Die braune Partei bangt um den Wiedereinzug in den Landtag, will einen „Bandido“ zum Parteichef krönen und ihr Büro in Leipzig schließen. Der Wahlkampf hält an – unter Polizeischutz.
Die Landtagswahl an diesem Sonntag könnte der NPD ein drittes Mal den Weg in den Sächsischen Landtag ebnen: Jüngste Umfragen sehen die Partei nach einem lang anhaltenden Umfragetief bei immerhin fünf Prozent. Bei der vorigen Landtagswahl hatte die NPD die gleichen Prognosewerte erreicht und war mit 5,6 Prozent ins Parlament eingezogen. Eine Wiederholung des knappen Erfolgs gilt als besonders bedeutsam für die finanziell und personell gebeutelte Partei.
Neu wäre diesmal, dass sich im Freistaat eine dezidiert rechte Opposition formieren könnte. Denn ein Wahlerfolg der nationalkonservativen „Alternative für Deutschland“ (AfD) gilt bereits als ausgemacht, sie rangierte zuletzt bei sieben Prozent und hatte zur Europawahl im Sachsenschnitt mit 10,1 Prozent gar ihr Spitzenergebnis erzielt. Einen Verdrängungseffekt im rechten Lager gibt es nicht, vielmehr profitiert die AfD vom Niedergang der FDP, die im neuen Landtag voraussichtlich nicht mehr vertreten sein wird.
Auch FDP-Spitzenkandidat und Noch-Fraktionschef Holger Zastrow hatte jüngst versucht, am rechten Rand zu fischen. Wiederholt hat er der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ein ganzseitiges Interview gegeben.
„Bandido“ soll Parteichef werden
Unabhängig vom Ausgang der Sachsenwahl wird es zu gravierenden Veränderungen bei der NPD kommen. So wird nach Informationen der WELT als neuer Parteichef Sascha Roßmüller gehandelt. Der ist aktuell Vize des bayrischen Landesverbandes – und obendrein bei der Rocker-Gang „Bandidos MC“ aktiv. Die Partei wird seit dem Abgang von Holger Apfel durch Udo Pastörs geführt, dem designierten Nachfolger soll er bereits seinen Segen erteilt haben. Die Neuwahl des Vorsitzenden wird bei einem Bundesparteitag im November erwartet.
Inwieweit Roßmüller auch bei der sächsischen NPD auf Gegenliebe stößt, bleibt jedoch abzuwarten. Zwar war er in den vergangenen Tagen an etlichen Wahlkampfständen im Freistaat zu sehen, ist für die neueste Ausgabe der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ auf die erste Seite gehievt worden und wird ostentativ als „Volksredner“ bezeichnet. Aber die grobe Verniedlichung liegt auf der Hand. Insbesondere, da die Sachsen-NPD auf Plakaten tausendfach für „Sicherheit“ wirbt. Auch scheinen sich die „Bandidos“ infolge des berüchtigten „Rockerkriegs“ weitgehend aus Sachsen zurückgezogen zu haben.
Nach wiederholten Einschätzungen sächsischer Behörden sind Überschneidungen zwischen der extremen Rechten und der Rockerszene lediglich „Einzelfälle“. Ein Treppenwitz ist, dass der angebliche Einzelfall Roßmüller nun an die Spitze der NPD aufsteigen wird.
Schließung der Odermannstraße 8 geplant
Der sächsischen NPD wird es nicht schmecken, dass die Personalie den Wahlkampfendspurt überschatten könnte. Eine weitere Entwicklung dürfte für Unmut in der Szene sorgen: Offenbar plant die Partei, sich von ihrem bisherigen Büro in der Leipziger Odermannstraße 8 zu trennen. Aus Parteikreisen heißt es, dass der Mietvertrag bereits Ende September auslaufen soll. Als Grund werden zu hohe Kosten angegeben. Der Unterhalt des Objekts soll zuletzt nur noch durch Zuschüsse einzelner Funktionäre gelungen sein.
Der Versuch, das Büro als „Nationales Jugendzentrum“ zu inszenieren, ist schon vor Jahren gescheitert. Vor Ort ist das Grundstück isoliert, neuer Zulauf ließ sich nicht generieren. Die lokale Entwicklung widerspiegelt einen übergreifenden Trend: Auch der jetzige Wahlkampf wird maßgeblich durch NPD-Kader bestritten, insbesondere durch Landtagsabgeordnete und Fraktionsmitarbeiter.
Polizeischutz für Enrico Böhm
In Leipzig ist vor allem das Duo Alexander Kurth und Enrico Böhm aktiv. Kurth – ein verurteilter Gewalttäter – war kürzlich widerrechtlich zur Stadtratswahl angetreten, der Urnengang in einem Wahlkreis muss daher wiederholt werden. Zwar hatte Kurth daraufhin sein Parteibuch abgegeben. Doch in der neuesten „Deutschen Stimme“ wird er eindeutig als Mitstreiter aufgeführt.
Böhm – vormals als Hooligan bekannt – wird im neuen Stadtrat sitzen und führt seit kurzem den Leipziger NPD-Kreisverband an. Seine immer selbstbewusstere Inszenierung kann er sich allerdings leisten: Augenscheinlich steht der 31-Jährige bereits seit Wochen unter Polizeischutz. Die uniformlose Rundum-Bewachung ist womöglich Folge einer von der NPD so bezeichneten „Anschlagsserie“, die „Linksextremisten“ zugeschrieben wird. Landeschef Holger Szymanski hat gar behauptet, ihm liege ein entsprechendes „Bekennerschreiben“ vor.
Folgen sind noch offen
Zwar kursiert im Internet tatsächlich ein flugblattartiges Schreiben, das Angriffe auf NPD-Kader dokumentieren soll. Allerdings besteht der Text überwiegend aus einer Pressemitteilung der Partei. Auch hatten die anonymen Autoren offenbar einen Grund, sogar weithin bekannte Namen von NPD-Aktivisten abzukürzen.
Der staatliche Begleitservice könnte noch Folgen haben, die nach hinten losgehen: Fotos zeigen Böhm beim Entfernen von Plakaten („NP… nee“) des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Hierzu wird ermittelt. Bald könnte auch Strafvereitelung im Amt im Raume stehen.
Filmreif
Die Geschichte der NPD macht sich gut für einen Film. Das Drehbuch dazu könnte Christian Worch schreiben. Bei dem Endergebnis hätten die Zuschauer_innen garantiert viel zu lachen. Immerhin wurde dafür viel Steuergeld durch die Gesellschaft erwirtschaftet und durch den Staat bezahlt.
Odermann
Sollte das Passieren, haben wir es geschafft, was wir Jahrelang in Lipzig gefodert haben
"Weg mit den Nazizentrum"