100 Jahre erster Weltkrieg: Deutsch-französische Heuchelei

Gemeinsame Ziele: Der deutsch-französische Krieg gegeneinander als Erweckungserlebnis des neuen deutsch-französischen Kriegs miteinander

"Vor genau 100 Jahren erklärte Deutschland Frankreich den Krieg. Dessen gedachten die Präsidenten Gauck und Hollande gemeinsam. Sie umarmten einander innig und lobten die Aussöhnung beider Länder als Vorbild für aktuelle Konflikte." (1) Dieser Tage wird das große Gemetzel vor 100 Jahren gerne als Schule der Nation insziniert. Nach einem kleinen Rückfall 1933 bis 1945 sei die Lektion entgültig gelernt:


"Deutschland und Frankreich hätten nach zwei Weltkriegen den Mut aufgebracht, sich zu versöhnen, sagte Hollande vor den Gästen, unter ihnen Soldaten der deutsch-französischen Brigade, Kriegsveteranen, Regionalpolitiker aus beiden Ländern sowie hundert junge Deutschen und Franzosen. Europa habe den Krieg besiegt, dies sei eine "außergewöhnliche Leistung"." (1)

Das der "gemeinsame Wille einstige "Erbfeinde" zueinander bringen könne" (1) hat die Europäische Union tatsächlich gezeigt, auch wenn gerne Verschwiegen wird, worin dieser besteht: In der jeweiligen gegenseitigen Benutzung der anderen Staaten für das eigene imperialistische Interesse. Da mussten Frankreich wie Deutschland nach 1945 feststellen, dass das eigene Menschenmaterial, Rohstoffe und Produktion schwer gelitten hatte unter dem Versuch, sich militärisch die größten europäischen Nachbarn unterzuordnen.

Der Krieg wurde also nicht "besiegt", sondern für die durchsetzung der eigenen nationalen Interessen in Europa für Untauglich erklärt. Die Staaten unterließen nicht ihre imperialistischen Bestrebungen, sondern entdeckten in der Kooperation ein besseres Mittel für den alten Zweck. Als 1999 unter deutscher Beteiligung die europäische Union militärisch nach Osten erweitert wurde, änderte sich also nicht der ganze Charakter der deutschen Außenpolitik. Die nach wie vor gültigen Kriterien des nationalen Nutzens und der Friedenspolitik kamen einzig wieder einmal auf das Ergebnis, dass ein Krieg für Deutschland hier mehr tauge als Benutzung.

Deshalb ist die öffentliche Heuchelei auch perfekt wenn herbeifantasiert wird, dass "das aktuelle Gedenken eine Botschaft sein [könnte] für all jene, die die Hoffnung auf einen Friedensprozess im Nahen Osten aufgegeben hätten, sagte Hollande. "Mehr denn je" müssten "alle unsere Anstrengungen auf einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen zielen, um das Leid der Zivilbevölkerung zu beenden". (1)

Heuchelei deshalb, weil Israel gar kein Interesse daran haben kann, den Gazastreifen bzw. die palästinensischen Gebiete für sich und seine Interessen derart zu benutzen, wie Deutschland Frankreich nutzt und Frankreich Deutschland. Die Anerkennung der palästinensischen Gebiete, gar das Zulassen eines eigenen Staates der Palästinenser wäre die Vorraussetzung für eine solche Benutzung, die nicht im Interesse Israels liegen kann.

Heuchelei deshalb, weil Israel die gleichen Berechnungen gegenüber seinen Nachbar anstellt wie Deutschland - allerdings aufgrund seiner anderen Lage eben keine Kooperation mit den Palästinensern betreibt, sondern diese Klein hält - mit allen Mitteln die ein moderner, hochgerüsteter demokratischer Staat so hat.

So wird aufgrund 100 Jahre weltweiter Schlächterei und imperialistischer Konflikte herbeigeredet, dass Frankreich und Deutschland bewiesen hätten, "dass Aussöhnung möglich sei" - ganz, als ob sie sich aus menschenfreundlichkeit für den Erbfeind und gegen die nationalen Interessen entschieden hätten. Dabei weiß Deutschland durchaus, dass ohne Krieg kein modernern Weltmarktführer zu machen ist: "eine gewachsene deutsche Verantwortung" (2) kennt Gauck durchaus - was nichts anderes heißt als imperialistische Außenpolitik global.

Das Schlachten geht also weiter. Aber weil der einstige Erbfeind als Kampfgenosse besser taugt denn als Gegner, gönnt man sich nach 100 Jahren die öffentliche Heuchelei der Diplomaten, man habe "den Krieg besiegt." (1) Besiegt ist dabei einzig die Vorstellung, Deutschland könne allein die Welt untertan machen. Der moderne Imperialist weiß, dass man dafür Europa braucht.

"Europa ist die Zukunft". Das ist eine Kampfansage.

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(1) http://www.spiegel.de/politik/ ausland/ erster-weltkrieg-gauck-und-holl ande-loben-aussoehnung-auf-gedenkfeier-a-984259.html
(2) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-06/auslandseinsaetze-gauck-debatte
(3) http://www.junge-union-ostalb.de/lokal_1_1_152_Europa-ist-die-Zukunft-fuer-die-junge-Generation.html

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Irgendwie wird mensch hier den Eindruck nicht los, daß ohne wirklich stichhaltige Analyse versucht wird, das Schreckgespenst eines deutschen Imperialismus am Leben zu halten. Klarer Beweis sei der Exportweltmeister-Titel (und unter den Autos und Maschinen sind natürlich auch Rüstungsgüter), dazu werde "Krieg geführt" (weniger als 5.000 in einigen Auslandseinsätzen, davon welche mit UN-Mandat), und der alte Erzfeind halte heutzutage als nützlicher Verbündeter her.

Ok, es gibt zudem noch die Globalisierung, die BRIC-Staaten, eine EU, in der das Stimmgewicht der BRD mit jeder Aufnahme kleiner wird, und vieles mehr, aber so komplizierte Zusammenhänge würden das Schreckgespenst nur verdecken...