Sänger von "Hassgesang": Wird in Lichtenfels ein Rechtsradikaler Amtsrichter?

Sänger von "Hassgesang": Wird in Lichtenfels ein Rechtsradikaler Amtsrichter?
Erstveröffentlicht: 
10.10.2014

Am Amtsgericht in Lichtenfels arbeitet möglicherweise ein Rechtsradikaler als Richter. Die Vergangenheit des Mannes wird derzeit überprüft. Er soll Sänger der Neonazi-Band "Hassgesang" gewesen sein. In der kommenden Woche soll der 28-jährige Jurist Maik B. aus Berlin in Lichtenfels sein neues Amt als Richter antreten. Vom Pressesprecher des Landgerichts Coburg wurde er unlängst als Berufsanfänger vorgestellt, der sein Studium in Berlin absolviert habe.

 

Amtsgericht Lichtenfels: Ist der neue Richter ein Rechtsradikaler?


Maik B. soll aber auch Sänger in der rechtsextremen Band "Hassgesang" gewesen sein. Einer Gruppe, die der rechten Szene zuzuordnen ist. Auf Nachfrage erklärte der Sprecher des Justizministeriums, Hannes Hedke, die bayerische Justiz nehme den Vorgang äußerst ernst. Das Ministerium habe am Donnerstag von den Vorgängen erfahren und sei unmittelbar tätig geworden. Grundsätzlich gelte, dass in der bayerischen Justiz kein Platz sei für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit jedweder Art. Noch am Freitag habe man deshalb eine Abfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz auf den Weg gebracht und veranlasst, dass der Betroffene mit den Vorwürfen konfrontiert wird.

Neonazi beim Amtsgericht Lichtenfels: Keine Regelanfrage beim Verfassungsschutz


Möglich wurde die Berufung von Maik B. deshalb, weil eine pauschale Regelanfrage beim Verfassungsschutz nicht mehr vorgenommen wird. Dabei hätte schon eine einfache Internetrecherche offenbart, dass die rechtsextreme Band "Hassgesang" im wesentlich aus einer Person besteht, die in Berlin Jura studierte.

Lichtenfels: Ein rechter Richter?


Auf der Internetseite "Netzradio Germania" findet sich ein Interview mit Maik B. aus dem Jahr 2009, in dem er unter anderem erklärt, warum er sich aus der Skinhead-Szene verabschiedet habe. "Nationalsozialismus kann nur als Volksbewegung, als ein Umsichgreifen einer Weltanschauung funktionieren, welche die Werte des Systems überwindet.Wenn man dieses Ziel verfolgt, ist es doch geradezu aberwitzig, sich durch sein Erscheinungsbild vom Volk zu isolieren, so Maik B.

Neonazistisches Projekt


Entsprechend lesen sich die Texte des Untergrundprojektes "Hassgesang". "Adolf Hitler, im Kampf für unser Land, Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt", heißt es da in einem Lied. Aus diesem Grund hatte die Gruppe bereits vor einigen Jahren Eingang in den Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg unter der Rubrik "Rechtsextremismus" gefunden. Entsprechend indiziert wurden die Alben "Helden fürs Vaterland" und "Bis zum letzten Tropfen Blut".Ob Maik B. vor dem Hintergrund einer solchen politmusikalischen Vergangenheit tatsächlich seinen Dienst als Richter in Lichtenfels antreten wird, ist offen.

Der Fall hat auch die Landtagsopposition auf den Plan gerufen. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Franz Schindler, forderte am Freitag in einer Pressemitteilung eine schnellstmögliche und lückenlose Überprüfung und Klärung des Vorfalls. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, seien sofort Konsequenzen zu ziehen und der Betreffende zu entlassen. Sollte es sich um einen Aussteiger handeln, müsse in gleicher Weise gehandelt werden. Weil: Die Tätigkeit als Richter könne nicht Teil eines Aussteigerprogramms sein.

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Neuer Richter fürs Amtsgericht

Maik Bunzel kommt von Berlin an den Obermain und entspannt Personalsituation

 

Von Maik Bunzel könnte man sagen, er wurde sehnsüchtig erwartet, denn das Amtsgericht Lichtenfels war die vergangenen Monate personell unterbesetzt.

Seit dem 5. August, also fast drei Monate lang, ist Zivilrichterin Claudia Franz aus familiären Gründen in einem ihr gesetzlich zustehenden längeren Urlaub, was für Personalnot sorgte. „Sie war als Halbtagskraft im Amtsgericht angestellt. Ihr Referat wurde seit August durch Richter Thomas Pohl vertreten“, erklärte der Pressereferent des Landgerichts Coburg, Christian Pfab, auf Nachfrage unserer Zeitung. Pohl, der zur einen Hälfte als Straf- und zur anderen Hälfte als Zivilrichter angestellt ist und am Amtsgericht Kleinkriminelle und erwachsene Straftäter aus dem Landkreis Lichtenfels betreut, habe während der Abwesenheit von Franz deren halbe Stelle verwaltet. „Das hat natürlich auch zu Verzögerungen geführt“, so Christian Pfab. Aber das Team am Gericht habe den Urlaub mit mehr Arbeit kompensiert. Schließlich sollte die urlaubsbedingte Abwesenheit der Richterin nicht zu Lasten der Bürger gehen, die das Gericht beanspruchen müssen.

Der Pressereferent betont, dass es während der vergangenen Monate nicht verstärkt zu Rügen gekommen sei. „Nichts Eiliges ist liegen geblieben“, bestätigt auch Richter Johannes Gründel vom Amtsgericht. Bei den betroffenen Rechtsanwälten sei auf die Situation in Lichtenfels hingewiesen worden, und „wir haben auf die Umstände entsprechend gut reagiert.“


Stelle war keinen einzigen Tag vakant

Die Personalsituation am Amtsgericht war in den vergangenen Monaten nicht ganz einfach. Offiziell nämlich war die Richterstelle in der Korbstadt keinen einzigen Tag vakant, denn das Referat war offiziell besetzt, weil Richterin Franz den ihr zustehenden Urlaub ab 5. August in Anspruch nahm. Zum 31. Oktober scheidet sie aus dem Dienst am hiesigen Amtsgericht aus.

„Das Problem lag eher darin, den relativ langen Urlaub von Frau Franz, die nun in Elternzeit geht, zu überbrücken. Aber die Besetzung ging quasi nahtlos“, so der Pressereferent.

Nun also kommt Zivilrichter Maik Bunzel. Über die personelle Änderung am Amtsgericht freut sich auch die Lichtenfelser Rechtsanwältin Regina Taubert. „Ich bin wirklich sehr froh und dankbar, dass die Stelle nun zeitnah besetzt wird“, sagt sie unserer Zeitung. Denn die Situation sei in den vergangenen Wochen schon „recht angespannt“ gewesen. Die Zeiten für die Fristen seien beispielsweise von zwei Wochen auf vier Wochen verlängert worden.

„Normalerweise hat sich nach Einreichen einer Klage innerhalb von zwei Monaten etwas getan. Das war hier in Lichtenfels, was das Zivilrecht angeht, leider nicht mehr der Fall,“ so Taubert. Als Konsequenz daraus habe sie ihre Aktivitäten in Coburg und Bamberg verstärkt und ihren Schwerpunkt anders gesetzt. „Dass es ab dem 1. November wieder eine Verstärkung in Lichtenfels gibt, ist natürlich eine tolle Meldung“, sagt die Lichtenfelser Rechtsanwältin zu der Neuigkeit.

In der kommenden Woche tritt der 28-jährige Maik Bunzel als Zivilrichter in der Korbstadt sein Amt an. „Er ist ein Berufsanfänger und kommt von der Universität in Berlin“, sagte Pressesprecher Christian Pfab dem OT und informiert, dass man Bunzel dann auch offiziell vorstellen werdet.

 

Quelle: Obermain-Tagblatt, 30.10.2013

Normal ausgeschriebene Richterstellen bewirken üblicherweise Wäschekorbe voller Bewerbungen, so daß zu fragen war, aus wievielen Bewerbungen und mit wievielen Vorstellungsgesprächen die Richter am Amtsgericht Lichtenfels, ggf mit Beteiligung welcher höheren Justizfunktionäre sich ausgerechnet diesen mindestens ehemaligen Verfassungsfeind als Kollegen ausgesucht haben und auch warum, ob es vielleicht ein besonders schneidiges Burschenschaftler-Auftreten war, das ihnen ein Gefühl von Der-paßt-zu-uns! vermittelt hätte, wie sie das von einem Juristen etwa wie Hans-Christian Ströbele nicht bekommen hätten.

 

Darüber hinaus lautet die Frage, warum ausgerechnet ein neoNazi im Prüfungssystem zur Richterauslese mit Bestnoten überschüttet wird. Die Antwort publizierte der Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde schon 1997 unter Applaus der damaligen Justiz-Elite, daß nämlich das Prüfungssystem eine „Blockade des selbständigen Denkens“ als Zugangshürde zum Richteramt errichtet und „repetitorkompatible“ Juristen hervorbringt, die Auswendiggelerntes reproduzieren und nicht (mehr) methodologisch denken (dazu: www.ryker.de/dirk/archiv/jura.html).

 

Der Fall Maik B. belegt also nicht, daß die Regelanfrage beim sogenannten Verfassungsschutz wiedereingeführt werden muß, sondern daß die Justiz gar nicht in der Lage ist, sich ihre Kollegen diskret selbst auszusuchen und daß mehr öffentliche Kontrolle notwendig ist – zum Beispiel durch Richterwahlen wie in den USA oder in der Schweiz.