Störaktion beim "Marsch für das Leben" in Berlin

What the fuck!

Heute hat eine Gruppe von Aktivist_innen ihren Protest gegen den „Marsch für das Leben“  zum Ausdruck gebracht. Mit einem  Flashmob innerhalb des Demonstrationszugs der AbtreibungsgegnerInnen wurde der Marsch kurz vor dem Brandenburger Tor gestört. Nacheinander warfen kleine Gruppen an unterschiedlichen Stellen des Zuges Farbpulver, so genanntes „Holi Powder“,  in die Luft  und riefen dabei Parolen, die sich auf die Vielfalt ihrer eigenen Lebensentwürfe bezogen. Sie riefen beispielsweise „Ich bin schwul“, „Ich glaube nicht an Gott“, „Ich will keine Kinder“ oder „Ich habe abgetrieben“. Gleichzeitig wurden Schnipsel mit den Botschaften verstreut.

 

Dieser Protest richtete sich nicht nur gegen die Forderung, Abtreibung zu verbieten.  Die Lebensschutzbewegung muss als Teil eines christlichen Fundamentalismus gesehen werden, der mit seinem antifeministischen und reaktionären Weltbild für eine Gesellschaft kämpft, in der Menschen, die selbstbestimmt lieben und leben wollen, keinen Platz haben.

 

Eine Pressesprecherin der Gruppe „Holi Powder statt Holy Shit“ sagte dazu: „Unsere Aktion will zeigen, dass die Lebensschutzbewegung nur ein legitimes Modell von Leben propagiert, nämlich das der christlich-patriarchalen Kleinfamilien. Es geht den Lebensschützern ganz und gar nicht um ein Recht auf Leben für alle. Sie machen uns stattdessen unsere eigenen Lebensweisen streitig.“

Wir lassen uns weder von Gott, Staat noch Patriarchat bevormunden und haben keine Lust auf eine restriktive Sexualmoral, in der Frauen* entmündigt und auf ihre angeblich natürliche Mutterrolle reduziert werden.

 

Für die Abschaffung des § 218!

Holi Powder statt Holy Shit!

Für eine feministische Gesellschaft!

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"Nacheinander warfen kleine Gruppen an unterschiedlichen Stellen des Zuges Farbpulver, so genanntes „Holi Powder“,  in die Luft  und riefen dabei Parolen, die sich auf die Vielfalt ihrer eigenen Lebensentwürfe bezogen. Sie riefen beispielsweise „Ich bin schwul“, „Ich glaube nicht an Gott“, „Ich will keine Kinder“ oder „Ich habe abgetrieben“

 

also das find ich kacke. ne abtreibung is keine schöne sache. ich hab die aktion nicht live erlebt aber so wie das hier beschrieben wurde kommt es mir vor als ob ihr abtreibungen feiert. das wäre echt widerlich.

 

ich find das thema generell sehr kompliziert. christliche fundamentalisten, die anderen vorschreiben wollen wie sie zu leben haben find ich natürlich scheiße. aber eine abtreibung ist nun mal in gewisser weise mord. das ist keine leichte entscheidung und eigentlich auch nie eine 100% richtige entscheidung. außer das leben der mutter würde bei einer schwangerschaft gefährdet.

Ich glaube nicht, dass damit Schwangerschaftsabbrüche verherrlicht werden sollten. Niemand hat behauptet, dass ein Abbruch eine schöne Sache ist. Aber solch eine Entscheidung gehört halt zur Lebensrealität vieler Frauen*. In dieser Gesellschaft gibt es viele Zwänge und Einflüsse, die zu so einer Entscheidung führen, sie deshalb dafür zu stigmatisieren ist schlicht nicht angebracht. Die Fundamentalist*innen tuen dies aber, u.a. in dem sie ein komplettes Verbot fordern. Wir, als Linke, sollten dem stattdessen einen Gesellschaftsentwurf entgegen stellen, in dem diese Zwänge aufgehoben sind, um wirkliche Entscheidungsfreiheit zu gewährleisten.

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Zunächst einmal geht es ja nicht um die Abtreibung an sich, sondern um das Recht auf Abtreibung, welches die Fundis (und wahrscheinlich viele andere auch) nicht akzeptieren wollen. An einer Abtreibung ist sicher nichts zu feiern, aber an einer Dekriminalisierung, die es eben den Frauen, die in diese Situation kommen, erlaubt dies unter sicheren Bedingungen zu tun, schon. Nicht die Abtreibung wird „gefeiert“, sondern das Recht eine vorzunehmen. Von den Diskussionen, die ich am Rande der Demo mitbekam, bezweifel ich aber, dass diese Differenzierung von den Fundis verstanden wurde…egal, sei's drum…

 

Gleichzeitig geht es ja nicht immer nur um eine Sache an sich, sondern um das zugrundegelegte Weltbild, gegen das demonstriert wird. Wenn Nazis „gegen Kindesmissbrauch“ (und für Todesstrafe) demonstrieren drückt eine Gegenkundgebung ja kein Befürworten des sexuellen Übergriffes aus, sondern ist gegen deren Weltbild und die Instrumentalisierung gerichtet. Die Parolen und Transis heute waren dementsprechend, neben eben dem Einfordern auf das Recht auf Abtreibung, vor allem gegen reaktionäre Gesellschafts- und Familienbilder, Sexismus, Patriachat etc. gerichtet. Abtreibungen an sich gefeiert wurde, soweit ich das mitbekommen habe, nirgends.

In letzter Konsequenz bedeutet ja das Recht, eine Abtreibung vornehmen zu lassen (und nicht eigenmächtig eine vorzunehmen), ja eben doch eine Abtreibung. Eine Differenzierung ist hier albern und heuchlerisch. Ebenso heuchlerisch ist es, vorgeblich gegen die Umstände sein zu wollen, die Menschen in die Situation bringen, über einen solchen Eingriff nachzudenken, aber gegen eben diese nichts zu tun, sondern den Eingriff an sich zu befürworten. Oft fällt in der Thematik der zur Floskel gewordene Begriff "Selbstbestimmung". Selbst über sein Leben zu bestimmen, heißt eben auch verantwortungsvoller Umgang mit Sexualität, wie mensch schwanger wird ist ja den meisten, zumindest theoretisch, klar.

was is hier eigentlich los? ist dir schonmal in den sinn gekommen, das frauen abtreibungen nicht nur deshalb vornehmen lassen wollen, weil sie und ihr partner zu blöde waren zu verhüten. letzteres lese ich zumindest sehr eindeutig in deinem letzten satz!(?) fall ich da deiner meinung nach falsch liege, erklärs mir bitte aber etwas anderes kann ich aus dieser formulierung nicht rausziehen?!?!

 

das recht über den eigenen körper zu bestimmen ist für mich zumindest in jedem fall essentiell um der derzeitigen scheiße irgendwann einmal zu entkommen!

Was soll denn "eine 100% richtige entscheidung" sein? Wenn überhaupt nix dagegen spricht und es lustig lalala ist? Wenn eine Frau* im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte für sich diese Entscheidung trifft (wider ihrer eigenen Bedenken und zu einem menschlich eindeutig zu vertretenden Zeitpunkt), dann ist das eine zu akzeptierende ("richtige") Entscheidung...  dein 100% richtig Schwachsinn macht dabei eh keinen Sinn.

Nur mal kurz zur Verständigung. Das was abgetrieben wird ist eine kleine Zellmasse, ohne Gehirn, Vitalfunktionen oder Wahrnehmung.

Abtreibung ist nie eine schöne Sache aber bitte lass diesen Mord vergleich.

Es wird niemand gezwungen Abtreibungen gut zu finden, aber sollte die Entscheidung über eine solche doch bitte der betreffenden Person selbst überlassen und sich um eigene Angelegenheiten kümmern.

Sobald von homo-und trabsphoben, antifeministischen Hardchorchrist*innen politische Forderungen, die Freiheit anderer betreffend gestellt werden, ist es notwendig sich ihnen in den Weg zu stellen!

MY BODY, MY CHOICE!

Grüße an alle die dabei waren, is gut gelaufen!

Hier ein Pressebericht zur Aktion: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-mitte-aktivisten-stoeren-demo-von-abtreibungsgegnern/10731584.html

 

Scheint eine tolle Angelegenheit gewesen zu sein. Hat jemand Bilder davon gemacht?

 

Hoffentlich gerät der "Marsch für das Leben" nicht wieder sofort in Vergessenheit, sondern die radikale Linke in Berlin beschäftigt sich auch über den September hinaus mit Feminismus, dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen* und christlichem Fundamentalismus.

Hier der Redebeitrag der Gruppe trans*geniale f_antifa, der auf der "What the Fuck!"-Demo gehalten wurde:

 

Wir sind heute auf der Straße, um gegen den “Marsch für das Leben” zu demonstrieren. Der “Marsch” wird hauptsächlich von christlichen Fundamentalist_innen, beziehungsweise Evangelikalen organisert. Wir wollen im Folgenden beispielhaft auf das homofeindliche und trans*feindliche Weltbild der Fundamentalist_innen eingehen.

 

Homosexualität wird von Evangelikalen nicht selten als »Sünde« betrachtet und einige evangelikale Organisationen schreiben sich noch immer die angebliche »Heilung« von Lesben und Schwulen auf die Fahnen, so zum Beispiel auch das »Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft« (DIJG). Unter dem irreführenden Stichwort »Recht auf Selbstbestimmung« engagiert sich das DIJG eigenen Angabe zufolge für Menschen, »die unter ihren homosexuellen Gefühlen leiden und diese als unvereinbar mit ihren Wünschen und Überzeugungen ansehen«. Dabei wird selbstverständlich übersehen, dass die heteronormative Gesellschaft in der wir leben, und insbesondere christliche Akteur_innen dieses »Leid« überhaupt erst produzieren! Lesben und Schwule wachsen in einer Gesellschaft auf, die ihnen immer wieder vermittelt, ihre Gefühle seien nicht »normal«. In evangelikalen Kreisen kommt hinzu, dass Homosexualität als »Sünde« bezeichnet wird. Da ist es kein Wunder, dass schwule und lesbische Christ_innen sich an das DIJG wenden, weil »sie sich eine Ehe oder ein gelingendes sexuell abstinentes Leben« wünschen. Homofeindliche Christ_innen sind deshalb mit Schuld daran, wenn queere Menschen ihre Identität hinterfragen und anzweifeln!

 

Die DIJG vertritt zudem ein äußerst biologistisches und trans*feindliches Verständnis von Geschlecht. In Zusammenhang mit geschlechtsangleichenden Operationen von Trans*-Menschen heißt es: »In Wirklichkeit können chirurgische Eingriffe das Geschlecht nicht verändern. Es ist genetisch festgelegt« In dem Text werden Trans-Frauen* durchgängig als »Männer« und Trans-Männer* als »Frauen« bezeichnet. Geschlecht kann aber nur über die Selbst-Definition der Betreffenden definiert werden. Trans- Frauen* sind Frauen* und Trans-Männer* sind Männer*. Diese Selbstdefinition nicht zu respektieren, ist trans*feindlich.

 

Doch die Ungleichbehandlung von Trans*-Menschen findet sich nicht nur in evangelikalen Kreisen, sondern in allen Teilen der Gesellschaft, also auch in feministischen Zusammenhängen. So kommt es beispielweise häufig vor, dass im Zusammenhang mit Schwangerschafts-Abbrüchen lediglich von “Frauen” gesprochen wird. Dabei werden mehrere Dinge übersehen. Zum einen können nicht alle Frauen schwanger werden, zum Beispiel Trans-Frauen. Zudem können auch Menschen schwanger werden, die keine Frauen sind, beispielsweise Trans-Männer, intergeschlechtiche Menschen und andere Personen, die sich keinem der beiden gesellschaftlich anerkannten Geschlechter zuordnen können oder wollen. Menschen mit unterschiedlichen Identitäten und Selbstdefinitionen können somit schwanger werden und brauchen ungehinderten Zugang zu Schwangerschafts-Abbrüchen. Das bedeutet, dass für alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht die medizinische Versorgung für einen Schwangerschafts-Abbruch gewährleistet sein muss, ohne Infragestellung der Identität oder Pathologisierungen.

 

Wir demonstrieren heute nicht nur gegen die reaktionäre Ideologie der Fundamentalist_innen, sondern auch für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. In feministischen Diskussionen ist damit in diesem Zusammenhang häufig der freie Zugang zu Schwangerschafts-Abbrüchen gemeint. Doch wir fassen den Begriff der körperlichen Selbstbestimmung weiter. Uns geht es auch um die Freiheit, Beziehungen abseits der heterosexuellen Norm leben zu können. Uns geht es auch darum, dass wir uns als Trans*-Menschen so kleiden können wie wir wollen und dass wir freien Zugang zu Hormontherapie und geschlechtsangleichenden Operationen haben. Uns geht es auch um die körperliche Selbstbestimmung von intergeschlechtlichen Menschen. Denn in Deutschland werden noch immer intergeschlechtliche Kinder zwangsoperiert, wenn ihre Genitalien nicht eindeutig in die Kategorien “männlich” oder “weiblich” eingeordnet werden können.

 

Es sind unsere Körper und somit auch unsere Entscheidung! Und zwar auf allen Ebenen. Gegen religiöse und staatliche Bevormundung!

Für eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können!

 

trans*geniale f_antifa
www.transgenialefantifa.blogsport.de

Hier der Redebeitrag der Gruppe nofundi[m]ärsche, der auf der "What the Fuck!"-Demo gehalten wurde:

 

Wir sind die Gruppe nofundi[m]ärsche. Wir sind für ein uneingeschränktes Recht auf Abtreibung. Wir wollen heute aber auch was zu Selektion durch Pränataldiagnostik sagen und diese kritisieren. Denn dieser Aspekt kommt unserer Meinung nach oft in der Kritik an den Fundis, aber auch in den Forderungen für sexuelle Selbstbestimmung, zu kurz.

 

Pränataldiagnostik, kurz PND, umfasst verschiedene vorgeburtliche Untersuchungen, z.B. Nackenfaltenmessungen, Ultraschall oder auch Blutentnahmen, wie beim neuen Pränatest. Wir unterscheiden zwischen selektiven und nicht-selektiven Untersuchungen. Nicht selektive Untersuchungen untersuchen z. B. den Gesundheitszustand der Frau, dagegen prüfen selektive Untersuchungen den Fötus auf körperliche oder genetische Abweichungen.

Wir lehnen selektive Pränataldiagnostik ab!

 

Wenn beim Fötus Abweichungen von der medizinischen Norm diagnostiziert werden, kommt es meistens zum Schwangerschaftsabbruch. Der Abbruch kann dann bis kurz vor der Geburt auf Grundlage der sogenannten medizinischen Indikation erfolgen. Dabei wird mit der Gefährdung der psychischen Gesundheit der Schwangeren argumentiert, die aufgrund der Beeinträchtigungen des Fötus entstehen. Dass schwangere Personen sich in solchen Fällen für einen Abbruch entscheiden, wundert nicht.

 

Gesellschaftliche Bilder von Behinderung und Beeinträchtigungen sind häufig negativ. Behinderung gilt als ein zu vermeidender Zustand der Abhängigkeit und des Verlusts. Viele können sich ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung nicht vorstellen. Mit der Weiterentwicklung pränataler Diagnostik eröffnen sich immer neue Möglichkeiten der angeblich möglichen Vermeidung von Behinderung. Verfahren zur vorgeburtlichen Selektion sind ableistische Praktiken in einer Gesellschaft, die auf kapitalistischer Verwertung basieren und behinderte Menschen diskriminieren.

 

Pränataldiagnostische Untersuchungen sind aber nicht nur behindertenfeindliche Praktiken, sondern setzen zugleich auch schwangere Personen unter Druck, die immer mehr für die Gesundheit und „Qualität“ ihres Nachwuchses zur Verantwortung gezogen werden. Ein Recht auf Nichtwissen für Schwangere gibt es de facto nicht, vorgeburtliche Untersuchungen sind zur Normalität geworden.

 

Der Fokus der selbsternannten Lebensschützer hat sich innerhalb der letzten Jahre stark auf die Themen PND und Kritik an Selektion verschoben. Ihre Kritik an Selektion funktioniert aber nur, weil sie Schwangeren generell jegliches Entscheidungsrecht über ihren Körper absprechen.
Zu oft können sie sich als Verbündete von Behinderten präsentieren. Doch eigentlich instrumentalisieren sie die Interessen behinderter Menschen, wenn sie ‘Ja zu Inklusion’ und ‘Nein zu Selektion’ fordern. Für reale Lebensbedingungen nach der Geburt, geschweige denn eine wirkliche Gleichstellung Behinderter haben sich die Lebensschützer noch nie interessiert.

 

Umso wichtiger ist es, eine queer-feministische Position zu entwickeln, die nicht die Kritik an PND und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gegeneinander ausspielt, sondern zusammendenkt. Wir dürfen die Kritik an pränataler Diagnostik nicht konservativen und religiösen Kreisen überlassen!

 

Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine legitime Entscheidung, die weder im Strafgesetzbuch noch mit Zwangsberatungen geregelt sein sollte. Wir fordern deswegen die Streichung des Paragrafen 218 und ein uneingeschränktes Recht auf Abtreibung.
Wir fordern zugleich das Verbot selektiver Untersuchungen, die darauf abzielen, potenzielle Behinderungen zu entdecken.

 

Denn wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der Schwangeren nicht die Verantwortung zugeschoben wird, gesunden Nachwuchs zur Welt zu bringen. Eine Gesellschaft, in der Personen keine Nachteile daraus entstehen, wenn sie ein behindertes Kind haben. Eine Gesellschaft, in der Behinderung nicht als zu vermeidende Last gesehen wird.

 

Lasst uns gemeinsam für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Selektion und Ableism kämpfen.