Linke Beisreflexe und Pauschalkritik an Blockupy

Der folgende Beitrag entstand aus dem Hintergrund verschiedener Gespräche und Positionierungen, die ich im Vorfeld der Blockupy Aktionstage 2014 in meinem Umfeld mitbekommen haben. Der Text ist bewusst sehr allgemein gehalten und reißt vieles nur an. Dennoch setzt er an mancher Stelle vielleicht zu viel „Wissen“ an Szenedebatten voraus um bestimmte Äußerungen, wie von mir gedacht, einordnen zu können. Er wird aber auch für einige keine wirklichen Neuigkeiten enthalten. Vor allem nicht für jene die sich an innerlinken Debatten ab Anfang der 2000er Jahre beteiligt oder diese zumindest verfolgt haben. Der Text soll zur offenen Diskussion und der Findung gemeinsamer Positionen anregen.

Zum einen vor dem Hintergrund, dass es bei Blockupy Aktive gibt, die sich erst seit kurzem politisch engagieren. Zum anderen habe ich den Eindruck, dass bundesweit große Teile der autonomen, undogmatisch kommunistischen und anarchistischen Szene (im Weiteren „radikale Linke“ genannt) Blockupy entweder komplett ignoriert oder sich ablehnend positioniert. Letzteres mache ich vor allem bei AktivistInnen aus, die sich schwerpunktmässig im Antifabereich bewegen. In den von mir dabei oft wahrgenommen Vorbehalten denke ich einige Gemeinsamkeiten bzgl. eines speziellen Vorbehalts mit meiner lokalen Situation auszumachen. Somit kann dieser Text vielleicht auch in anderen Regionen nutzbar für weitere Diskussionen sein.

Die Kritik an bewegungslinker Politik ist nicht neu. Aufkommend mit dem Beginn globalisierungskritischer Massenproteste, erreichte diese meiner Einschätzung nach in der BRD Mitte der 2000er Jahre, in Mitten der Auseinandersetzung um antideutsche und antiimperialistische Positionen, ihren Höhepunkt. Rückblickend für mich, als Provinzlinker der um die Jahrtausendwende politisiert wurde, eine Phase verworrener Debatten die aufs schärfste polarisiert haben und teils auf verwerfliche Art und Weiße ausgetragen wurden. Als ahnungsloser Szeneneuling bekam eine Positionierung in der Frage „Wie hältst du es mit Israel?“ höchste Priorität. Eigentlich waren es doch anarchistische Träume und Ideen die mich aktiv werden ließen. Von heute aus betrachtet fast ein Wunder, dass sich damals Szeneneulinge aus der radikalen Linken nicht so schnell wieder verabschiedet hatten wie sie plötzlich in Mitten dieser Auseinandersetzung waren. Auseinandersetzungen zu denen die meisten bis dato persönlich nicht auch nur den geringsten Bezug hatten. Dennoch gab es meines Empfindens nach wichtige Impulse aus der Debatte um Antideutsche Positionen, die nicht nur mich prägten. Positionen, die in großen Teilen der radikalen Linken bis zu diesem Zeitpunkt als „Selbstverständlichkeit“ galten wurden kritisch hinterfragt. Als Beispiel seien hier nur die Übernahme plattester antiimperialistischer Thesen und die teils völlig unreflektierte positive Bezugnahme auf nationale Befreiungsbewegungen sowie die Verankerung einer zum Teil extrem regressiven Kapitalismuskritik genannt.

Nachdem sich die Wogen geglättet und ein Teil aus der Szene zurückgezogen oder ganz verabschiedet hatte, war ein Nachlassen dieser Debatten auszumachen. Neu befeuert wurden diese erst wieder im Zuge der Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Hier wurden erneut massiv Vorwürfe in alt bekanntem Muster gegen die radikale Linke erhoben, da man sich mit Bündnispartnern ins Handgemenge begebe, deren Antiamerikanismus und verkürzte Kapitalismuskritik strukturell antisemitisch und anschlussfähig bis in das das neonazistische Lager wäre. Ich denke, dass all diese Impulse und Diskussionen fast alle Teile der radikalen Linken nachhaltig beeinflusst haben. Wenn es nicht sogar ganz zu einer unausgesprochenen Neuauslotung „linker Selbstverständlichkeiten“ kam, mache ich doch zumindest ein deutlichesMehr an Sensibilität und Reflektion in der politischen Praxis aus. Sah ich manche Debatten damals als eher lähmend an, würde ich diese heute eher als gewinnbringend für die radikale Linke ansehen aus der sich für zukünftige innerlinke Auseinandersetzungen vieles lernen ließe. Doch im Rahmen von Blockupy stelle ich fest, dass sich mein Eindruck aus unterschiedlichsten Gründen nicht verallgemeinern lässt. Vor allem bei jüngeren GenossInnen erlebe ich ein Revival bereits geführter Debatten bei denen aber lediglichVersatzstücke daraus aufgegriffen und aus dem ursprünglichen Kontext herausgerissen, Verwendung finden. Konnte ich in der Vergangenheit aus fast jeder Kritik, war sie so noch so zugespitzt und polemisch formuliert,irgendetwas für mich rausziehen und mitnehmen, ist dies bei den heutigen nicht der Fall. Stattdessen sehe ich mich mit einer äußert oberflächlichen und größtenteils schlichtweg falschen Kritik konfrontiert, die meines Erachtens nach, dem bloßem Unwissen ökonomischer Zusammenhänge geschuldet ist. Gleichzeitig scheint es nur wenig Interesse an einer tiefergehenden Auseinandersetzung zu geben. Viel mehr gibt man sich mit der vermeintlichen Gewissheit zufrieden, selbst moralisch rein und intellektuell überlegen zu sein.

Ich möchte dies am Beispiel Blockupy kurz anreißen: Zu Recht haben Teile der radikalen Linken auf die gefährliche und falsche Kapitalismuskritik hingewiesen, die zwischen (gutem) schaffendem und (bösem) raffendem Kapital unterscheidet. Eine antisemitische Deutung, deren barbarische Auswüchse im Nationalsozialismus zu finden sind und in dessen mörderischer Konsequenz die „Endlösung“ als Akt gegen DEN Kapitalismus in Form von Jüdinnen und Juden verstanden wurde.

Verwenden wir jedoch heute in der politischen Analyse und Praxis nur Begrifflichkeiten wie „Finanzsektor“ oder „Bank“, folgt reflexartig die Unterstellung verkürzter oder personifizierter Kapitalismuskritik. Und das vollkommen losgelöst vom Kontext in dem die Begriffe Verwendung finden. AntikapitalistInnen werden so zu ahnungslosen BankenkritikerInnen degradiert, die es aufzuklären gälte, bevor sie sich am Ende ihrer Kritik im Schoss von VerschwörungskritikerInnen, der Hamas oder NPD wiederfinden. Daraus abgeleitet ist somit Blockupy für viele natürlich ein Inbegriff der verkürzten Kapitalismuskritik. Dazu kommt der hämische Hinweis, ob man denn von Sachzwängen, dem stummen Zwang der Verhältnisse, noch nichts gehört hätte. Im Kapitalismus verhalte sich doch jede/r nur so wie es die ökonomischen Verhältnisse voraussetzen um nicht in Konkurrenz und Wettbewerb unterzugehen. Ein Beispiel das meinen Eindruck verstärkt ist, dass es bei vielen ein Unverständnis dafür gibt, welche Rolle die europäische Zentralbank

(EZB) in der derzeitigen EU-Austertitätspolitik einnimmt. Die bloße Kritik an der EZB, als Teil der Troika und somit in ihrer Funktion als handelnder Krisenakteuer, wird mit dem Verweis auf strukturell antisemitischen Deutungsmustern abgewatscht. Dazu kommt der Hinweis, dass es keine homogene herrschende Klasse gäbe, die sich gegen „die da unten“ verschworen hätte. Als würden AntikapitalistInnen per se behaupten an der Ostküste der USA würden die Strippenzieher sitzen. Dass es AktivistInnen gibt, die durchaus solche gefährlichen Thesen vertreten bzw. es Menschen gibt, die für solch verkürzte Kritik offen sind, ist nicht zu bestreiten. Die Montagsdemos der „neuen Friedensbewegung“ sind dafür ein gutes Beispiel. Doch auf den Großteil der bei Blockupy Aktiven trifft es schlicht und ergreifend nicht zu.

Wir müssen natürlich immer wieder klarmachen, dass wir es mit potentiell austauschbaren Charaktermasken zu tun haben und es nicht DIE Schuldigen für alles Unheil gibt. Doch folgt daraus noch lange nicht, dass wir auf das Benennen und Kritisieren von Krisenakteuren verzichten sollten. Denn wir dürfen nicht ausblenden, dass es Akteure gibt, die in ihrer konkreten Funktion auch Eigeninteressen vertreten und reelle Handlungs- und Entscheidungsmacht

haben. Denn trotz aller vorhandener Sachzwänge gibt es für alle Beteiligten eine Menge Spielraum und somit auch andere Handlungsoptionen. Aktuell erleben wir in der europäischen Krisenpolitik wohin diese von der Troika bewusst getroffenen und durchgesetzten Entscheidungen führen: Unter anderem zu einer massiven Verelendung der von Austeritätspolitik Betroffenen.

Die Blockupy-Proteste gegen die Politik der Troika sind nicht von Haus aus antikapitalistisch und können auch nicht die ganze Komplexität kapitalistischer Totalität fassen. Denn die Verhältnisse lassen sich weder auf einem Flugblatt erklären, noch „smashen“ oder in einer anderen Aktion auflösen. Der Kapitalismus schafft extrem widersprüchliche Verhältnisse. Auf der Ebene der Aufklärung bleibt also für uns als radikale Linke noch eine ganze Menge zu leisten. Blockupy als begleitende Praxis dazu ist für uns der Versuch ein deutliches und solidarisches NEIN gegen die Politik der Troika zu formulieren, Widerstand zu organisieren und die Debatten um Alternativen zu eröffnen und mit einer grundsätzlichen Kritik an Kapitalismus zu verbinden.

Doch anstatt, dass Teile der radikalen Linken versuchen sich in diese kapitalismuskritische und antikapitalistische Bewegung konstruktiv einzubringen und dort eine grundsätzliche Kritik wahrnehmbar zu machen, setzen diese schon im Vorfeld auf Abgrenzung und Ignoranz. Dazu kommt eine arrogante Art und Weise denen gegenüber, die sich erst seit kurzem, eben im Zuge von Blockupy politisch engagieren. Es handelt sich hier um junge Interessierte denen die ganze Thematik „verkürzter Kapitalismuskritik“ noch vollkommen unbekannt ist. Von denen auf Treffen und Plena Äußerungen kommen, die deswegen auch vor dem Hintergrund ihrer Unerfahrenheit aus betrachtet werden müssen, statt sie von oben herab zu belächeln oder ihnen –hinter ihrem Rücken – Anfälligkeit für strukturellen Antisemitismus vorzuwerfen. Es geht keines Falls darum kritische Anmerkungen zu unterlassen. Diese zu thematisieren ist so richtig wie wichtig. Aber dies bitte solidarisch, auf gleicher Augenhöhe und im Bewusstsein aus der persönlichen Erfahrung wie schwierig doch die eigene Politisierung war.

Dazu bräuchte es aber auch von den KritikerInnen die Bereitschaft sich auf Diskussionen einzulassen und sich intensiver mit ökonomischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, statt sich Debatten zu entziehen und mit Halbwissen das gegenteilige Anstellen was radikale Linke eigentlich tun sollten: Das formulieren einer radikalen und verständlichen Kritik an den herrschenden Verhältnissen und das Entwickeln einer Praxis, die darauf abzielt alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Ob Blockupy dafür ein Baustein sein kann, darf und sollte dringend diskutiert werden. Dieser Diskussionsbeitrag kann hoffentlich dazu beitragen.

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Ich stelle dem einen genauso subjektiven Eindruck entgegen, der vermutlich genauso Teil der Wahrheit ist: Der Beißreflex gegenüber Blockupy ist nicht primär ein Beißreflex gegen die Inhalte, sondern gegen die Form. Insbesondere Teile der IL werden in manchen autonomen Zusammenhängen als autoritär und unsolidarisch wahrgenommen. Oft gekoppelt mit einer riesigen Unfähigkeit lokal vernünftige politische Akzente zu setzen. Sicher sind einige Ortsgruppen besser, aber viele sind so. Dazu noch die hippe "Party-Militanz" ala Castor Schottern, wo Hunderte verletzt werden, aber es ja soo spass gemacht hat. Auf so einen Quatsch haben viele Menschen zu Recht keinen Bock. Das hat dann nichts mit Inhalten zu tun und auch nicht mit der generellen Ablehnung von linken Bewegungen.

 

Bezeichnend ist, dass viele Autome keinen Bock auf Blockupy haben, aber inhaltliche Kritik bisher kaum öffentlich wird. Da scheint es also nicht unbedingt inhaltliche Gründe der Ablehnung zu geben.

Insbesondere Teile der IL werden in manchen autonomen Zusammenhängen als autoritär und unsolidarisch wahrgenommen. Oft gekoppelt mit einer riesigen Unfähigkeit lokal vernünftige politische Akzente zu setzen. Sicher sind einige Ortsgruppen besser, aber viele sind so. Dazu noch die hippe "Party-Militanz" ala Castor Schottern, wo Hunderte verletzt werden, aber es ja soo spass gemacht hat.

 

Subjektive Eindrücke sind ja immer subjektive Eindrücke und damit schwer zu kritisieren, aber so ein Kommentar unter einem Artikel mit der Überschrift „Linke Beißreflexe macht mich schon etwas stuzig.

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Hör dich mal in Zusammenhägen um. Diese Position ist nun wirklich relativ weit verbreitet. Dann kann sie, zumal als subjektiver Eindruck gekennzeichnet, ja wohl stehen bleiben. Nicht jede Kritik ist gleich ne Verschwörung von Nazis oder Getrolle.

Das diese Position weit verbreitet ist, weiß ich. Dass es sich bei dem Grad der Verbreitung einer Position um kein Kriterium für ihre Güte handelt sollte eigentlich unter Linksradikalen bekannt sein. Von Naziverschwörung oder Trollen hat hier niemand was geschrieben. Nur ob es sich um Kritik handelt war die Frage. Ich denke es ist keine, sondern eine linke Version von Stammtischgerede. Die zitierte Aussage führt weder zu einer Kritik an der IL noch zu einer inhaltlichen Debate, sondern dient allein der Feindbild- und Ressentimentpflege.

Der Punkt in deinem Text, dass sich besonders viele junge Leute -die meistens grade erst beginnen sich zu politisieren- an verkürzten Kapitalismuskritiken ansetzen, ist aus meiner Sicht richtig. Es erscheint vielen -auch bei mir war das zugegebenermaßen so- einfacher, zwischen gut und böse zu unterteilen. Die Bösen da oben und wir, die Guten. Es ist also denke ich wichtig, sich auch mit solchen, gerade erst politisierten, Linken auszutauschen um somit nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu bilden. Eine gesunde politische Bildung setzt zum Einen viel eigenes Interesse und Engagement voraus, zum Anderen aber auch das Entgegenkommen bereits Aktiver.

Ich persönlich halte nicht besonders viel von Blockupy. Es ist für mich, wie bei anderen Massenbewegungen dieser Art auch, eine verkürzte Kapitalismuskritik. Deine Argumente, dass es sich beispielsweise bei der EZB um einen politischen Akteur mit einem gewissen eigenen Entscheidungsspielraum handelt, finde ich interessant und diskussionswürdig. Nichts desto trotz ist auch die EZB ein vom Kapitalismus geschaffenes Instrument und teil des Gesamtproblems, zu dem auch wir im Endeffekt beitragen. Auch wenn es in der Blockupy-Bewegung Aktive gibt, die sehr differenziert denken, ist das größte Problem dabei glaube ich, das es von "draußen" trotzdem als eine Massenbewegung wahrgenommen wird, die zwischen guten und bösen Kapitalismus unterteilt. Und damit meine ich nicht nur Radikale Linke.

Was denken beispielsweise Leute -die sich selbst als unpolitisch bezeichnen- wenn sie von den Blockupyprotesten in den Medien hören/sehen.

Ein Teil wird sich natürlich nichts weiter denken, außer "Randalierer" usw. , ein anderer, wahrscheinlich nicht ganz unbeträchtlicher Teil wird sich aber vom Prinzip dieser (aus Sicht Einiger nur "vermeindlichen") Kapitalismus-Kritik anschließen.

Es gibt nach meinem Empfinden jetzt schon viel zu viele "Bürger", die Ansätze einer total verkürzten Kapitalismuskritik verinnerlicht haben und weitertragen ("Die bösen Banken", "Die bösen Amerikaner", "die böse NSA" usw. ...)

Ich glaube also, um es mal langsam zum Ende zu bringen, dass es nicht schlau wäre, wenn ich mich als Kapitalismus-ablehnender Mensch zu Blockupy bewegen würde, auch wenn ich persönlich vielleicht eine differenzierte Meinung dazu haben sollte, wenn das Resultat ist, dass ich die ohnehin schon viel zu verbreitete Gut-gegen-Böse-Theorie weiter anstochere.

Man müsste denke ich nach wie vor, viel Kraft und Zeit in politische Bildungsarbeit investieren und damit nicht nur versuchen, die eigenen Szene zu erreichen, sondern auch Menschen außerhalb des linken Spektrums. Was natürlich nicht heißen soll,dass man sich politisch nicht klar von deutschen Kartoffeln abgrenzen sollte, keine Frage ;-)

 

Hoffe ich konnte ein wenig zur nun startenden Diskussion beitragen und bin gespannt auf weitere Standpunkte! (:

Deiner Aufzählung ("Die bösen Banken", "Die bösen Amerikaner", "die böse NSA") sollte mensch unbedingt noch "Die bösen Terroristen" hinzufügen, nur um auch den eigenen, beschränkten Erkenntnishorizont vor Kritik nicht zu schonen. Die Hoffnung auf eine Verbesserung ("außerhalb des linken Spektrums") durch "politische Bildungsarbeit" ist meines Erachtens eine Illusion, denn DIE Bildung ist nicht nur hierzulande staatlich organisiert und gesteuert. In diesem Sinne wäre der obigen Liste noch "Der böse Staat" hinzuzufügen. Die Übergänge sind natürlich fließend.

 

Letztlich geht immer nur um Kritik des Kritisierens willens. Ziemlich einfältig.

"Kritikresistent" wäre es gewesen, hätte ich gesagt, das meine Meinung absolut und richtig ist.

Das habe ich aber bei Weitem nicht getan und würde ich mir auch niemals anmaßen wollen. Also geh lieber mit inhaltlichen Argumenten drauf ein und erläutere deinen Standpunkt, anstatt irgendwas von "einfältig" oder "Kritik des Kritisierens willens" zuschreiben.

Und dein Argument, dass "Bildung eine Illusion" sei, finde ich ziemlich fragwürdig. Bildung, Meinungsaustausch und Diskussion sollten, finde ich, immer die Grundlage für eigene, reflektierte Meinungspildung sein. Das alles in einen Topf zu werfen und mit "staatlich organisiert" zu deklarieren ist, finde ich, ziemlich verallgemeinernd.

"Es gibt nach meinem Empfinden jetzt schon viel zu viele "Bürger", die Ansätze einer total verkürzten Kapitalismuskritik verinnerlicht haben"

 

Es gibt viel zu viele Bürger, die von Kapitalismuskritik noch nie was gehört oder keinen Bock drauf haben. Da ist mir verkürzte Kritik millionenmal lieber als gar keine ;-)

ich teile deine argumente ....

wenn ich mich in der ''szene'' in meiner umgebung umschaue ist es größtenteils so, dass die menschen irgendwie wissen: der kapitalismus ist böse, die nation ist scheisse und das kapital ist falsch verteilt...

so weit so schlecht, DENN:
viele menschen mit denen ich mich unterhalte reproduzieren in ihrem eigenen umfeld selbst die konkurenzscheiße in dem sie menschen in zbsp politisch aktiv/nicht aktiv  einteilen. oder sie leben in ihrer kleinen blase des kollektivs und merken nicht wie sie die marktverhältnisse auf sich selbst projezieren (selbständige künstler_Innen, hausprojekte die wirtschaftlich sein müssen > sachzwänge und so! etc.PP)

 alternative kommunen die im endeffekt nur eine verwaltung der bestehenden verhältnisse sind, werden in manchen kreisen als das non plus ultra gesehen und nicht daran gedacht, dass es dem system nützt wenn mensch sich selbst organisiert, aber trotzdem steuern zahlt....
illegalität wie in den 70er bis 90ern ist heute gar kein thema mehr....schade!

manche sind ganz und gar raus aus der theoretischen debatte, weil sie mitlerweile so theorie verdrossen sind, dass sie  kommunismus als etwas schlechtes betrachten! sie vergleichen herrschaftsfreie ideen mit dem staatskapitalismus der sowjet union zbsp.... es ist enorm schwierig mit den menschen über trockene themen zu reden...weil sie meist denken, dass sind alte kammellen , kommt doch mal mit etwas neuem...naja, dass der kapitalismus nicht grade alt ist und analysen von vor hundert jahren auch noch aktuell sein können interessier t sie meist nicht...hauptsache das eigene leben geht klar und mensch ist ein bischen anders als die anderen(hart aber wahr)

auf treffen  bei denen es um protestaktionen oder vernetzung geht werden tiefgehende diskurse meist übergangen, weil zu langwierig....
da wird dann über geflüchten hilfe (von meist 'weißen' aktivist_innen) und nazi blockaden gesprochen ohne ein wort über die wurzeln zu verlieren....mensch könnte sich ja am heissen eisen verbrennen und bündnisspartner_Innen verlieren.....
das sehe ich ganz besonders bei blockadebündnissen, wo mensch sich gegen rassismus und xenophobie positionieren kann, aber die kritik an staat, nation und kapital ein nogo ist, da bündnispartner_innen z.t. aus dem bürgerlichen sprektrum kommen und die angst vorherrscht zu den 'extremist_i nnen' zu gehören oder als verkappte kommunist_innen (was ist daran eigentlich so schlimm?) abgestempelt zu werden!
meiner meinung nach sollten alle die sich als radikal links verstehen jeden tag daran arbeiten tiefgehende kritik zu verbreiten....sei es in der schule an der uni oder auch in eigenen linken zusammenhängen...'


wenn ich mir manche gespräche anhöre wird mir schlecht....da geht es um banker, merkel oder unreflektierte technikkritik (eher technophobie)....

 

es gilt in einer zeit, in der wir eigentlich gute vorraussetzungen zur kritik haben alle kanäle zu bedienen.....und auch bei blockupy hat sich die theoretische debatte verändert....meines erachtens zum positiven...jedeoch ist es wichtig jeden tag im jahr kritik zu üben und nicht nur an bestimmten !
ich hoffe, dass sich herrschaftsfreie undogmatische theorien und vor allem utopien verbreiten und weiter anklang finden...es liegt in unserer hand!

alles im allen gibt es aber (grade auch nach der antiimp- antiD debatte) wieder eine größere masse an reflektierten radikalen linken....is meine wahrnehmung..

libertäre grüße aus der ost provinz

Du behauptest, radikale Linke, die diesen Blockupy-Karneval ablehnen, würden wegen ihrem ökonomischen Halbwissen die EZB nicht als politischen Akteur sehen.

Es reicht jedoch auch ökonomisches Viertelwissen aus, um zu verstehen, dass die EZB am wenigsten Akteur von allen ist. Wo liegt denn ihr Interesse? Merkel verficht das Interesse des deutschen Kapitals, das an dieser Stelle deckungsgleich mit dem Interessen der deutschen Bevölkerung sind: Möglichst wenig zahlen, möglichst viel bekommen. Hollande verficht die Interessen der französischen Kapitalbesitzer, Kopacz die der polnischen etc. Aber welche Eigeninteressen verfolgt die EZB? Möglichst viele Beamte haben vielleicht, aber sonst ... Die EZB ist wohl am ehsten als ideeler Gesamtkapitalist zu fassen: Sie tariert aus, was durch die Verfolgung der Einzelinteressen schief geht. Nehmen wir als Beispiel Draghis Satz "Die EZB werde alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Hat der ihn gesagt, weil er seinen Job verliert, wenn der Euro verschwindet? Wohl kaum. Er ist ihm auch nicht einfach in der Badewanne eingefallen. Wenn ich mein ökonomisches Halbwissen aktiviere, dann kann ich die damalige Situation Revue passieren lassen: 

Die Zinsen für Staatsanleihen gingen in riesige Höhen, Spekulanten wetteten gegen einzelne Staaten und damit gegen den Euro und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er gescheitert wäre. In dieser Situation gab es zwei Möglichkeiten: Die erste war Euro-Bonds, also die gemeinsame Ausgabe von Anleihen. Dies war insbesondere in Deutschland nicht durchsetzbar und die CDU hatte sich klar dagegen ausgesprochen. Die zweite Möglichkeit war der oben zitierte Satz und damit die Ankündigung, im Fall der Fälle Geld zu drucken. 

Und die Wahl dieses Weges war natürlich keine autonome Entscheidung der EZB, sie war bis ins kleinste Detail mit der deutschen Bundesregierung abgesprochen. Deutschland würde den Euro nicht aufgeben, weil er ein Glücksfall für die "Exportnation" ist, gleichzeitig kann und möchte es die Vergemeinschaftung der Schulden nicht akzeptieren. Dann gibt es halt nur diesen einen Weg, der auch gegangen wurde.

Die EZB ist eben kein unabhängiger Player. Dass das Gegenteil behauptet wird ("die EZB ist unabhängig") und die Deutsche Bundesbank bei jeder Entscheidung empört aufschreit, lässt sich unschwer als Propaganda identifizieren. Wer so etwas glaubt, ist bei den Mahnwachlern, bei Attac und den anderen Halblinken in Frankfurt ganz gut aufgehoben.

das ist es ja!

die ezb KANN gar kein unabhängiger akteur sein..... das system funktioniert ohne kredit nicht!
und da ist zum beispiel ein punkt an dem mensch ansetzen kann....

weil viel über zins und kredit und spekulation geredet wird....
ich argumentiere dann immer so:
eine kleine handwerksfirma arbeitet nicht anders als eine bank oder groskapitalistiche unternehmen...'sie versucht das kapital( meist kredit...selten eigenkapital) zu vermehren (sachzwänge wie steuern,lohnzahlung und abgaben jeglicher art befeuern dies) und nutzt dafür spekulativ erstmal die arbeitskraft [humankapital- variables kapital bei marx(lohnkosten...)]

das bedeutet, dass solch ein unternehmen mit der existens der arbeiter_innen spielt....weil es nicht sicher ist ob es sich in der konkurrenz auf dem markt halten kann....
in diesem moment stellt sich dann herraus, dass es keinen unterschied zwischen 'schaffenden' und 'raffenden' kapital gibt.....das klappt meist ganz gut....

Mittlerweile vertreten ja nicht wenige in der radikalen Linken die Ansicht, dass es die "bösen Banken" so nicht gäbe, weil diese sich selbst auch einfach nur innerhalb kapitalistischer Sachzwänge bewegten. Da werden dann oft Vergleiche mit dem normalen Handwerksbetrieb oder dem einfachen Arbeiter gezogen, auch weil man damit die Unterscheidung zwischen dem "raffenden und schaffenden Kapital" negieren möchte, die man in der Bankenkritik vermutet. Im nächsten Schritt wird dann von der Bankenkritik über die Unterscheidung von raffendem gegenüber schaffendem Kapital zum strukturellen Antisemitismus subsumiert. Auch wird vermutet, dass die Bankenkritik die systemische Komponente übersehe und sich in verkürzter Form einer personalisierten oder konzernfokussierten Kritik zuwende.

 

All das zeugt von einer neoliberalen Gehirnwäsche, die ein Teil der radikalen Linken in den letzten 10 Jahren durchgemacht hat, obwohl sie im Kern schnell und einfach zu erklären ist. Nazis und andere Antisemiten haben schon immer alle mögliche theoretischen Ansätze aus Philosophie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaft adaptiert und für ihre Zwecke umgedeutet. Zinskritik oder die Unterscheidung unterschiedlicher Formen des Kapitals sind nicht automatisch deswegen scheiße, weil die Nazis das auf ihre Weise interpretiert und zu Nutze gemacht haben, genauso wie Autobahnen nicht scheiße sind, weil sie von Nazis gebaut wurden. Das pseudowissenschaftliche Konzept vom strukturellen Antisemitismus besagt nichts anderes, als das etwas in seiner Struktur dazu angelegt sein soll, den Antisemitismus zu befördern. Diese Struktur lässt sich aber in fast jedem beliebigen Sachverhalt irgendwie verorten, wenn man die Kausalketten nur lang genug knüpft. Anders als in der seriösen Wissenschaft wird nicht zuerst eine Hypothese aufgestellt, um diese dann methodisch zu überprüfen und zu einer These zu gelangen, sondern die Antisemitismus-These steht allem voran. Im Ergebnis führt die Kritik an der Kritik unter dem vorausgesetzten Vorwurf des Antisemitismus letztlich zu Vermeidung und Zensur. Eine Diskussion beispielsweise über unterschiedliche Formen von Kapital oder die Sinnhaftigkeit von Zinsen wird unterbunden und verunmöglicht. Das Gegenteil von Wertkritik im Sinne Adornos und Horkheimers findet statt - die Gesellschaft wird nicht aufgeklärt sondern erst recht anfällig für Stereotype, Feindbilder und Antisemitismus. Daher ist es auch äußerts fraglich, ob ein Blockupy-Demonstrant mit einem "FUCK EZB"-Schild den Antisemitismus in Deutschland mehr befördert, als ein "Antideutscher", der mit seinem Flyer auf den angeblich antisemitischen Gehalt der Banken-Proteste hinweist.

mir persöhnlich geht es jetzt in erster linie gar nicht um strukturellem antisemitismus ....
banken kritik ist nötig, genauso wie es nötig ist grosskonzerne zu kritisieren..., die einfach aufgrund der menge an kapital und eigentum, welches sie besitzen grössere player sind....
doch kann es einfach sein, dass (wie bei attac, verdi etc.) einfach verkürzte kritik gibt.... die kapitalverhältnisse werden nicht im allgemeinen kritisiert, sondern irgendwie ein ''ein guter arbeiter'' und schlechtes finanzkapital(siehe die krakenabbildung , die bei verdi auftauchte....als beispiel) herbeiphantasiert wird...
da es aber dem großteil der bevölkerung nur um eigene interessen geht und nicht um kritik an system und staat, hilft blose bankenkritik der  ganzen sache nicht...sondern sie befeuert noch die stereotype die dann von einigen als strukturell antisemitisch gesehen werden!
aus marxistischer(marx'cher) sicht, ist es natürlich so, dass die menge der ausgebeuteten größer ist als die der nutznießenden!

....jedoch ist das kein grund nur das böse da oben zu sehen....sicher werden herrschende versuchen ihre macht zu erhalten und der staat mit aller  gewalt versuchen gegen emanzipatorische bewegungen vorzugehen....jedoch muss menschen bewusst sein woher denn konkurrenz und xenophobie zum beispiel kommen....oder dass die ''finanzkrise'' eigentlich keine finanzkrise, sondern ein nötiger schritt des kapitals um umzuverteilen ist....
rein logische sache....gab es vor ca. 70 jahren schonmal...

mensch kann den zins und die banken nicht abschaffen, ohne den kapitalismus ab zu schaffen....
das problem ist der tausch....der wert-warenfetisch...die hierarchie und das patriarchat und natürlich grenzen..
nicht bestimmte institutionen...deswegen machte ich den vergleich mit der handwerksfirma....
sie ist auch nur ein teil dessen, was uns von einem schönen leben abhält....denn wofür produziert (arbeitet) denn mensch dort....für profitinteressen des chefs/der chef_in.... ich denke, dass menschen ewusst werden sollte, dass wir anders produzieren können wenn wir denn wollen...!

Wenn es dir nur um verkürzte Kritik geht, dann freu dich doch, wenn überhaupt Menschen noch Kritik an den Verhältnisssen üben und zur Demo kommen. Mit denen kannst du dann vor Ort diskutieren, wenn du meinst deren Kritik sei verkürzt.

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mach ich...

 

jedoch ist es häufig, dass unreflektiert nachgeplappert wird, als sich mit tiefgehenden problemen zu befassen....
ich meine, 'das kapital' ist einfach schwere kost und deshalb sollte die thematik der Kapitalismuskritik (auf der ökonomie basierend)gut kommuniziert werden...dafür gibt es ja schon gute einführungen....
heinrich zum beispiel...


...wie schon gesagt ist der tausch ein problem...von diesem prinzip ist es auch in 'linken kreisen' schwer loszulassen....
es wird vom recht auf faulheit geredet und sich aber nicht mit der arbeits/wertkritik auseinander gesetzt(oder lafarque überhaupt mal gelesen!)
....sehr theorieverdrossen heute...die menschen(subjektiver selektiver eindruck!)

krisis finde ich da sehr gut....oder das buch work von chrimethinC (polemisch aber gut :-) )

Vielen Dank für die knappe Darstellung zur Position eines radikalen Linken zu Blockupy.

Die Titulierung "reflexhaftes Beißen" ist für mich treffend und auch weiterhin im Verlauf des Artikels und der Kommentare erlebbar.

Dabei stelle ich mir die Frage, warum es scheinbar nur schwerfällig möglich ist, sich der Bevölkerung möglichst breit hin aufzustellen.

i.e. erst kürzlich politisierte Menschen, welche eine Kritik nur verkürzt austragen können und sich allgemein noch in persönlicher Entwicklung dieser Probleme stellen, welche planetare Relevanz aufweisen, müssen verantwortungsbewusst aufgenommen werden.

Zu recht wird ein herunterschauen, abtun oder angreifen dieser Menschen oder ihrer Positionen kritisiert, aber was tut man denn, um diesen Menschen eine Plattform zu bieten... wie engagiert ihr euch, um gerade diesen Menschen Weggefährte zu sein?

 

Eine evtl vorhandene Arroganz, aus erreichter Position neues zu unterdrücken finde ich mehr als hinderlich, ausser natürlich, die allgemein Zielsetzung ist nicht kompatibel und schließt im vorhinein bestimmte Menschen, oder ihre Einstellung aus.

Kann es nicht sogar sein, dass das System weniger angegriffen wird, als seine Teilnehmer?

Die eigene Entwicklung sollte primär sein und der Weg hört erst mit dem Tod auf.

 

nur so ein Gedanke.