Alexander Dugin in Deutschland? Neurechter Verlag lädt rechtsradikalen Guru ein

Foto: Alexander Dugin (Mitte) und Mitstreiter Valeri Korovin (rechts). Dahinter eine Variante der schwarz-gelb-weißen Flagge des russischen Imperiums. In den Händen: westliche Smartphones.

In diesem Jahr möchte die neurechte Zeitschrift „Zuerst!“ mit einem ganz besonderen Highlight aufwarten. Zu ihrem regelmäßigen „Lesertreffen“, das vom 6. Bis 8. März in einem noch nicht genauer bezeichneten „Tagungshotel in Franken“ stattfinden soll, wurde der russische Rechtsradikale Alexander Dugin angekündigt - gewissermaßen als Stargast. 

 

Der Esoteriker gilt als einflussreichster Vertreter einer krypto-faschistischen und bellizistischen Ideologie, die den Hass auf alles angeblich „westliche“ oder „liberale“ ins Groteske übersteigert, deshalb aber keineswegs als Quatsch abgetan werden sollte. Von ihren Anhänger*innen werden bewusst Kontakte in verschiedene politische Lager gesucht. Aufsehen erregten aktuell die ominösen Verbindungen Dugins und des mit ihm befreundeten Oligarchen Konstantin Malofejew zur neuen griechischen Regierung [1].

 

Was will dieser Dugin?

 

Die Grundzüge seines Weltbildes legte Dugin bereits Anfang der 1990er Jahre in seinem Buch „Der Große Krieg der Kontinente“ dar, das vorab in der ultranationalistischen Zeitschrift „Den“ (dt. Der Tag [2]) erschien: Seit Jahrhunderten bereits bekämpfen sich, Dugins Ansicht nach, die geheimen Orden der  „Atlantiker“ und der „Eurasier“ in einem „okkulten punischen Krieg“ [3]. Erstere, auch die „Seemächte“ genannt, zeichnen sich durch Dekadenz und Selbstvergessenheit aus. Sie werden heute von den USA angeführt, gehen aber bis auf das versunkene Atlantis zurück. Unter Letzteren versteht Dugin jene Kulturen, die mit ihren traditionellen Wurzeln verbunden geblieben sind. Russland stellt aktuell die Speerspitze dieser „Landmächte“ dar, die im Wesentlichen die Länder Kontinentaleuropas und Asiens umfassen. Sie haben ihren Ursprung in einem mystischen, nordischen Land namens „Hyperborea“. In unserer Zeit bahnt sich die finale Entscheidungsschlacht dieser antagonistischen Mächte an. Russland muss sich daher bereit machen und eine nationale Wiedergeburt einleiten, um im apokalyptischen Dritten Weltkrieg zu siegen - der vollkommen unvermeidbar ist [4].

 

Wie bitte? Ja, richtig gelesen.

 

Vor und kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bewegte sich Dugin in nationalistischen, antikommunistischen Dissident*innenzirkeln. Zu dieser Zeit bezog er sich noch offen positiv auf den europäischen Faschismus und Nationalsozialismus [ebd.]. Ab Ende der 1990er Jahre jedoch hielt er sich mit dezidiert profaschistischen Äußerungen in der Regel zurück. Der gemäßigte Ton dürfte darin begründet sein, dass er in dieser Phase versuchte, mithilfe seines neu entwickelten „Neoeurasismus“ Zutritt zum politischen Establishment zu erhalten. [5] Das blieb nicht ohne Erfolg: Von 2008 bis 2014 leitete Alexander Geljewitsch Dugin einen Lehrstuhl an der angesehenen Moskauer Lomonossow-Universität. Sein Buch „Grundlagen der Geopolitik“ wird heute in der Offiziersausbildung der russischen Streitkräfte als Lehrbuch genutzt. Obwohl er keineswegs unumstritten ist, verfügt Dugin zweifellos über einflussreiche Kontakte in die russische Machtelite [6].

 

Professor Dugin bemüht sich, seine kruden Weltanschauungen auf russische Wurzeln zurückzuführen, namentlich auf die antiwestliche Eurasismus-Ideologie, die in den 1920er/30er Jahren von einer kleinen Zahl russischer Emigranten vertreten wurde. Tatsächlich prägender sind aber die Einflüsse der sogenannten „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik  und der westeuropäischen „Neuen Rechten“ der Nachkriegszeit, des Weiteren esoterisch-verschwörungstheoretische Denker wie Julius Evola, René Guenon, Aleister Crowley u.a. [7]. Dugin verschleiert also systematisch, dass er seine Weltanschauung zum größten Teil eben gerade aus dem von ihm so gehassten Westen importiert hat… Und dorthin möchte er sie nun offenbar mit Hilfe seiner hiesigen Anhänger*innen auch wieder zurückbringen.

 

Die Zeitschrift „Zuerst!“ erscheint im Verlag von Dietmar Munier als Nachfolgeprojekt der „Nation & Europa“, die 2009 eingestellt wurde. Als Chefredakteur fungiert der ehemalige Redakteur der „Jungen Freiheit“ Manuel Ochsenreiter. Die jährlichen „Zuerst!-Lesertreffen“ stellen eine beliebte Kontaktbörse und Schnittstelle für diverse Nationalkonservative, Militaristen, Verschwörungsgläubige und offene Neonazis dar [8]. Der im deutschen Mainstream praktisch unbekannte Manuel Ochsenreiter wird Zuschauer*innen des russischen Propaganda-TV-Senders RT (vormals RussiaToday) regelmäßig als Kommentator und angeblicher Deutschlandexperte vorgeführt [9]. Als Publizist hat er Dugin bereits mehrfach wohlwollend interviewt [10]. Kürzlich brachte „Zuerst!“ ein neues Buch Dugins auf Deutsch heraus, es wird über den neurechten „Verlag Antaios“ von Götz Kubitschek vertrieben [11].

 

Der russische Chefdenker des „Neoeurasismus“ soll seinen Vortrag am zweiten Veranstaltungstag des „Lesertreffens“ halten, das geht aus einem an die Leser*innen verschickten Flyer hervor [12]. Danach im Programm folgt Akif Pirinçci. Der Katzenfreund und Islamhasser Pirinçci hat sich nach seiner Rede bei der „Bogida“ [13] nun also endgültig in die Gefilde des organisierten Rechtsradikalismus begeben. Desweiteren tritt AfD-Stadtrat Menno Aden [14] auf und der kanadische Revisionist James Bacque wird Gelegenheit bekommen, seine haltlosen Theorien zu den „Rheinwiesenlagern“ zu verbreiten [15]. Weitere Redner*innen: FPÖ-„Hausfrau“ Babara Rosenkranz [16], Bundeswehr-Oberst a.D. Klaus Ulrich Hammel, der bei der Jungen Freiheit und Compact beliebte Historiker-Mystiker Jan von Flocken [17] u.a.

 

Zwar haben sich mehrere Politiker*innen bereits gegenüber dem Auswärtigen Amt dafür ausgesprochen, Dugin ein Einreiseverbot zu erteilen, z.B. Volker Beck [18]. Momentan sieht es aber so aus, als würde die Tagung tatsächlich stattfinden können. Und am 7.3., noch vor dem Mittagessen, wird ein Hauch der jahrtausendealten Weisheit von Hyperborea über das beschauliche Franken wehen.

 

Foto: Alexander Dugin (Mitte) und Mitstreiter Valeri Korovin (rechts). Dahinter eine Variante der schwarz-gelb-weißen Flagge des russischen Imperiums. In den Händen: westliche Smartphones.

 

Anmerkungen:

 

[1] Meike Dülffer u.a. (Die Zeit) 2014: http://bit.ly/1C0ECdU

[2] „Den“ wurde 1993 umbenannt in „Sawtra“ (dt. Morgen). Von Personen aus dem Sawtra-Umfeld wurde 2014 die Propaganda-Ausstellung ‚Material Evidence‘ organisiert, siehe Kentrail-Verschwörung Oktober 2014: http://on.fb.me/1xyyfvP . Im November letzten Jahres veröffentlichte die Sawtra ferner das Interview mit dem Geheimdienstler Igor Girkin, in dem dieser seine persönliche Verantwortung für die Eskalation des Krieges in der Ostukraine einräumte, siehe Julian Hans (SZ) November 2014: http://bit.ly/1yzCsSh . Girkin ist auch selbst Redakteur der Sawtra, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sawtra .

[3] siehe Andreas Umland, 2011: http://bit.ly/1FdPHf0 S. 62-63

[4] siehe ders., 2007 http://bit.ly/1zVZTKA

[5] siehe ders., 2011: http://bit.ly/1FdPHf0 S. 65-66

[6] siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Geljewitsch_Dugin

[7] siehe Andreas Umland, 2009: http://bit.ly/18TYGY9 S. 440-441

[8] siehe Indymedia Dezember 2009: http://bit.ly/18U1953 ; Antifa Infoblatt Januar 2010: http://bit.ly/1xz4lHO ; Antifa Kiel September 2013: http://bit.ly/16yPlnh

[9] siehe Adam Holland (Interpreter Mag) März 2014: http://bit.ly/1lq2Qbz

[10] siehe Ochsenreiters Blog, Januar 2013: http://bit.ly/1c1LmSl und Januar 2014: http://bit.ly/18U2Cs5

[11] Produktseite Verlag Antaois: http://bit.ly/1zWDUl2 ; weiterführend Volker Weiß (Jungle World) 2014: http://bit.ly/16piYHl

[12] siehe Scan des Flyers: http://abload.de/img/leser-treffenjxqqa.jpg

[13] siehe Kentrail-Verschwörung Dezember 2014: http://on.fb.me/1zWaCVe

[14] siehe Publikative.org Januar 2014: http://bit.ly/1yQf1Dm

[15] siehe Jan Tölva (Jungle World) November 2011: http://bit.ly/1CAS0uo

[16] siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Rosenkranz

[17] siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_von_Flocken

 

[18] siehe http://abload.de/img/beck-schreibenp7u23.jpg

 

Zum Thema:

Originaltext von Alexander Dugin (übersetzt): "Faschismus - Grenzenlos und Rot" von 1997

https://linksunten.indymedia.org/de/node/133690

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Laut flyer ist der Veranstaltungsort Sachsen-Anhalt/Thüringen - gibt es neue Anhaltspunkte, die auf Franken hindeuten?

 ist angekündigt. Offenbar ein Fehler im Artikel.

...ist doch auch hier.

Auf Einladung aus Berlin.

Zuerst! Konferenz 6.-8. März 2015

 

das Veranstaltungsprogram: facebook.com/groups/313612961788/permalink/10153101159501789/

 

Veranstalter und ReferentInnen

Preussische Gesellschaft Berlin Brandenburg

 

18. Februar, 19:00 Uhr
Vortrag von Professor Dr. Menno Aden zum Thema:
„Der zweite dreißigjährige Krieg“

Hotel Hilton am Gendarmenmarkt, kostenfrei