Gestern haben wir ein Banner in Neukölln aufgehängt, auf dem „Kriminelle Queers unterstützen die Rebellen der Ohlauer“ geschrieben steht. Wir reden nicht anstelle der Leute, die die Schule in der Ohlauerstraße besetzt halten und wollen auch nicht über ihre Stimmen hinweg sprechen. Die Aktionen dieser Rebell_inn_en sind laut und kraftvoll von Berlin nach Istanbul, Athen und noch darüber hinaus hörbar geworden. Damit zu drohen, ein Gebäude niederzubrennen und sich vom Dach zu stürzen klingt für uns wie: „Revolte oder Tod“.
Die Drohungen der Besetzer_innen gegenüber der Stadt und den Bullen drücken sowohl eine klare Ablehnung der passiven Unterordnung unter das Schicksal aus, welches ihnen vorbereitet wird, als auch die Wahl, ihre Körper zu nutzen, um für ihr Überleben zu kämpfen. Für nun eine Woche halten die Besetzer_innen auf dem Dach andauernder Belästigungen der Polizei stand, während sie die täuschenden und unzureichenden leeren „Angebote“ der Stadt ablehnten. Für diese Aktionen haben wir nur Respekt und Bewunderung übrig.
Gleichzeitig haben wir einen gewissen Zwiespalt bemerkt, zwischen dem Inhalt dieser Aktionen und der genutzten Sprache, um diese zu umschreiben. Ein Diskurs der „Gewaltlosigkeit“ und der „Menschenrechte“ taucht immer wieder auf, bis zu einem Punkt, an dem sich von „Kriminellen“ distanziert wurde. Wir finden die rebellischen Aktionen der Geflüchteten inspirierend, doch wir werden uns nicht gegen Jene positionieren, welche strukturell kriminalisiert werden. Wir zählen uns selbst zu denjenigen, für die die Knäste von morgen gebaut werden und wollen uns nicht als unschuldig und ohne Sünde darstellen... ganz im Gegenteil. Wir bemühen uns nicht, uns innerhalb des Existierenden zu legitimieren oder repräsentieren. Wir sehen darin ein bereits verlorenen Kampf, welcher letztendlich nur dazu dient, einzugrenzen, wer getötet oder vergewaltigt werden darf, während der Staat als Verbündeter positioniert wird. Hinzu kommt, dass dies einen unangemessenen Schwerpunkt auf die Akzeptanz der herrschenden Elite legt, welcher uns in die Falle des guten Bullen (Grüne) und des bösen Bullen (CDU) bringt. Doch wir wissen, dass letztendlich alle Politiker_innen keine andere Agenda als die der Räumung und der Abschiebung haben.
Die Selbsterkenntnis (??? self-assertion) der Kriminalisierten kann nicht verhindern, dass damit eine Dimension des sozialen Bruches einhergeht, ein unkenntliches und undeutliches Element, nicht tolerierbar gegenüber der aktuellen Ordnung. Geprägt von der simplen Unsichtbarkeit, kann die Unkenntlichkeit in diesem Falle eine Stärke sein, wenn mensch bedenkt, dass die Integration in die Zivilgesellschaft eine Sackgasse für zahlreiche Menschen ist.
Wie die Refugee Strike-Bewegung konsequent betont hat, bedeutet der Bruch mit der Isolation mehr als nur die Revolte gegen die simple physische Trennung der Körper: er impliziert eine Ablehnung des gesamten Systems der Verfolgung, Beherrschung, Kontrolle und geringfügigen Zugeständnisse, welches eingerichtet wird, um die „humanitären“ Subjekte, welches es regiert, zu brechen. Ein gesamtes System der sanften Tyrannei, um das Leben im Asyl unlebbar zu machen.
Gleichermaßen geht es für uns bei Queerness um die Meuterei, nicht um Akzeptanz oder Integration: Wenn wir uns weigern, irgendeine positive Identität unserer Sexualität hinzuzufügen, dann weil wir kein Interesse daran haben, uns einen Platz mit marginaler Anerkennung für eine „legitime“ queere Subjektivität in dieser nekrophilen Zivilisation zu schaffen. Wie einige Freund_innen an anderer Stelle schrieben, „werden wir vom Staat gefangen genommen, jedes Mal, wenn wir uns verständlich machen. Ob es nun eine Forderung ist, ein politisches Thema, oder eine formelle Organisation, jede verständliche Form kann rückgängig gemacht, repräsentiert oder vernichtet werden […] Wir haben nichts davon, wenn wir die Sprache der existierenden Machtstrukturen sprechen oder Forderungen an sie stellen.“
Wir können die unmittelbaren Forderungen der Geflüchteten nach einem dringenden Bedürfniss nach Legalisierung und Papieren vollkommen nachvollziehen. Was die drei langfristigen Forderungen der Bewegung anbetrifft (die Schließung aller Lager, das Ende alle Deportationen, die Abschaffung des Systems der Residenzpflicht), liegt deren Stärke in der offensichtlichen Unverträglichkeit mit der existierenden Ordnung: Sie dienen weniger als Begriffe für einen friedlichen Kompromiss oder die Vision auf einen zukünftigen Tag, der das Ende aller Feindseligkeit mit sich bringt, denn als Ausdrucksmittel um den Antagonismus aufzuzeigen, den das Alltagsleben illegalisierter Personen in Deutschland mit sich bringt. Mit Nachdruck etwas einzufordern, was vom System nicht geboten werden kann, kann einen Horizont eröffnen, der die Sicht freigibt auf jenes, was noch nicht möglich ist... es zeigt nicht, dass „nichts möglich ist“, sondern eher, dass „nichts des momentan Vorstellbaren ausreichend ist“.
Wir sind Queers, welche die symbolische Integration unserer Körper in den zugestandenen Märkten der Identitäten ablehnen und Menschen, für welche die anonyme und informelle Kriminalität ein Teil unseres Lebens bleiben wird, so lange, wie das Überleben an das kapitalistische System der Produktion gebunden sein wird. Deswegen denken wir ist es wichtig, diese konfliktreichen Aspekte unserer Existenz zu bejahen, auszuweiten und zirkulieren zu lassen, anstatt sie herunterzuspielen, zu rechtfertigen, sich für sie zu entschuldigen oder sie für Staat und Kapital schlüssig zu machen. Wir sollten eher neue Räume der sozialen Brüche und Unlesbarkeiten aufreißen, als uns von Jenen zu distanzieren, für welche Legalität und Rechtfertigung niemals eine Option sein wird.
Während sich unsere täglichen Realitäten in vielerlei Hinsicht von denen der Geflüchteten, welche sich auf dem Dach der Schule verbarrikadiert haben, unterscheiden und diese Unterschiede auch nicht einfach ausgeblendet werden können und sollten, sehen wir uns einem gemeinsamen Feind gegenüberstehend: eine verstaatliche Zivilgesellschaft die jeden Teil unseres Lebens polizeilich überwachen will, uns kategorisieren und einsperren möchte, sowie ein kapitalistischer Markt, welcher Alles und Jede_n wegwirft, die nicht sofort fähig sind, für diesen Wert zu schaffen. Aus diesem Grund stellen wir uns bewusst mit voller Unterstützung hinter die Besetzer_innen, nicht als Verbündete („allies“) sondern als Kompliz_inn_en.
Gegen Abschiebungen, gegen alle Grenzen, gegen die falschen Versprechungen der Legitimität, Legalität und Unschuld.
Solidarität und Stärke den rebellischen Geflüchteten!
- einige kriminelle Queers und ihre Kompliz_inn_en
kriminell sind nicht wir, sondern das system!
In letzter Zeit ist verstärkt zu beobachten, dass sich immer Zusammenhänge selbst als "kriminell" titulieren. Das halte ich für einen taktischen fehler. Wieso sollten wir uns mit etwas titulieren, was wir erstens nicht sind und zweitens eine bewertende Aussage, gegenüber Handelnen ist, was von Herschenden kommt, einer Ordnung.
Auch Propagandistisch ist dies eine schwere Kisten, wie willst du etwas bei Leuten gewinnen, die "kriminell" komplett anders bereits bewertet haben, nun kommen wir als "kriminelle" und wollen dass Mensch uns zuhört. Das ist großer Unsinn.
bla, bla, bla
Hoch die antinationale Kriminalität!
Für eine radikale Stellung gegen alles was hier besteht! Für eine positive Auffassung von Zerstörung!
Jo
Man kann schlecht schreiben "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" und dann sich selbst als "Criminals" bezeichnen. Die Message geht ja nach außen und zwar an alle, ungezielt. Die haben aber legal, illegal und die passenden Worte und Phrasen dazu im Kop. Wer sich also selbst als "criminals" definiert, macht dass für sich und seine Peergroup, nicht um darüber hinaus mit Anderen zu kommunizieren. Als besser Finger weg von solchen Selbstdefinitionen.