Prozess gegen zwei braune Gesellen, die Hass-CDs über das Internet verbreiteten Mit Nazipropaganda Geld verdienen - das erhofften sich zwei Berliner, die seit gestern vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts angeklagt sind.
Wenn zwei bekannte Anwälte, die NPD-Größen oder Nazischläger juristischen Beistand leisten, das Moabiter Kriminalgericht betreten, dann braucht man ihnen nur zu folgen, um auf einen Prozess mit Nazipropagandahintergrund zu stoßen. Und so war es auch am Donnerstag. Sie verteidigen zwei Angeklagte, die der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Volksverhetzung angeklagt sind. David H. (38 Jahre) und Stefan Sch. (32) sind keine unbeschriebenen Blätter. Sie haben es als Auf- und Verkäufer von Hass-CDs im Internet zwischen 2007 und 2012 zu traurigem Ruhm gebracht. Ob sie weiter im Geschäft sind, bleibt nach dem ersten Verhandlungstag im Dunkeln. Gegen einen dritten Beschuldigten war das Verfahren nach Anklageverlesung eingestellt worden, da er bereits wegen der gleichen Nazischeiben rechtskräftig verurteilt worden war. Man fand sie bei einer zweiten Hausdurchsuchung erneut in seiner Wohnung.
Fast zwei Stunden brauchte die Staatsanwaltschaft, um alle Tonträger der Reihe nach aufzuzählen, die zum Rassenhass und zur Gewalt gegen Juden, Türken, Schwarze oder Kommunisten aufstacheln. Verpackt ist das braune Gebrüll in Hitlerbildern, Hakenkreuzen, SS- oder SA-Symbolen.
Die Anwälte streben einen Deal mit dem Gericht an: Geständnis gegen eine milde Verurteilung. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft zeigten sich nicht abgeneigt. Zu leugnen gibt es wenig, da die Scheiben bei polizeilichen Ermittlungen sichergestellt wurden. Da die Männer seitdem nicht mehr straffällig geworden sind, könnte es am Ende des Prozesses, der für Mitte März vorgesehen ist, auf eine Bewährungsstrafe hinauslaufen.
Die CDs sind ein Sammelsurium menschenverachtender Texte. Da wird in Blut gebadet, werden Kommunisten abgestochen, wird vom Judenstaat Deutschland gegrölt, in dem man nicht mehr leben könne oder von Schwarzen, die vernichtet werden müssten. »Linke, ihr könnte verrecken«, ist noch das Harmloseste der braunen Propagandaflut. Alle Titel sind direkte oder indirekte Aufforderung zu Mord und Totschlag. Während die NPD vor sich hindümpelt, alle über Pegida debattieren, verbreiten sich die Hass-CDs still und offensichtlich unaufhaltsam über das Internet. Mit jeder Scheibe geht ein Stück braunes Gift auf Reisen. Es landet in Kämmerchen, wo junge Neonazis sich dann ihre Welt mit einem bösartigen Cocktail aus Alkohol, Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft zusammenbrauen.
Die Zahl rechtsextremer Bands ist von Jahr zu Jahr angewachsen und dürfte zur Zeit nach unterschiedlichen Angaben zwischen 150 und 500 liegen, die teils im Untergrund, teils in aller Öffentlichkeit ihren Ungeist verbreiten. 2010 registrierte der Verfassungsschutz rund 130 rechtsextreme Konzerte in Deutschland, besonders in Brandenburg. Deutschland ist in den letzten Jahren zu einem Weltmeisterland der braunen Subkultur geworden. Etwa 110 Nazi-CDs sollen jährlich neu auf den Markt kommen. Nicht mitgerechnet die ausländischen, vor allem englischsprachigen Titel. Wenn auch die Auflagenzahlen eher gering sind, so ist es doch die wirksamste Variante der Nazipropaganda. Die »Schulhof-CD«, die Neonazis 2004 auf den Markt brachten, erreichte eine Auflage von mehreren 10 000 Stück. Über die Gewinne der Nazimaterialienanbieter existieren keine verlässlichen Zahlen. Für die beiden Angeklagten hat sich der Handel nicht gelohnt, sie leben von Transferleistungen.
Wer waren die beiden Anwälte?
Bei David H. handelt es sich um David Halwass. (Mehr zu ihm: hier sowie hier)
Bei Stefan Sch. dürfte es sich um Stefan Schultze handeln.
Beim dritten im Bunde dürfte es sich um Dennis Schünemann handeln.
Artikel zum Fall aus der fight.back #04, 2013 (PDF):
Artikel in der Berliner Morgenpost zum Verfahren, März 2014:
Zwei Berliner wegen Vertrieb rechtsradikaler Musik angeklagt