Wolting: Viele Leistungen der Behörde helfen auch gewalttätigen Steinwerfern Von björn meine Irgendwie, findet Amtsgerichtspräsident Michael Wolting, schneiden sich linksextreme Randalierer ins eigene Fleisch. Am 15. Januar hatten sie in Zentrum und Südvorstadt mehrere zehntausend Euro Schaden angerichtet; sie griffen Banken und Geschäfte an, demolierten Autos, rissen Schilder heraus. Auch das Amtsgerichtsgebäude in der Bernhard-Göring-Straße war betroffen - hier hatten die Autonomen 40 Fenster sowie Türen zerstört, mit Steinen und schwerem Werkzeug.
Das Amtsgericht sei nicht nur für die Rechtssprechung da - eine
Funktion, in der die Behörde für Linksextreme ein Feindbild darstellt.
Es gibt viele Hilfsleistungen, die vor allem von den Schwächeren und
Ärmeren genutzt werden, betont Wolting. Die Rechtsantragsstelle zum
Beispiel. Dort werden Beratungshilfescheine erteilt - allein im
vergangenen Jahr 1833. Solche Scheine finanzieren eine anwaltliche
Erstberatung, wenn es Probleme mit dem Jobcenter gibt oder bei Klagen
und Mieterhöhungen. Weitere Leistungen des Gerichts: Es gewährt unter
bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe. "All das sind staatliche
Unterstützungen für die Schwächeren der Gesellschaft." 20 Prozent der
Schäden vom 15. Januar entstanden in der Rechtsantragsstelle. Wolting:
"Es waren Büros von Rechtspflegern betroffen, die solche Fälle
bearbeiten."
Am Zivilgericht gebe es immer wieder Entscheidungen, mit denen das
Gleichbehandlungsgesetz durchgesetzt werde. Gerade sei einem Mann
Schadensersatz zugesprochen worden, der wegen seiner Hautfarbe nicht in
eine Disko durfte. Das Amtsgericht schreitet ein, um Stalking-Opfer zu
schützen oder auch Kinder und Frauen vor Gewalt. Die Rechtspflege hilft
Hinterbliebenen nach Todesfällen. Wer das Amtsgericht bekämpfe, bekämpfe
eben genauso solche Funktionen der Behörde, so Wolting. "Funktionen,
die auch denen helfen können und sollen, die hier Steine geworfen
haben."
Der Amtsgerichtschef appelliert an den Verstand der Linksautonomen. Ihm
ist klar: "Hardliner, die uns als Teil des repressiven Systems ansehen,
werden wir nicht erreichen." Natürlich sei ein Gericht Teil des Staates.
Und natürlich müssten sich hier auch Leute verantworten, die
Lebensmittel geklaut haben oder die schwarz gefahren sind. "Aber in der
Regel werden hier nicht Leute bestraft, die es sich nicht leisten
können, sondern solche, die etwas aus Prinzip tun." Dabei gehe es dann
um die Grundregeln einer Gesellschaft, um die Rechte Dritter, um den
Schutz des Eigentums. Es sei allen Gesellschaftssystemen gleich, dass
sie verbindliche Regeln brauchen. Für sich und seine Mitarbeiter nimmt
Wolting in Anspruch, mit Fingenspitzengefühl und Augenmaß zu
entscheiden.
Kein zu verachtendes Statement
An jenem Tag habe ich tatsächlich selber an die jetzigen Argumente von Wolting gedacht, denn ich kenne Fälle, bei denen der Laden durchaus "in unserem Sinne" hilfreich war. Und ich finde, der Apell ist die beste Reaktion, die er auf die Aktion hätte bringen können, in jedem Fall besser als das übliche pauschale Zecken-Bashing. Wenn hier jetzt wieder das Bashing auf jene losgeht, die sich damals "entsolidarisierten", bestätigt das nur den Sinn dieses LVZ-Artikels.