Berlin. Die islamkritische Pegida-Bewegung in Dresden hat nach Einschätzung von Experten ihren Zenit erreicht und wird in absehbarer Zeit wieder verschwinden. „Wir haben den Höhepunkt von Pegida gesehen und er ist vielleicht schon überschritten. Pegida wird sukzessive an Zulauf verlieren“, sagte der Berliner Protestforscher Dieter Rucht am Montag bei der Vorstellung einer aktuellen Studie. Es handle sich um eine „schnell aufsteigende und ich vermute auch schnell wieder sinkende Bewegung“. Ob die Absage der Demonstration am (heutigen) Montag den Prozess beschleunige oder bremse, sei unklar. Auch der Sozialwissenschaftler Piotr Kocyba von der TU Chemnitz sagte: „Die Dynamik von Pegida ist groß genug, dass die nicht nächste Woche weg sind. Aber irgendwann wird es sich ausspaziert haben.“
Nach der Untersuchung von Rucht und seinen Kollegen aus Chemnitz und
Bochum besteht die Pegida-Bewegung gerade nicht aus den angeblichen
„Normalbürgern“. Rucht widersprach damit ausdrücklich einer kürzlich in
Dresden vorgelegten Studie. Allerdings gaben die Forscher zu, ihre
Ergebnisse seien nicht repräsentativ und nur unter Vorbehalt anzuwenden.
Letztlich nahmen nur 123 Teilnehmer der Pegida-Demonstration vom 12.
Januar an der Internet-Umfrage teil. Das seien deutlich zu wenig, um die
Resultate auf die gesamte Bewegung zu übertragen, betonte Rucht
mehrfach. „Wir können nichts über den typischen Pegida-Demonstranten
sagen.“
Pegida-Anhang tendiert deutlich nach rechts
Allerdings
gingen die Wissenschaftler davon aus, dass sich eher Menschen mit
gemäßigteren Einstellungen und weniger die auch vertretenen
Rechtsextremisten beteiligten. Es lasse sich feststellen, dass Pegida
männerdominiert sei, meist aus Angestellten mit guter Bildung bestehe,
kein Vertrauen in staatliche Institutionen habe, der AfD zugeneigt sei
und teilweise rechtspopulistischen bis zu rechtsextremen Thesen
anhänge. Die Teilnehmer der Umfrage, zu 80 Prozent Männer, hätten sich
selbst politisch in der Mitte und Rechts eingeordnet. Bei der letzten
Landtagswahl habe laut eigenen Aussagen etwa die Hälfte AfD gewählt. Die
klassische Sonntagsfrage nach einer nächsten Wahlentscheidung
beantworteten 89 Prozent mit der AfD. Ein großer Teil der Befragten (81
Prozent) stimmte Aussagen zu einem starken Nationalgefühl zu. Deutlich
mehr Befragte als im Bevölkerungsdurchschnitt schlossen sich Thesen mit
ausländerfeindlichem Tenor an (41 Prozent).
Verwundert äußerte
sich Rucht zu den von der Polizei veröffentlichten Teilnehmerzahlen.
Nach Zählungen und Schätzungen seiner zum Teil erfahrenen Teams seien es
in Dresden zuletzt 18 000 und nicht 25 000 Teilnehmer gewesen und in
Leipzig 2000 statt 4000. Mehrere Gruppen der Sozialwissenschaftler
hatten die Demonstration am 12. Januar beobachtet und 670 Zettel mit
einer Aufforderung zu einer Internet-Umfrage verteilt. Die Rücklaufquote
von 18 Prozent war aber im Vergleich zu anderen Protestdemonstrationen
sehr klein.