Protestiert gegen die geplante Sammelabschiebung am Jahrestag der Deportation von Roma und Sinti nach Auschwitz

Asyl ist Menschenrecht

Mit Entsetzen haben wir erfahren, das am Dienstag, den 24. März 2015, erneut unter der Leitung des RP Karlsruhe eine Sammelabschiebung vom Baden-Airpark nach Serbien und Mazedonien stattfinden soll. Betroffen sind wieder zahlreiche Angehörige der diskriminierten Minderheit der Roma aus Süddeutschland. Skandalöserweise sollen die geplanten Abschiebungen ausgerechnet auch noch am 24.3. - Tag der Trauer für alle Roma - stattfinden.


1.   Der 24.3.2015 ist  der 72. Jahrestag der Deportation von Sinti und Roma aus Baden-Württemberg nach Auschwitz.  In Folge eines Erlasses von SS-Führer Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 wurden in Süddeutschland ab dem 15. März 1943 zahlreiche Sinti und Roma inhaftiert. Anschließend wurden sie mit einem Zug in das neu errichtete sogenannte „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz-Birkenau B II e verschleppt, wo die meisten von ihnen ihren Tod fanden. Der Vernichtungszug fuhr am 24. März 1943 ab Herbolzheim über Offenburg, Karlsruhe, Heilbronn, Nürnberg und Hof nach Auschwitz. Ankunft in Karlsruhe war 20.34 Uhr. Die Weiterfahrt von Karlsruhe in den Tod erfolgte am 25. März um 6.40 Uhr. (Geheime Mitteilung der Kriminalpolizeistelle Karlsruhe vom 10.März 1943 unter dem Betreff: "Einweisung von Zigeunermischlingen, Rom Zigeunern und balkanischen Zigeunern in ein Konzentrationslager".)


72 Jahre später, just an diesem Tag, soll nun eine Sammelabschiebung in elende und diskriminierende Verhältnisse stattfinden, bei der zahlreiche Menschen nachts gegen ihren Willen aus den Betten gerissen werden, um sich ein paar Stunden später an einem völlig anderen Ort wiederzufinden, darunter alleinstehende Frauen mit kleinen Kindern.  In Serbien und Mazedonien sind insbesondere Roma oftmals massiver Diskriminierung ausgesetzt.


Im Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Verband Deutscher Sinti und Roma, unterzeichnet am 28.11.2013, heißt es: „Die grausame Verfolgung und der Völkermord durch das nationalsozialistische Regime brachten unermessliches Leid über Sinti und Roma in unserem Land und zeitigen Folgen bis heute. Dieses Unrecht ist erst beschämend spät politisch anerkannt und noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden. Auch der Antiziganismus ist noch immer existent und nicht überwunden.“ Weiter ist dort vom einer „besonderen geschichtlichen Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma als Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“ die Rede.


Während einerseits von der Landesregierung inzwischen die historische Verantwortung anerkannt und betont wird, werden Roma andererseits als „Wirtschaftsflüchtlinge“ diffamiert und in menschenunwürdige Zustände abgeschoben.


Wir fordern die Landesregierung dazu auf, Verantwortung nicht allein gegen Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit, sondern auch gegenüber den Roma zu übernehmen, die vor Diskriminierung nach Baden-Württemberg fliehen. Deshalb appellieren wir an die Landesregierung, keine Abschiebungen von Roma-Flüchtlingen anzudrohen und durchzuführen sowie allen, die hierher geflüchtet sind, ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zu erteilen.
 
2.   Am 24. März jährt sich zudem noch ein Tag, der für den Balkan und insbesondere die Roma von großer Bedeutung war. Am 24. März 1999 begann der völkerrechtswidrige Natokrieg gegen Ex-Jugoslawien. Mehr als 250.000 Menschen mussten fliehen – davon geschätzt 120.000 Roma, wobei tatsächlich von einer noch größeren Zahl auszugehen ist. Die Minderheit der Roma waren somit der "Kollateralschaden" des Krieges. Ihre Häuser wurden zerstört und ganze Stadtteile geplündert. Damit sind 600 Jahre friedliche Roma Kultur unwiederbringlich verloren. Viele wurden ermordet oder kamen auf der Flucht ums Leben. Eine Rückkehr der Roma in den Kosovo ist nicht möglich. Viele, die erst nach Mazedonien und Serbien geflohen waren mussten dann weiterfliehen, u. A. nach Deutschland. Auch hier hören Ungewissheit und Unsicherheit nicht auf. Sie hoffen, nach dem Verlust ihres Eigentums und der Erfahrung rassistischer Verfolgung auf einen Neuanfang – eine Chance ohne Angst leben zu können. Diese Hoffnung wird bis heute enttäuscht. Auch nach nunmehr 16 Jahren, sind geflüchtete Roma aus dem Kosovo in Serbien, in Mazedonien und auch in Deutschland immer noch in perspektivloser und prekärer Lage. Die Grünen und die SPD tragen durch ihre damalige Regierungsbeteiligung ebenfalls eine Mitverantwortung, die die grün geführte Landesregierung eigentlich davon abhalten sollte, an einem solchen Termin Menschen in diese Region abzuschieben. (siehe auch den Dokumentarfilm "Es begann mit einer Lüge" von Jo Angerer und Mathias Werth - Doku über NATO-Einsatz in Jugoslawien, ARD 2001)


Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, das sich ehrenamtlich für Geflüchtete einsetzt, hat einen offenen Brief an die Landesregierung verfasst, in dem ein Bleiberecht für Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien aus historischer und humanitärer Verantwortung gefordert wird.


Bitte unterstützen Sie den Offenen Brief. (http://www.freiburger-forum.net/offener-brief/). 

Kontakt:  AKI Karlsruhe, Steinstr.23, 76133 KA - info@aki-karlsruhe.de und AntiRa AK der IL KA - il-karlsruhe@riseup.net (beide Mitglied im Antirassistischen Netzwerk Baden-Württemberg)




Offener Brief des Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung an die Landesregierung Baden-Württemberg

Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht für Roma-Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und Serbien!


Roma unterliegen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien umfassender Diskriminierung. Sie sind massiv von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen. Die gravierenden Folgen dieser Situation sind in zahlreichen Studien dokumentiert worden: Kinder finden keinen Zugang zu schulischer Bildung, Erwachsene haben keine Chance auf reguläre Arbeit, Krankheiten werden nicht angemessen behandelt, die Lebenswartung ist erheblich verringert. Roma sind in ihrem Alltag mit Vorurteilen, mit offener Ablehnung und auch mit gewalttätigen Übergriffen konfrontiert. Nicht nur durch Roma-Organisatonen und NGOs, auch in offiziellen Berichten der Europäischen Union wird auf die hoch problematische Diskriminierung der Roma hingewiesen.


Gleichzeitig aber wird versucht, Roma an der Ausreise aus ihren Herkunftsländern zu hindern und ihnen wird die Anerkennung als Flüchtlinge verweigert. Roma, denen es gleichwohl gelingt, nach Deutschland zu kommen,  leben hier unter Bedingungen eines unsicheren Duldungsstatus. Ihnen droht eine erzwungene Ausreise und die Abschiebung.


Um diese für die Betroffenen schwer erträgliche Situation zu beenden, fordern wir die Landesregierung Baden-Württembergs auf, Roma ein humanitäres Bleiberecht zu gewähren.
Dazu bedarf es keiner Gesetzesänderungen, sondern nur einer humanen Auslegung des geltenden Rechts. Im § 23 des deutschen Aufenthaltsgesetzes heißt es:


„Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.“


Und eine Erläuterung des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags stellt dazu fest:


„Das Tatbestandsmerkmal der ‚humanitären Gründe‘ betrifft Fälle, in denen zwar keine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, Deutschland aber aufgrund besonderer Umstände eine moralische Verpflichtung trifft.“ (Deutscher Bundestag, wissenschaftlicher Dienst, 063/14)


Im Fall der Roma folgt eine solche moralische Verpflichtung aus der gezielten Ermordung der Roma im Nationalsozialismus. Von den ca. 40.000 Roma, die im Deutschen Reich lebten, wurden über 25.000 ermordet. Historiker schätzen die Zahl der Ermordeten in Europa auf über 200.000. Dass aus der historischen Verantwortung Deutschlands auch eine moralische Verpflichtung zur Aufnahme bestimmter Flüchtlingsgruppen folgt, hat die Bundesregierung bereits  anerkannt. (Bundestags-Drucksache 11/8439)


Nach 1945 wurde Roma die Anerkennung als Opfer des NS-Regimes  verweigert. Die nationalsozialistische Verfolgung wurde verleugnet, Anträge auf Entschädigungen wurden abgelehnt und an die Polizei weitergeleitet, die die “Zigeuner-Akten” der NS-Zeit weitergeführt. Erst Anfang der 1980er Jahre wurde die deutsche Verantwortung für den Völkermord an den Roma durch die damalige Bundesregierung anerkannt.


Im Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Verband Deutscher Sinti und Roma, unterzeichnet am 28.11.2013, heißt es: „Die grausame Verfolgung und der Völkermord durch das nationalsozialistische Regime brachten unermessliches Leid über Sinti und Roma in unserem Land und zeitigen Folgen bis heute. Dieses Unrecht ist erst beschämend spät politisch anerkannt und noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden. Auch der Antiziganismus ist noch immer existent und nicht überwunden.“ Weiter ist dort vom einer „besonderen geschichtlichen Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma als Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“ die Rede.


Wir fordern die Landesregierung dazu auf, Verantwortung nicht allein gegen Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit, sondern auch gegenüber den Roma zu übernehmen, die vor Diskriminierung nach Baden-Württemberg fliehen. Deshalb appellieren wir an die Landesregierung, keine Abschiebungen von Roma-Flüchtlingen anzudrohen und durchzuführen sowie allen, die hierher geflüchtet sind, ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zu erteilen. (http://www.freiburger-forum.net/offener-brief/)



 

Bitte unterstützt den offenen Brief des Freiburger Forums: (http://www.freiburger-forum.net/offener-brief/)
Aktionskreis Internationalismus (AKI Karlsruhe)  Kontakt: info(at)aki-karlsruhe.de,  AntiRa AK der iLKA - il-karlsruhe(at)riseup.net,

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