Seit Jahren marschieren in Freiburg immer kurz nach Ostern zwischen hundert und zweihundert Anhänger der Piusbrüder – einer klerikalfaschistischen katholischen Sekte – betend gegen Abtreibungen und das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung. Daneben sorgen die Piusbrüder durch Holocaustleugnung und Verehrung von Kriegsverbrechern für Aufsehen. Gegen diese Aufmärsche formiert sich seit 2009 antifaschistischer und queer-feministischer Hohn, Protest und Widerstand. Die Polizei sorgt Jahr für Jahr dafür, dass deren Aufmarsch dennoch stattfinden kann, und nahm jedes Jahr einige Menschen in Gewahrsam. Im Nachhinein wurde dann wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Unrühmlicher Höhepunkt war das Jahr 2013, in dem gegen mehr als 50 Menschen ermittelt wurde, immerhin jedoch die meisten Verfahren eingestellt wurden.
Bis 2011 haben die Piusbrüder in Freiburg auch so genannte Gehsteigberatungen vor dem Büro von ProFamilia gemacht. Sie haben dabei Frauen belästigt, die aus verschiedensten Gründen Hilfe bei der Organisation suchen. Das Verbot dieser Aktion durch das Amt für öffentliche Ordnung wurde vom Freiburger Verwaltungsgericht sowie dem Verwaltungsgerichtshof gebilligt.
Aufmärsche & Protest 2009-214
Bis 2009 konnten die Piusbrüder ihren Aufmarsch in Freiburg weitgehend ungestört durchziehen. 2009 fand der Aufmarsch dann zufällig am Tag nach der Räumung des langjährigen besetzten Zentrums "Topf & Söhne" in Erfurt und somit parallel bzw. kurz vor einer geplanten linken Demonstration statt. Somit gab es erstmals antifaschistische Interventionen gegen den Aufmarsch. Aufbauend auf die Erfahrungen riefen Antifaschist*innen dann in den folgenden Jahren regelmäßig zu Protesten auf. So konnte 2010 der Aufmarsch massiv gestört werden.
In der Reaktion fand der Aufmarsch 2011 dann "spontan" zwei Tage früher als geplant und erstmals von einem größeren Polizeiaufgebot geschützt statt. Trotzdem konnte mit einer Spontandemo der Aufmarsch wenigstens verbal gestört werden. 2012 verzichteten die Piusbrüder dann gänzlich auf öffentliche Ankündigungen und der Protest gegen den erneut von der Polizei massiv unterstützten Aufmarsch fiel sehr klein aus.
2013 hatten die Freiburger Piusbrüder für den 10. März das Harmonie-Kino für eine private Filmvorführung gemietet. Gespielt werden sollte "Lefebvre – ein Erzbischof im Sturm der Zeit", ein Film über den erzreaktionären Piusbrüder-Bischof, der sich von der offiziellen Lehre der katholischen Kirche abgrenzte, nachdem diese im 2. Vatikanischen Konzil u.a. das Judentum und andere Religionen anerkannte. Nach einer kurzfristigen Mobilisierung wurde die Filmvorführung durch das Harmonie-Kino abgesagt. An dem alternativen Veranstaltungsort blockierten Antifaschist*innen dann vorübergehend den Eingang. Am 5. April protestieren dann gut 200 Linke nach einer erfolgreicheren Mobilisierung gegen den jährlichen Aufmarsch. Die Polizei war erneut mit einem Großaufgebot vor Ort und ermöglichte den Aufmarsch. Die Polizei filmte dabei sowohl durch Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) als auch in Person von Bernhard Kurz vom Freiburger Staatsschutz, dem für politische Straftaten zuständigen Dezernat der Kriminalpolizei.
In dem folgenden Jahr wurde das Bildmaterial gesichtet, bei verschiedenen linken Aktionen wurden Menschen durch die Polizei wiedererkannt und festgenommen oder kontrolliert sowie im Ergebnis 55 Verfahren eingeleitet – 54 davon wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, eines wegen Körperverletzung. Den meisten Menschen wurde dabei vorgeworfen, dass sie dem Aufmarsch trotz Aufforderung nicht aus dem Weg gegangen seien. Da die Staatsanwaltschaft sowie die Gerichte die Ermittlungsergebnisse der Freiburger Polizei für dünn bzw. die vermeintlich verübten Straftaten für nicht erwiesen hielten, wurden die allermeisten Verfahren – teilweise gegen Sozialstunden oder Geldzahlung – eingestellt. Aktivist*innen, die sich nicht auf diesen einfachen Weg einliesen und vor Gericht gegen ein Recht auf klerikalfaschistische Propaganda streiten wollten, wurden allerdings zu geringen Geldstrafen verurteilt.
In 2014 konnte der Aufmarsch erneut gestört, aber nicht verhindert werden. Bisher gibt es noch keine Anzeichen für eine mit 2013 vergleichbare Repressionswelle.
Neben den jährlichen Aktionen rund um den Aufmarsch gab es 2011 und 2014 direkte Aktionen gegen die Kapelle der Piusbruderschaft in Freiburg-Betzenhausen.
Landeskriminalstatistik 2013
Die Tätigkeit der Freiburger Polizei im Bezug auf die Proteste gegen die Pius-Brüder führte dazu, dass Innenminister Gall die Verdopplung linksradikaler "Gewalttaten" in 2013 vermelden konnte. Grund für diese Schwankung ist einerseits, dass in die Statistik ausschließlich eröffnete Ermittlungsverfahren und nicht Verurteilungen einfließen. Außerdem wird "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" als Gewalttat klassifiziert, was in der Praxis meist so aussieht, dass gegen Menschen ermittelt wird, die sich lediglich weigern Befehlen der Polizei nachzukommen.
und dieses Jahr?
Wir gehen davon aus, dass die Piusbrüder auch dieses Jahr ihre Propaganda in die Freiburger Innenstadt tragen wollen und das die Freiburger Polizei sie dabei erneut unterstützen wird. Die letzten Jahre haben sich die Piusbrüder immer Freitags in der Woche nach Ostern getroffen…