaltet. Eine Literaturliste, in der gesellschaftlich als Frauen gelesene Personen kaum vorkommen, dürfte jungen Akademikerinnen sehr deutlich die unterschwellige Botschaft „Du gehörst hier nicht her!“ Und wenn doch, dann nur wie z.B. Hanna Arendt als Alibi gegen Sexismus-Vorwürfe. Unterstrichen wird diese unterschwellige Botschaft noch zusätzlich durch sexistische Altherrenwitze, zu denen die männlich gelesenen Kommilitonen mindestens grinsen. Das Münklers roter Faden durch die politische Ideengeschichte regelmäßig aus Vergewaltigungsgeschichten besteht, dürfte die Sache nicht besser machen.
Die Botschaft: Du gehörst hier nicht hin!
Ähnliche Mechanismen und Wirkungen dürfte der ausschließende Effekt der Symbolischen Gewalt jedoch beim Thema Rassismus durchscheinen. Ein Professor, der zur Erheiterung der dominierenden Kartoffel-Kommiliton_innen gleich in der ersten Veranstaltung einen Witz daraus macht, dass „keine Afrikaner“ auf der Literaturliste stünden, macht sehr deutlich, für wen in der deutschen Politikwissenschaft ein Platz ist, und für wen nicht. Unterstrichen wird dieser Effekt durch die regelmäßige unreflektierte Tradierung des gesammelten rassistischen Bullshits der europäischen politischen Ideengeschichte. Münklers Freude am Zitieren des N-Wortes bei anderen Autoren ist da nur die Spitze des Eisberges. Und dass der einzige nicht-weiße Autor auf der Literaturliste auf seinen Hautfarbe reduziert wird, wenn Münkler ihn de facto zum „Alibi-Quoten-Ausländer“ im Literatur-Kanon macht, setzt der unreflektierten Tradierung von rassistischen Stereotypen die Krone auf.
Münkler leider kein Einzelfall
Es dürfte anhand der Beispiele ziemlich deutlich werden, wie sehr Symbolische Gewalt die Vorlesung von Prof. Dr. Münkler durchzieht. Auch dürften die Mechanismen, die dafür sorgen, dass bestimmte Menschen in den Wissenschaftsbetrieb inkludiert und andere ausgeschlossen werden, deutlich zu Tage treten. Auch zeigen sie, wie sehr die Diskriminierungslinien anhand der Fronten Sexismus und Rassismus verlaufen. Und die Reaktionen auf Münklers Verhalten im Auditorium und im deutschen Zeitungswald zeigen leider, dass der Herr Professor kein Einzelfall ist.. Weite Teile des deutschen Bildungsbürger_innentums sind zwar schnell bei der Hand, wenn es um die verbale Verurteilung des Pegida-Pöbels geht, aber nicht wirklich bereit, dass eigenen regelmäßig alltäglichen Rassismus reproduzierende Verhalten zu reflektieren.
Symptomatisches Beispiel
Ein Leser_innen-Kommentar zur elften Folge der Artikelserie „Münkler-Watch“ ( http://hu.blogsport.de/2015/06/29/muenkler-watch-11-revolution-und-rebel... ) zeigt dies vielleicht exemplarisch auf: „(...) Sind das nicht alles Petitessen? Oder: Who cares? So lange sich die Menschen in einer Gesellschaft an die Regeln halten, ist doch ein Grundkonsens des Zusammenlebens gegeben. Darüber hinaus ist bzw. extremer Rassismus durch das Gesetz pönalisiert, z.B. Volksverhetzung oder Beleidung, bzw. mit zivilrechtlichen Folgen (siehe AGG) belegt. Meine These: bis zu einer gewissen Schwelle muss (und kann) eine Gesellschaft latenten Rassismus aushalten, ohne dass sie Schaden nimmt. Dahingehende Äußerungen sind ohne Zweifel von Art. 5 GG gedeckt. Zumal eine Demokratie von einer pluralistischen Meinungsvielfalt profitiert. Vorausgesetzt das gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden! Insofern macht euch doch mal locker, was so die Meinung anderer angeht.“
Mehr Infos:
Film über Bourdieu „Soziologie ist ein Kampfsport“: https://www.youtube.com/watch?v=5Joz5G94L7U
Post-Demokratie anhand von Spiegel-Bildern erklärt:
http://hu.blogsport.de/2015/03/04/wie-postdemokratie-funktioniert/
Symbolischer Interaktionismus am Beispiel Transparente jagender Bundespolizist_innen:
http://hu.blogsport.de/2015/06/07/gewalttaeter-erkennen-am-transparent/
Das Besondere an Demokratischer Herrschaft: http://hu.blogsport.de/2015/06/12/das-besondere-an-demokratischer-herrsc...
Alle Folgen Münkler-Watch:
http://hu.blogsport.de/muenkler-watch/
FAQ zu Münkler-Watch:
Wo sind all die ignorierten Schwarzen und Frauen?
Ihr rafft es einfach nicht. Wissenschaftliche Erkenntnis ist nicht gleichverteilt. Soll man den elektrischen Widerstand ignorieren, weil ihn ein Deutscher entdeckt hat? Soll man den Marxismus nicht behandeln, weil Marx zwar Mohr genannt wurde, aber doch kein Schwarzer war? Soll man kein Penicillin herstellen, weil Alexander Fleming kaum als subaltern durchgeht?
Die Ideengeschichte wurde von europäischen Männern geprägt. Frauen und Schwarze waren hier nur Randnotizen. Einfach weil die gesellschaftlichen Verhältnisse der vergangenen Epochen es nur gut situierten Männern ermöglichte, sich umfassendes Wissen anzueignen. Das kann man ex post bedauern, aber es nachträglich in gleichmachender Absicht zu nivellieren, zeugt von einer Mischung aus Dummheit und Dämlichkeit. Desiderate von Schwarzen und Frauen korrelieren selbstredend auch mit ihren ökonomischen Mitteln. Das Niveau auf der Mädchenschule war weit geringer als das auf dem humanistischen Gymnasium. Die höhere Schulen in den Kolonien waren nicht vergleichbar mit den hiesigen Universitäten. Und in der Folge kommen dann auch schwächere Texte heraus. Weder Hannah Arendt noch Frantz Fanon haben intellektuell epochale Werke hinterlassen. Sie haben epochale Werke hinterlassen, wegen ihrer Sonderstellung als Frau und Schwarzer.
Es gibt also nicht die verborgenen Goldschätze in der Ideengeschichte zu entdecken, würde man nur seinen eurozentristischen Blick weiten. Da ist nichts. Oder welche schwarze Lesbe hat in den 1830er Jahren weltbewegende Erkenntnisse formuliert, die nur wegen all der Münklers aus Vergangenheit und Gegenwart in der Ideengeschichte fehlen? Ich bitte um Namensnennung.
Was soll denn in Eurer "gerechten" Geschichtsschreibung herauskommen? Die drei Kritiken von Kant stehen dann gleichberechtigt neben der Predigt des schwarzen Methodisten und dem Besinnungsaufsatz der großbürgerlichen Frau. Was für ein Blödsinn.
Die Geschichte war nicht gerecht, sie ist es nicht und sie wird es nicht sein, solange die Menschen nicht ihre eigene Geschichte aus freien Stücken machen.
Und auch wenn Ihr versucht, sie nachträglich durch Euren Zwergenaufstand umzuschreiben, klingt das eher nach Stalin als nach Gerechtigkeit.
Guter Ansatz, dann leider verkackt
Nein, wissenschaftliche Erkenntnis ist nicht gleichverteilt, damit hast du vollkommen Recht. Das erklärt auch, warum es primär europäische Männer* waren, die Teile der politische Ideengeschichte bestimmt haben. Wenn Frauen* und Schwarzen der Bildungszugang verwehrt war, dann waren sie leider niemals in der Position, vergleichbare Werke zu schaffen, auch wenn sie wesentlich fähiger gewesen wären.
Aber dann treibst du es auf die Spitze. Sowohl Frantz Fanon als auch Hannah Arendt haben an ganz gewöhnlichen Universitäten studiert und sie sind nicht wegen ihrer Identität so bekannt, sondern trotz derer. Marie Curie ist ja auch nicht deswegen bekannt, weil sie eine Physikerin war, sondern weil sie eben wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse produziert hat.
Zu sagen, diese Personen wären eher so mittel-begabt gewesen und nur heute bekannt, weil sie eben keine weißen Männer* waren, ist ein patriarchaler Mythos und genau Teil des Problems, das der Beitrag von Münkler-Watch beschreibt.
Es gibt Gründe, warum große Teile der Geschichte von Männern* bzw. europäischen Männern* geprägt zu sein scheinen, diese Gründen wurden auch alle genannt. Sich nun aber die Marginalisierten rauszupicken und dann auch noch abzuwerten, obwohl sie es geschafft haben, sich gegen die vorherrschenden Machtstrukturen durchzusetzen, ist totaler Bullshit.
P.S.: Zu allen Zeiten gab es Personen, die nicht zur privilegierten Schicht gehörten und trotzdem gute und wichtige Werke verfast haben. Oftmals sind diese vergessen oder wurden sich von den Privilegierten angeeignet und als die eigenen Werke ausgegeben. Das trägt nur noch mehr zu dem verfälschten Bild von (Ideen-)Geschichte bei, das wird haben.
Teilweise verstehst Du etwas falsch
Warum wesentlich fähiger? Auch eine Essentialisierung, die Menschen Fähigkeiten zuerkennt statt aberkennt, verfährt in den rassistisch und sexistisch geprägten Bahnen. Menschen allgemein, unabhängig von Geschlecht oder Abstammung tragen das Potential in sich, Großartiges zu schaffen.
Und hier verstehst Du den Punkt falsch: Die Behauptung war nicht, dass sie mittelbegabt waren, weil sie keine weißen Männer waren. Sondern dass die Werke dieser beiden nicht so anspruchsvoll und herausstechend sind, dass sie an sich einen vorderen Platz in der Ideengeschichte beanspruchen können. Du hast wahrscheinlich weder von Arendt noch von Fanon sonderlich viel gelesen, sonst könntest Du zumindest nachvollziehen, was ich meine. Dass sie dennoch einen Platz in einer Vorlesung über Ideengeschichte innehaben, ist in Arendts Geschlecht und Fanons Herkunft begründet, weil ihre Wirkung und ihr Einfluss in erster Linie dadurch erklärbar sind. Dieses Beispiel soll nur verdeutlichen, dass eben keine Armee von subalternen Intellektuellen ihrer Entdeckung harren, sondern das, was sich finden lässt, vielfach auch zu Recht, keinen Eingang in Münklers Kanon gefunden hat. Die Behauptung deinerseits, dass solche Personen und Werke doch existieren, müsste irgendwann auch mal belegt werden. Alle Beispiele, die ich kenne, sind an den Haaren herbeigezogen.
Was bedeutet es
"Eine Literaturliste, in der gesellschaftlich als Frauen gelesene Personen kaum vorkommen,..."
Ist nicht Euer Ernst, dass es in Zukunft auf Zwang geht, geschlechtsausgewogen Quellen zu einem Thema zu bringen, sollen da dann Werke erfunden werden, wenn die eine Seite etwas hinkt :D
Es ist auch wirklich NICHT intelligent, Sachverhalte so extrem zu verreden, dass das Gegenüber nicht mehr weis, wohin es gehen soll.
"Was bedeutet es, wenn Maestro Münkler..."
Bestimmt, dass er sich über Euch Aliens genauso lächerlich macht, wie ihr es verdient.
Ehm, was schreibt ihr denn da?
Sagt mal, misgendert ihr Bordieu dort im ersten Absatz?
Falls es irgendwelche Äußerungen von ihm gibt, die besagen, dass er sich nicht als Mann* gesehen hat, dann ist das völlig in Ordnung, dann verweist doch bitte auch auf die Quellen. Falls das nicht der Fall ist, dann ist das derbes Misgendering von eurer Seite. Wenn Bordieu sich als Mann* sah, dann ist es eine massive Nichtbeachtung seiner Identität von "ihr" zu sprechen.
Sonst habt ihr ja durchaus Recht.
Allerdings vermisse ich in diesem Fall tatsächlich sowas wie einen "Hinweis zum Handeln". Im wissenschaftlichen Betrieb ist es nämlich nicht immer einfach und wenn ich mal in die Position kommen sollte, zu lehren, will ich halt die Reproduktion gesellschaftlicher Machtmechanismen minimieren. Aber was, wenn es eben nur europäische Männer* gibt, die sich zu einem bestimmten Thema geäußert haben? Soll ich die nicht nennen? Soll ich irgendwelche schlechten Texte mit in den Literaturkanon aufnehmen, damit eine gewisse Repräsentativität gewährleistet wird?
Die Problematik, die ich da sehe, ist nämlich, dass ich dadurch meinen Student*innen entweder etwas vorenthalten würde oder sie halt nicht mit dem Rüstzeug ausstatten würde, mich einmal zu übertreffen. Wenn ich nur zweitklassige Quellen angebe, aus welchen Gründen auch immer, dann ist das für die Studis ein krasser Nachteil. Ich kann die Geschichte nicht ändern, ich kann nur darauf hinweisen, dass es gesellschaftliche Umständen waren (und sind), die eben europäische Männer* bevorteilt haben und deshalb die Literaturauswahl so ist wie sie ist. Und dann würde ich noch versuchen, meine Student*innen zu ermunten, das zu ändern.