Seit fünf Wochen organisiert die Pegida in Dresden ihren Aufmarsch gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ und kann dabei auf eine stetig wachsende Teilnehmer*innenzahl bauen. Zur Zusammensetzung dieser „bürgerlichen“ Demonstration ist schon einiges recherchiert und geschrieben worden, diese Arbeit überlassen wir*1 dankbar anderen Gruppen1.
Etwas ausführlicher wollen wir uns den (nicht) gelaufenen Gegenaktivitäten widmen. Als die Pegida-demonstration am das erste und zweite Mal durch die Dresdner Innenstadt zog, regte sich kaum Protest. Lediglich einige Antifaschist*innen - die dann auch gleich bepöbelt und angegriffen wurden - versuchten sich vor Ort Gehör zu verschaffen.2
Am 3.11.2014 kamen etwa 200 Antifaschist*innen zu einer Demonstration der Gruppe URA DD (Undogmatische Radikale Antifa Dresden), die gleichzeitig zum Pegida-Marsch durch die Innenstadt zog. Auch hier wuchs das Mobilisierungspotential in den letzten Wochen auf etwa 600 – 700 Leute an, ein Erfolg und dennoch im Vergleich bedeutend wenig. Von den anfänglichen Versuchen in die Nähe der „Verteidiger des Abendlandes“ zu kommen zur Blockade des angepeilten Abschlusskundgebungsortes der Pegida vergingen nur drei Wochen. Darüber sind wir erst einmal erfreut, da es anscheinend mehr Aktions- und Mobilisierungspotential inner- und außerhalb der „radikalen Linken“*2 Dresdens gibt, als wir erwartet hätten.3 Trotz dessen bewerten wir die gestörte Abschlusskundgebung nur als minimalen Erfolg der nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass bisherige Konzepte gegen Aufläufe von Nazis, Rassist*innen und Co bei dieser neuerlichen Zusammenkunft von bürgerlichen Rassist*innen, offenen Neonazis und Vaterlandsliebenden nur begrenzt anwendbar sind. Die Pegida hat einfach und schnell einen wirksamen Umgang mit Protest gefunden – sie beklatschen sich selbst, da sie in Gegenprotesten nur den linksalternativ-faschistoiden Terror der Meinungsmedien sehen. Sie können allein aufgrund des Vergleichs der Teilnehmer*innenzahlen ein mehr an Recht verbuchen und somit Selbstbestätigung selbst aus Gegenprotesten ziehen.
Der ideologische Überbau befeuert sich nachweislich aus einem Gefühl des universalen Betrugs durch Politiker*innen und Medien.
Das Problem mit diesem Schlamassel ist für uns nicht primär die Existenz von 3000 – 10000 vaterlandsliebenden Stammtischidiot*innen sondern die Präsenz einer Partei und aktionistischer Anhänger*innen, die diese für sich mobilisieren können.
Die „Alternative für Deutschland“ räumte in Dresden satte 7% der Stimmen und im Land Sachsen 9,7% ab. Die Kritik und Konfrontation der AfD in Dresden fiel in unseren Augen recht Mau aus. In Publikationen und Vorträgen fand und findet zwar eine Kritik der Partei statt, allerdings nur in kleineren Zusammenhängen. Die Meinungshoheit liegt wie fast immer auch hier bei der CDU, die sich herausnehmen kann bis zur letzten Sekunde eine Koalition nicht auszuschließen. Gleichzeitig konnten sich linke Zusammenhänge nicht für die Kritik der AfD auf der Straße begeistern und blieben dabei die NPD bei ihren Veranstaltungen effektiv und4 dauerhaft zu stören5. Die verständliche Freude über den Wahlausfall6 der NPD übertünchte medial den „Erdrutschsieg“ der AfD. Im Rückblick würden wir sagen ein Fehler, den wir allerdings auch selbst begangen haben. Wollen wir der Pegida und ihren Folgen etwas entgegensetzen, müssen wir letztendlich die AfD öffentlich angreifen und thematisieren.
Wir wollen in aller Kürze einige Punkte nennen, die uns als Ansatz sinnvoll erscheinen, die weder vollständig, noch wahnsinnig neu sind und einer weiterführenden (Strategie-) Diskussion bedürfen. In der Begrenztheit des Textes scheint es uns sinnvoller Kritik und Anregungen an der derzeitigen Umsetzung antifaschistischer Aktionen gegen die Pegida zu üben.
Die AfD und die Pegida sind zwei politische Erscheinungsformen der neuen Rechten, die sich zwar bei genauerem Hinsehen klar als rassistische, patriarchale und populistische Akteure darstellen. Insgesamt ist es aber noch nicht gelungen eine einheitliche Benennung und Brandmarkung der beiden in der medialen Berichterstattung zu erreichen.
Dies bedarf einer Kritik, die sich nicht einseitig an neonazistischen Umtrieben einzelner Mitglieder, sondern an der Rhetorik der Erscheinungsformen und den Umtrieben der gesamten Zusammenhänge orientiert.
Diese Kritik wiederum muss zwangsläufig so weit wie möglich gestreut und vor allem auch in bürgerlichen Medien gehört werden. Die „radikale Linke“ muss zwangsläufig versuchen diese Kritik so zu formulieren, dass sie eine breite gesellschaftliche Resonanz findet. Sich hier einmal mehr von allen ab zu grenzen, die weniger radikal erscheinen oder tatsächlich sind, wird uns nicht weiter bringen!
Angesichts der derzeitigen Mobilisierungserfolge (neu-)rechter Zusammenhänge ist die Vermutung nicht unwahrscheinlich, dass die etablierten Parteien früher oder später programmatische Angleichungen vornehmen. Alle bürgerlichen Parteien haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, von ihren teilweise scheinbar fortschrittlichen Agenden um zu schwenken und das sie sich reaktionären Forderungen bemächtigen können, wenn es dem Machterhalt7 dienlich scheint8. Dementsprechend halten wir es für sinnvoll sogenannte „positive“ Politik zu verstärken, nicht um uns mit antifaschistischer Praxis an Parteien anzubiedern, sie aber gegebenenfalls in unserm Sinne von außen zu beeinflussen. Im Klartext also beispielsweise „refugees-welcome“ Kampagnen anhand neu entstehender Unterbringungen zu organisieren. Konkrete Flüchtlingshilfe zu organisieren ist nur die folgerichtige Konsequenz aus den zahlreichen Lippenbekenntnissen. Des weiteren ist die Vernetzung von Nachbarschaften usw. zu diesem Zweck die beste Möglichkeit antifaschistische Theorie und Praxis weiter publik zu machen. Dabei sollten natürlich nicht sogenannte Einzellösungen für Flüchtlinge sondern die grundsätzliche Kritik am (deutschen) Asylrecht und der daraus resultierenden Heimunterbringung im Vordergrund stehen9.
Um offensichtlich militante, aggresive Neonazikader von NPD, AfD oder wem auch immer ihre Grenzen aufzuzeigen muss eine "radikale Linke" weiterhin auf altbewährte Methoden des Selbstschutzes setzen, dass wollen wir hier noch einmal klar stellen. Diese Strategien bedürfen aber einer umfassenden Ergänzung!
Wie oben schon einmal angesprochen wurde, halten wir derzeitige Konzepte, wie beispielsweise Massenblockaden nur für begrenzt wirkmächtig. Die derzeitige Mobilmachung rassistischer Bürger*inneniniativen im Raum Dresden führt sie schlichtweg ad absurdum. Bisher wurde noch nicht einmal die Demonstration der Pegida in ihrem Verlauf wirklich gestört. Gleichzeitig finden sich aber seit mindestens zwei Wochen rassistische Demonstrationen in DD Klotzsche statt. Soweit wir wissen gab es dort noch gar keine Intervention, da schlichtweg die Kapazitäten fehlen. Massenblockaden a la 19. Februar 2011 fallen an einem wöchentlichen Termin dann gleich ganz aus, mit gutem Recht hat kein Mensch Bock jeden Montag ins bekackte Dresden zu Kurven. Wie wir damit umgehen? Tatsächlich haben wir keine Idee wie wir damit wirklich effektiv verfahren können. Fürs erste begrüßen wir die angesetzte sachsenweite Mobilisierung für den 1.12.2014 genauso wie die dauerhaft stattfindenden Demonstrationen der URA DD10!
Innerhalb dieser Demonstrationen gibt es für uns allerdings einige bittere Punkte, die hier noch einmal aufgeführt und kritisiert werden sollen!
Verbalradikal
Es ist so Gang und Gebe von vielen Antifademonstrationen, sich unabhängig von jeglichem Kontext, aggressiv, radikal und gefährlich zu geben. Bei den Demonstrationen in Dresden konnten wir immer wieder beobachten, wie Neonazis die sich in einiger Entfernung aufhielten bepöbelt und provoziert wurden und die Demonstration bis zu 20 Minuten herum stand. Scheinbar ist es für viele wichtiger mal eben fünf Nazis nieder zu brüllen, anstatt eigene Inhalte sinnvoll auf die Straße zu tragen. Gleichzeitig sind wir uns nicht sicher wie viele der Demonstrant*innen tatsächlich da sind, sollte es einmal zu einer physischen Konfrontation kommen. Die starre Konzentrierung auf den eigenen radikalen Habitus und die zur Schau gestellte Gewaltaffinität halten wir für sinnfrei. Einerseits wird es uns erdenklich wenig bringen alle Teilnehmer*innen der Pegida amtlich ins Krankenhaus zu schicken, davon wird ihre Demonstration vermutlich nur radikaler werden. Diese Radikalisierung kann die Dresdner Linke derzeit definitiv nicht auffangen und aushalten und diejenigen die die Opfer einer offenen Konfrontation sein werden sind am Ende scheinbar nicht „Biodeutsche“.
Andererseits sollte langsam klar werden, dass Vermummung und einheitliches Auftreten im schwarzen Block eine nützliche Strategie sein kann, allerdings nicht, wenn es darum geht mehr Menschen für antifaschistische Theorie & Praxis zu gewinnen.
Die „radikale Linke“ in Dresden sollte sich darüber im klaren sein, was sie mit ihren Gegendemonstrationen bezwecken will – Selbstbeweihräucherung, indem sie sich erzählt wie krass sie ist oder Aufmerksamkeit und Sympathie für die eigene Arbeit.
… inhaltsleer und stumpf
Parolen, die die BRD mit dem Nationalsozialismus vergleichen; die offen dazu aufrufen Nazis umzubringen oder unsägliche Sprüche wie „Wir kriegen euch alle“ - die auch schon vom Mob in Hoyerswerda gebrüllt wurde - stehen entweder symptomatisch für absolute Inhalts- und Theorielosigkeit oder reine Selbstdarstellung/Überschätzung. Es gibt einen guten Grund, warum antifaschistische Praxis heute da aufhört, wo es um das Töten von Menschen geht. Wenn die „radikale Linke“ weiterhin so agiert, braucht sie sich nicht über ihre Marginalisierung und Ablehnung eigentlicher Bündnispartner*innen wundern. Dass der Spruch „Nazis raus“ immer noch dermaßen viel krakeelt wird, ist uns dann auch einfach nur noch schleierhaft, lasst diesen Mist doch einfach mal weg!
Wir brauchen eine grundsätzliche Diskussion und Neuorientierung unserer Theorie und Praxis!
Für eine starke antifaschistische Bewegung!
Anmerkungen
*1 "Wir" sind eine lose Gruppe antifaschistisch aktiver Menschen aus Dresden.
*2 Eine griffige und umfängliche Bezeichnung der Personen und Gruppen die hier gemeint sind haben wir nicht wirklich gefunden. Angesprochen sind allerdings erst einmal alle, die sich an den derzeitigen Protesten beteiligen oder dies tun wollen! Anmerken wollen wir aber, dass "radikal" in diesem Kontext erstmal nur meint, dass sich Gruppen, Personen und so weiter nicht daran orientieren, ob sie nun Gesetzeskonform oder nicht sind. Um das Problem an "der Wurzel zu packen" reicht dies noch nicht aus!
Literatur
1 http://venceremos.sytes.net/artdd/artikel/cog/der-unpolitische-facebook-mob-macht-mobil.html
http://venceremos.sytes.net/artdd/artikel/co/der-mob-waechst.html
2 https://www.addn.me/nazis/erste-proteste-gegen-montagsdemonstration/
3 https://www.addn.me/nazis/pegida-demo-die-fuenfte/
4 https://www.addn.me/nazis/kaum-oeffentlichkeit-fuer-die-npd/
5 https://www.addn.me/antifa/npd-kundgebung-endet-mit-flucht-in-den-landtag/
8 https://www.taz.de/Zwanzig-Jahre-Pogrom-in-Rostock/!99810/
9 https://www.addn.me/soziales/refugees-welcome-in-cotta-und-loebtau/
Sechster Montag
rofl
"Wir wollen in aller Kürze einige Punkte nennen, die uns als Ansatz sinnvoll erscheinen, die weder vollständig, noch wahnsinnig neu sind und einer weiterführenden (Strategie-) Diskussion bedürfen. In der Begrenztheit des Textes scheint es uns sinnvoller Kritik und Anregungen an der derzeitigen Umsetzung antifaschistischer Aktionen gegen die Pegida zu üben." ----> der text sagt mir folgendes: Ihr habt kein Plan und findet manche demosprüche verkürzt. letzteres wissen glaub ich alle. Was soll mir der Text jetzt sagen? Wo sind verbesserungsvorschläge. Kritik gut und schön aber es dabri zu belassen ist auch nicht hilfreich.
Genau
Guter Text
Danke für den Text - trifft so ziemlich genau meine Gedanken in der letzten Zeit. Es gibt jetzt auf Facebook diese "Dresden für alle"-Gruppe, das könnte u.U. ein Anfangspunkt für eine größere Kampagne sein, bei der sich die radikale(re) Linke einbringen könnte und sollte.
Geht mir ähnlich
Danke.
Ihr seid die Guten,
so "gegen Heimat, gegen Volk und gegen Vaterland" !
die Gastfreunde,....
die sich benehmen und Menschen die vor schlimmen Zuständen flüchten müssen auch was gönnen können. Das ist bei vielen Verirrten auf den pegida Demos doch genau das Problem. Die denken sie kommen irgendwie zu kurz und deswegen soll auch niemand (und schon gar kein nicht Deutscher) etwas bekommen. Oh Mann, wie ich mich doch für die schäme. So um das Jahr 2000 war ich in Syrien. Da konnte man lernen was Gastfreundschaft bedeutet.
...ich denke man braucht so positive...
...Schlagwörter um Menschen auch außerhalb der Antifa mit gegen pegida auf die Strasse zu bekommen. Mit "gegen Heimat....usw." lockt man doch niemanden hinterm Ofen vor. Im Übrigen habe ich auch nichts gegen Heimat...aber eben nicht exclusiv für eine bestimmte Gruppe. Insofern müßte natürlich bei "die Gastfreunde" auch irgendwie kommuniziert werden, daß Gäste keine Gäste bleiben müßen!
Haltet zusammen!
Wenn wir jetzt nicht gegen die Rechte aufstehen, werden wir die ersten Opfer sein!