Rassistische Erfurter Landespolizisten sind beleidigt

racial profiling

Intervention bei rassistischer Polizeinkontrolle am Anger wird als „Beleidigung“ am 24.10. vorm Amtsgericht verhandelt

Der Erfurter Anger ist ein Ort der Routine: Lohnabhängige fahren täglich zu denselben Zeiten mit der Bahn vorüber, Bäckereien und Imbisse verkaufen zu denselben Zeiten dieselben Waren, dieselben Nazis tummeln rund um den Platz und Beamt_innen der Landespolizeidirektion durchkämmen die Innenstadt, ähnlich wie ihre Kolleg_innen von der Bundespolizei den Hauptbahnhof, täglich auf der Suche nach Menschen, die dem rassistischen Augenschein nach gegen die Residenzpflicht verstoßen oder keine gültigen Aufenthaltspapieren haben könnten.


Dass dieses Tagesgeschäft im April 2014 von jemandem gestört wurde und die Kontrolle eines Menschen durch die Polizei als rassistisch bezeichnet wurde, konnten die agierenden Beamt_innen offenbar nicht auf sich sitzen lassen und erstatteten Anzeige wegen Beleidigung.

 

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Die Abwehrreflexe der Deutschen gegenüber antirassistischer Kritik

sind nicht nur in Erfurt stark ausgeprägt; als ein Landtagsabgeordneter der Grünen am 17.01.2014 im Frankfurter Hauptbahnhof DB-Sicherheitskräfte darauf hinwies, dass die Kontrolle einer Person mit schwarzer Hautfarbe nicht zwangsläufig mit dem Gesicht auf dem Boden und begleitet von Schlagstockhieben vonstatten gehen müsse, wurde er selber mit „Hau ab, du N****r!“ beschimpft und ihm danach sein Handy aus der Hand geschlagen. Aber auch im Thüringer Landtag waren rassistische Kontrollen bereits Thema. So bezeichnete eine Linken-Abgeordnete im Rahmen der Debatte um die Residenzpflicht am 17.06.2011 das aus selbigem Gesetz resultierende Polizeihandeln als „rassistische Kontrollpraxis“. Das Resultat war ein vor Wut brüllender Wolfang Fiedler, rechtsaußen-Innenpolitiker der CDU, eine einstündige Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung des Ältestenrats wegen vermeintlicher Beleidigung der Thüringer Polizei.

Die Rechtslage scheint in solchen Fällen zunehmend für die Legitimität antirassistischer Kritik zu tendieren. So konnte z.B. der Ältestenrat des Thüringer Landtags am 17.06.2011 weder eine Rüge noch den Zwang zur Entschuldigung in Richtung der Linken-Abgeordneten aussprechen.

 

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Der Vergleich von rassistischen Kontrollen mit „NS-Methoden“

wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt im März 2012 für rechtmäßig erklärt. Vorangegangen war diesem Prozess die Anzeige von Bundespolizeibeamten, die sich durch selbige Äußerung eines zu Zugreisenden beleidigt fühlten. Im selben Zusammenhang stellte das Oberverwaltungsgericht Konstanz am 29.10.2012 fest, dass Kontrollen durch die Bundespolizei, die einzig aufgrund von äußeren, unveränderlichen Merkmalen durchgeführt werden, gegen das Grundgesetz verstoßen. Dass es die Bundespolizei selber war, die sich in jenem Verfahren beim Kläger entschuldigte und eingestand, dass die Kontrolle von Anfang an rechtswidrig war, scheint im Erfurter Plizeisumpf noch nicht angekommen zu sein.

 

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Interventionen bei rassistischen Kontrollen

sind weiterhin ebenso dringend nötig wie selten. Die Angst vor rechtlichen Konsequenzen wird dabei von der Polizei gezielt geschürt. So werden in der Regel im Handumdrehen Platzverweise ausgesprochen, die in fast allen Fällen, in denen sie rechtlich geprüft wurden, rechtswidrig und damit nicht zu beachten waren. Die Erfahrung zeigt, auch konkret in Erfurt, dass Interventionen mit mehreren Menschen, die sich nicht gleich einschüchtern lassen, oft zum Abbruch der Polizeimaßnahme führen. Anhand des Falls von Habibi, der im Rahmen eines Treffens von Geflüchteten und antirassistischen Aktivist_innen von Erfurter Bundespolizist_innen kontrolliert und daraufhin in Abschiebehaft gesteckt wurde, verdeutlicht die verschiedenen und weitreichenden Konsequenzen rassistischer Kontrollen: Habibi war aus einem ungarischen Knast für Geflüchtete geflohen, um in Deutschland Asyl zu beantragen. Die Erfurter Bundespolizei beabsichtigte nach der Kontrolle, ihn infolge eines Haftbefehls nach Ungarn zurück zu verschleppen. Gleichzeitig wurde ein weiterer Aktivist wegen „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“ angezeigt, einzig, weil er sich mit Habibi im Bahnhof aufhielt. Verhindert werden konnte die Abschiebung nur durch eine spontane unangemeldete Kundgebung vor der Wache, während der ca. 20 Personen den Eingangsbereich in der Wache blockierten, Alarm auslösten, ein Gespräch mit Habibi erzwangen, seine Anwältin informierten und ankündigten, bis zu Habibis Freilassung an der Wache zu verharren.

 

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Die Verhandlung vorm Erfurter Amtgerichts verspricht gute Unterhaltung,

da die Erklärungen der sich beleidigt fühlenden Beamt_innen, warum sie wen kontrollieren und was daran nicht rassistisch ist, sowohl rechtlich als auch politisch interessant sein dürften. Auf ein gleichwohl neugieriges wie kritisches Publikum sowie eine lautstarke Prozessbegleitung können sich die „geschädigten“ rassistischen 'Profiler' schon mal gefasst machen.

 

Unabhängig davon, zu welcher Einschätzung das Gericht gelangt, ist es allerdings weiterhin dringend geboten, zusammen mit den Betroffenen der täglichen Routine von Kontrollen, Schikane und Gewalt Strategien zu entwickeln, wie effektiv und solidarisch interveniert werden kann. Da Polizeikontrollen dabei nur einen kleinen Teil der allgegenwärtigen Ausgrenzung ausmacht und auf alle Formen rassistischer Beleidgungen und Übergriffe adäquate Reaktionen und Handlungsmöglichkeiten gefunden werden müssen, sollte die kommende Gerichtsverhandlung als Anlass genommen werden, zusammen mit den von Rassismus negativ Betroffenen die „Erfurter Vielfalt“ an Ausgrenzung und Gewalt öffentlich zu thematisieren, Verantwortliche zu benennen und kollektive Interventionsmöglichkeiten zu erproben.

 

Kritische Prozessbegleitung am 24.10.2014ab 8.45 Uhr am Amtsgericht Erfurt, Rudolfstraße 46

Intervenieren gegen staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus jeden Tag

 

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Infoladen Sabotnik:

24. Oktober: Prozess & Kundgebung zu Racial Profiling

http://sabotnik.blogsport.de/2014/10/16/24-oktober-prozess-kundgebung-zu...

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"...stellte das Oberverwaltungsgericht Konstanz am 29.10.2012 fest..."

nicht relevant, aber... es war das Oberverwaltungsgericht Koblenz