Am Sonntag, den 28. Juni, hielt zum wiederholten Mal die "Bürgerinitiative" gegen die Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen einen sogenannten "Bürgerstammtisch" in der Vereinsgaststätte "Kegeltreff am Kloster" des KC Schrezheim ab. Bei diesen "besorgten Bürgern" handelt es sich um eine Tarnorganisation der NPD Ostalb, die auf diese Weise versucht, das rassistische Potential in der Bevölkerung für ihre Zwecke zu nutzen und neue Anhänger zu rekrutieren.
Organisiert wurde die Veranstaltung wie in der Vergangenheit von den NPD-Ostalb-Aktivisten Dominik Stürmer und Marina Djonovic (1), die derzeit vor allem virtuell in Form der Facebook-Seite "Kein Asylheim in der Reinhardt-Kaserne massive Hetze gegen Flüchtlinge und ihre Unterstützer verbreiten. Auch eine "Anti-Antifa-Ostalb"-Seite ging vor einiger Zeit bei Facebook online, die ebenfalls von Stürmer und Djonovic betrieben wird.
Aus diesem Anlass versammelten sich gegen 18.30 Uhr rund zwei Dutzend Antifa-AktivistInnen vor dem Kegeltreff im Ellwanger Teilort Schleifhäusle, um gegen das braune Treiben zu protestieren und Anwohner über die regelmäßig stattfindenden NPD-Treffen zu informieren. Bereits auf dem Weg zur Gaststätte wurden hierbei Flyer an Spaziergänger verteilt.
Die NPD-Anhänger und Sympathisanten, die sich auf der Terrasse an der Rückseite des Gebäudes versammelt hatten, verzogen sich beim Anblick der nahenden Demonstranten ins Innere des Kegeltreffs, womit sich ihre geplante Veranstaltung erledigt haben dürfte. Die Antifaschisten stellten sich daraufhin auf dem Parkplatz vor der Gaststätte auf und machten mit Transparenten und Parolen lautstark auf ihr Anliegen aufmerksam.
Nach einer Viertelstunde machten sich die Aktivisten wieder auf den Rückweg zu ihren geparkten Fahrzeugen, um eine weitere spontane Versammlung am Ellwanger Bahnhof abzuhalten. Während ein Teil der Gruppe von der inzwischen eintreffenden Polizei angehalten wurde, kam es einige hundert Meter weiter zu einem Angriff einer Gruppe von Neonazis, unter ihnen Dominik Stürmer, auf eine weiteres Fahrzeug mit Antifaschisten, das sich bereits auf dem Weg in Richtung Ellwangen befand. Die Neonazis blockierten hierbei die Straße und schlugen bzw. stachen mit Holzstangen durch die geöffneten Autofenster ins Innere des Fahrzeugs , wobei zwei Insassen Verletzungen an Kopf und Oberkörper davontrugen. Auch zwei Neonazis, die vor das fahrende Fahrzeug gelaufen waren, zogen sich Verletzungen zu.
Die eintreffende Polizei löste die Situation auf, nahm die Personalien der Anwesenden auf und stellte Anzeige gegen eine Antifaschistin, die beschuldigt wurde, die beiden Neonazis gezielt angefahren zu haben. Ein Antifaschist sowie (laut Polizeimeldung) ebenso zwei Neonazis wurden zur Behandlung in anliegende Krankenhäuser gebracht.
(Ergänzung: Auf der entsprechenden rechten Facebook-Seite wird inzwischen ein "bewaffneter Überfall" auf die Vereinsstätte herbeiphantasiert und der Angriff auf das Fahrzeug als eine Art "versuchte bürgerliche Festnahme" bezeichnet.)
Nachdem die angegriffenen Antifaschisten noch mehrere Stunden in der Kontrolle festgehalten wurden, konnten sie schließlich ihren Weg in die Ellwanger Innenstadt fortsetzen, wo bereits eine Mahnwache vor dem Bahnhof begonnen hatte. Hierbei wurden erneut Flugblätter an Passanten sowie einen eintreffenden Pressevertreter verteilt. Kurz vor Mitternacht wurde die Versammlung aufgelöst.
Die genannten Vorfälle verdeutlichen eindringlich das Gewaltpotential der rechten Szene, die im Zuge der Diskussion um die LEA nach Expansion strebt. Die Maskerade "besorgter Normalbürger" dürfte nach den gestrigen Vorfällen endgültig gefallen sein.
Dass die Betreiber des Kegeltreffs nicht wussten, wem sie hier Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, darf angezweifelt werden. So oder so fordern wir die Betreiber des Vereinsheims dazu auf, sich klar von den Neonazis zu distanzieren und ihnen in Zukunft keine Veranstaltungsräume mehr zur Verfügung zu stellen.
Die Etablierung eines rechtenTreffpunktes, der sich zudem nur wenige Minuten von der Landeserstaufnahmestelle entfernt befindet, darf unter keinen Umständen hingenommen werden. Bereits jetzt mehren sich Rufe der sogenannten "LEA-Gegner" nach "Bürgerwehren" bzw. danach, "das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen". Die Agitation der rechten Scharfmacher stellt hier ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Flüchtlinge, ebenso wie für ihre Unterstützer dar. Auch wenn sich die Neonazis momentan eher in der Defensive befinden, was auf die konsequente Solidaritäts-Arbeit lokaler Initiativen und die antifaschistische Aufklärungsarbeit zurückzuführen ist, gilt es auch weiterhin, wachsam zu sein - vor allem, da die Neonazis seit langer Zeit diverse nicht näher benannte Aktionen ankündigen.
Hintergrund:
(1) https://linksunten.indymedia.org/de/node/143194
Nazi-Referent
Der Referent bei diesem "Bürgerstammtisch" war der NPDler und ehemalige Landesvorsitzende Jürgen Schützinger aus Villingen-Schwenningen.