Solidarität mit Sadi Özpolat! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Freiheit für Sadi Özpolat

Liebe Genoss*innen, liebe deutsche Linke,

es ist wohl zu einigen noch nicht durchgedrungen, aber in der Bochumer Krümmede ist seit dem 09. März 2015 ein Genosse von uns, Sadi Özpolat*, im Hungerstreik. 

 

Seine Forderungen sind die Aufhebung des Bezugsverbotes der Zeitschriften "Gefangen-Info", Yürüyüs", des Buches über das Kind Berkin Elvan, das bekannt wurde, weil es am 16. Juni 2013, während der Proteste in der Türkei, verletzt wurde und nach neunmonatigem Koma an der ihm zugefügten Schussverletzung starb  ("Onbesinde Bir Fidan Umudun Çocugu Berkin Elvan") sowie der DVD "Typ-F - der Film" durch die Leitung der JVA Bochum.


Diese verbotenen Medien sind selbst in der Türkei, diesem repressiven, faschistoiden Drecksstaat, erlaubte Medien.


Die JVA behauptet indes, "die Resozialisierung" sei durch diese Medien gefährdet. Das stellt einen klaren Angriff auf die Informationsfreiheit und infolgedessen auf die Meinungsbildungsfreiheit dar, die auch für Gefangene gilt. Ohne Übertreibungen lässt sich sagen, dass damit einzig und allein seine klare politische Haltung angegriffen wird,  es also ein Versuch der politischen Umerziehung ist.


Da die JVA beliebige Medien als resozialisierungs-hinderlich bezeichnen kann, ist hier der politischen Willkür keine Grenze gesetzt. 


Dieser Angriff ist ein Angriff auf uns alle! Wir dürfen unsere Genossinnen und Genossen* in den Knästen nicht vergessen!


Beteiligt euch also an den Solidaritätsaktionen für Sadi Özpolat, es gibt z.B. zur Zeit jeden Nachmittag am Bochumer Hauptbahnhof Zeltstände, an denen über Sadis Lage informiert wird. 


Natürlich reicht das noch lange nicht und wir hoffen, bald weitere Aktionen ankündigen zu können. 


Unsere große Hoffnung ist, dass dieser Artikel von unseren anarchistischen und kommunistischen Genoss*innen gelesen und diskutiert wird, sodass wir diesen Kampf bald gemeinsam führen können. 


Raus aus den Wohlfühlkiezen, raus auf die Straße! Solidarität mit allen politischen Gefangenen! Paragraph 129 abschaffen!

 

Einige Bochumer Antifas

 

*Sadi sitzt seit 2010 im Knast dank des §129b. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied in der DHKP-C zu sein, einer marxistischen Organisation in der Türkei. Eine Verfolgung nach diesem Paragraphen setzt immer eine Qualifikation einer bestimmten Gruppe als terroristisch voraus. Dies ist schon im Inland problematisch. Bei einer ausländischen Gruppe ist es erst recht willkürlich. Schon immer haben die Herrschenden Oppositionsgruppen aller Art als terroristisch bezeichnet, um sie zu delegitimieren (PKK etc.). In der Praxis führt diese Vorschrift vor allem dazu, Solidaritätsarbeit mit ausländischen Oppositionsgruppen zu kriminalisieren und unsere Genoss*innen einzuknasten. Dazu kommen ausländerrechtliche Sanktionen gegen Flüchtlinge, die für eine “falsche” Gruppe politisch aktiv sind. Außerdem wird das ganze Arsenal der Ermittlungsbefugnisse des alten § 129a aktiviert.

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Soli-Kundgebungen finden jeden Freitag um 18 Uhr und Sonntag um 16 Uhr vor der JVA Bo/Krümmede statt, so lange der Hungerstreik weitergeht. Im Folgenden eine Erklärung von Sadi's Anwältin:

 

Hungerstreik des Inhaftierten Sadi Naci Özpolat

Am Montag, den 09.03.2015 trat der politische Inhaftierte Özpolat in den Hungerstreik, da willkürliche Entscheidungen der Leitung der JVA Bochum ihm keine anderweitige Handlungsmöglichkeiten ließen. Bereits seit Oktober 2014 wurden ihm die Überlassung der Ausgaben der Zeitschrift “Gefangenen-Info” mit dem Hinweis, der Inhalt gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt (§ 31 Abs. 1 Ziff. 1 StVollzG). Gleiches wird bezüglich der Zeitschriften des Vereins Infoladen “Netzwerk Freiheit für alle inhaftierten politischen Gefangenen” herangezogen. Die vorgenannten Medien werden dem Gefangenen seit dem dauerhaft nicht ausgehändigt.

Die JVA Bochum verweigert dem Gefangenen aktuell den Bezug der Ausgabe der Zeitschrift “Yürüyüs” vom 25.01.2015, dessen Bezug der Gefangene im Jahre 2013 bereits durch einen Hungerstreik erreicht hatte, ein Buch über das Kind Berkin Elvan (“Onbesinde Bir Fidan Umudun Çocugu Berkin Elvan”), welcher während der Gezi-Demonstrationen von einer Tränengaskartusche eines Polizisten am Kopf getroffen und nach über 200 Tagen im Koma seiner Verletzung erlag, und um die DVD ” Typ-F – der Film”, welcher eine Dokumentation mit deutschen, englischen und französischen Untertiteln, darstellt und über die sog. “F-Typ-Gefängnisse”, eine Art Isolationsgefängnis berichtet, unter Hinweis auf die Gefährdung des Vollzugsziels (Resozialisierung!) und der Sicherheit und Ordnung der Anstalt, verwehrt. Sowohl die Zeitschrift “Yürüyüs”, als auch das Buch über Berkin Elvan und die DVD stellen legale, selbst in der restriktiven Zensurlandschaft der Türkei erlaubte Medien dar, deren Bezug nunmehr von der JVA zensiert wird. Die Maßnahmen der JVA ergehen willkürlich und verletzen den Gefangenen Özpolat in seinen Grundrechten. Zudem stellen diese Maßnahmen keine Einzelfälle dar. Auch andere Gefangene berichten über die Verwehrung bzw. Erschwerung des Bezuges von Medien. Aus diesem Grunde trat der Gefangene nach erfolglosen Auseinandersetzungen mit der JVA zunächst in einen einwöchigen Warn-Hungerstreik. Als nunmehr am gestrigen Tage, am dritten Tage des Hungerstreiks, selbst der Bezug eines von ihm selbst geschriebenen Buches (“Adimiz Isyan”!) und eines weiteren Buches (“Tarihi Yazanlar Konusuyor”) und eine Ausgabe der Zeitschrift “Kurtulus” verwehrt wurde, wurde der Hungerstreik in einen unbefristeten Hungerstreik umgewandelt. Die Begründungen sind nicht haltbar und daher willkürlich. Mit dieser Begründung dürften die Gefangenen gar keine Medien mehr beziehen. Der Bezug von gewaltverherrlichenden Medien für Gefangene, die auf Grund von Gewaltverbrechen verurteilt wurden, wird nicht eingeschränkt. Würde das Vollzugsziel der Resozialisierung tatsächlich derart beachtet werden, so dürften die Inhaftierten, die auf Grund von Gewaltverbrechen einsitzen, auch keine gewaltverherrlichenden Medien beziehen. Doch dies wird nicht eingeschränkt. Die Verweigerung des Bezuges von legalen und erlaubten Medien stellt einen Eingriff in die Informationsfreiheit und in Folge dessen einen Eingriff in die Meinungsbildungsfreiheit des Gefangenen dar. Dieser schreibt selbst Bücher und ist auf den Bezug diverser Informationsquellen angewiesen. Des Weiteren wird auf Grund der Ungleichbehandlung zwischen politischen Gefangenen und den übrigen Gefangenen der Gleichberechtigungsgrundsatz verletzt.

Das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit darf selbst für einen Gefangenen nicht eingeschränkt werden! Der Hinweis auf die Gefährdung des Vollzugsziels geht ins Leere, da die JVA sich scheinbar als Umerziehungslager versteht. Unter dem Deckmantel der “Resozialisierung” (!) wird eine Umerziehung angestrebt. Mit diesem leergehenden Argument kann die JVA willkürlich jeglichen Bezug von Medien verweigern. Der Willkür ist Tür und Tor geöffnet. Daher stellen die Maßnahmen der JVA Willkürmaßnahmen dar, gegen die sich der Gefangene nunmehr mit einem unbefristeten Hungerstreik wehrt.

Bochum, den 12.03.2015
Nurgül Tosun Rechtsanwältin

Update vom 21.04.2015: Şadi Özpolat hat seinen Hungerstreik beendet. Die Forderungen konnten gegenüber der JVA-Leitung durchgesetzt werden. Wir gratulieren!