Ein Bonner Politik-Lehrer ist Mitglied der stramm rechten Burschenschaft der Raczeks. Schüler protestieren gegen den Pädagogen. Doch die Direktorin sieht keinen Handlungsbedarf.
Von Sebastian Gubernator
Herr K. gehört einem speziellen Männerbund an: der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Mitglied darf dort nur werden, wer deutsch ist.
Was die Raczeks darunter verstehen, zeigten sie 2011: Bei wem eine "nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie" auf eine "nicht deutsche Abstammung" hinweise, der habe in einer Burschenschaft des Dachverbandes DB nichts verloren, hieß es in einem Antrag zum Burschentag in Eisenach.
Der Plan scheiterte, wurde aber als "Ariernachweis" für Burschenschafter bekannt und offenbarte, wie fremdenfeindlich manche dort tatsächlich denken. K. ist seit 28 Jahren Mitglied der Raczeks, während des Burschentages war er ihr Altherrenvorsitzender.
K. ist auch Lehrer an einer Schule in Bonn. Er unterrichtet Politik, und das fanden einige Schüler problematisch. Ein 19-Jähriger und mehrere Mitstreiter verfassten einen offenen Brief und stellten ihn ins Internet, die Gewerkschaftsjugend Ver.di NRW-Süd verschickte das Schreiben an Journalisten. Der 19-jährige Schüler fordert: K. solle sich von den Raczeks distanzieren oder aufhören zu unterrichten.
Der Fall wirft Fragen auf: nach der Neutralität von Lehrern und ihrem politischen Bildungsauftrag. Kann jemand, der einer rechten Burschenschaft angehört, die deutsche Parteiendemokratie erklären? Wie informiert er seine Schüler über Einwanderungs- und Asylpolitik?
Ein Samstag im vergangenen September: Im Haus der Raczeks findet ein "Zwischentag" statt, eine Messe, auf der rechte Bücher, Zeitschriften und T-Shirts verkauft werden. Das umstrittene rechtspopulistische Blog "Politically Incorrect" lobt die Veranstaltung als "wohl größtes Zusammentreffen konservativer, freiheitlicher und islamkritischer Verlage".
Vor dem Haus stehen Demonstranten, dabei ist auch der 19-jährige Schüler. Er sieht seinen Lehrer, der am Eingang steht und über dessen Brust sich ein gestreiftes Band spannt. Die Farben von Carolina Prag, wird der Lehrer später sagen, einer Burschenschaft aus München, der er ebenfalls angehört.
K. sagt, er will Raczek bleiben
Im Unterricht spricht der Schüler seinen Lehrer darauf an. Und er druckt ein Flugblatt mit Informationen über die Raczeks und einem Foto des Lehrers. Das habe er in der Klasse verteilt, sagt der Schüler. Kurz darauf wird er zur Direktorin zitiert. Sie habe ihm gesagt, dass er die Persönlichkeit des Lehrers angegriffen habe, und dass sie ihn am liebsten von der Schule werfen würde. Die Direktorin erinnert sich anders an das Gespräch: Sie habe nur die Flugblattaktion kritisiert, aber nicht mit Rauswurf gedroht. Und sie erklärt, schon vorher gewusst zu haben, dass ihr Kollege in einer Burschenschaft ist. Ein Problem sei das nicht: Die Verbindung ist nicht verboten, der Lehrer verhalte sich rechtmäßig.
"Von Nazi-Ideologien distanziere ich mich selbstverständlich", sagt K. am Telefon, ohne dass Nazi-Ideologien bis dahin überhaupt zur Sprache kamen. Über seine Verbindung weiß er nur Gutes zu erzählen. Das Bonner Haus der Raczeks sei "ein wunderschönes Gebäude". Als Kind habe er dort gespielt, sein Vater sei ein Raczek gewesen, sein Großvater bei Carolina Prag. Deshalb sei er in die Burschenschaften eingetreten. "Ich habe das nie als politisches Tätigkeitsfeld empfunden."
Belegbar ist allerdings, dass in der Racezek-Burschenschaft des Lehrers mindestens ein strammer Rechtsextremer verkehrte. Norbert Weidner hatte den im KZ ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer 2011 in einem Rundschreiben an mehrere Burschenschaften als "Landesverräter" bezeichnet und war dafür 2013 wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt worden. Mit Weidner soll sich der Lehrer K. in einer Raczek-internen Auseinandersetzung solidarisiert und ihn gebeten haben, die Raczeks nicht zu verlassen, heißt es in dem offenen Brief der Schüler.
Auf ihrer Homepage schreiben die Raczeks, ihre Bundesbrüder hätten sich "als Soldaten zweier Weltkriege" bewährt, "echte Meinungsfreiheit" höre nicht dort auf, wo "Political Correctness" beginne. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln schreibt in einem Bericht über die rechte Szene in Bonn, den Raczeks könne "eine Art Scharnierfunktion zwischen konservativer und extremer Rechter" zugeschrieben werden. Und Lehrer K.? Ordnet sich in der politischen Mitte ein, "auch wenn das in der heutigen Zeit schwer ist".
Einige Schüler stellen sich auf Facebook hinter ihren Lehrer. Er beeinflusse niemanden, sei einer der nettesten Lehrer der Schule. Der Mitverfasser des offenen Briefes gegen K. sieht das anders: Sein Lehrer habe linke Demonstrationen schlechtgeredet und das Positionspapier von Pegida teilweise verteidigt. Er bleibt bei seiner Forderung, K. solle sich von den Raczeks distanzieren. Für den Lehrer kommt das nicht in Frage: Er werde "niemandem in den Rücken fallen".
Gerald Ksyk - Nazi oder Lehrer?
Facebookseite der Schüler*innen: facebook.com/pages/Gerald-Ksyk-Nazi-oder-Lehrer/1004501146246430