Seit März 2014 existiert eine Facebook-Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, als "Bürgerwehr" in der Stadt anerkannt zu werden, um selbst gegen ihrer Meinung nach Kriminelle vorzugehen. Wer jedoch kriminell ist, zeigt sich in zahlreichen Kommentaren und Posts auf der Seite und offenbart die rassistische Motivation hinter der Initiative. Kaum verwunderlich dass auch zahlreiche Neonazis die Initiative unterstützen.
Unterstützt die Stadt bald gewaltbereite Rassist*innen?
Laut "Zeit.de" verhandeln die Initiatoren der Seite, der mittlweile 475 Mitglieder angehören, bereits mit der Bürgermeisterin und der Polizei darüber, ob 50 Ausgewählte durch die Straßen im Rahmen einer sogenannten "Sicherheitspatenschaft" patroullieren dürfen. Offiziell versuchen sich die Admin's derweil von "menschenfeindlichen Äußerungen" zu distanzieren, dabei geht es jedoch weniger um eine wirkliche Distanzierung von etwa rassistischen Äußerungen und damit verbundenen Gewaltfanatsien. Aus zahlreichen akzeptierten Kommentaren und Posts geht eindeutig hervor, wer laut den Mitgliedern zu den potenziellen Verdächtigen gehört. Dies sind wahlweise "Ausländer", "Asylanten", "Drogenabhängige, "Alkoholiker", "Zigeuner" oder "Rumänen". Auch die von Mitgliedern vorgeschlagenen Methoden scheinen alles andere als menschenfreundlich. So zieht der Nutzer und Mitinitiator "Don Szett" den Gebrauch von Schusswaffen in Erwägung. Die Nutzerin "Jessica Held" hat Angst vor "Ghettos in Form von Zigeunercamps". Der stadtbekannte Neonazi Oliver Stöhsel wünscht sich indirekt eine nächtliche Ausgangssperre für Bewohner*innen der ZAST. Desweiteren legitimiert er rassistische Äußerungen im Zusammenhang mit der Kriminalitätslage und sagt es sei "ganz normal, dass Fremdenhass entsteht..."
Der ganz normale Wahnsinn: Neonazis in der Mitte der Gesellschaft
Neben Oliver Stöhsel, der zum Umfeld der aufgelösten "Autonomen Nationalisten – Oder Spree" gehörte, findet die Gruppe konsequenterweise auch bei weiteren Neonazis hohen Anklang. Darunter zum Beispiel Michael Meißner – ehemalige Fürhungsfigur der "AN-OS", sowie Martin Schlechte, ebenfalls ehemaliger "AN-OS'ler" und NPD-Unterstützer. Jüngst bei einer Kundgebung am 1.Mai in direkter Nähe zur ZAST verteilte er NPD-Material an Anwohner*Innen. Weitere in der Gruppe aktive Neonazis sind unter anderem Henry Benske und Christian Schönfeld. Einer der Mitinitiatoren, der Nutzer "Don Szett", posiert auf seinem Facebook-Profil mit einem "final solution" (engl.: Endlösung) Tatoo auf seinem Rücken. Auch Sympathisant*Innen der neurechten Bewegung "die Identitären" befinden sich in der Gruppe. Desweiteren wird die Gruppe von Anwohner*Innen unterstützt, die in der Nähe der zentralen Erstaufnahmestelle wohnen und keinen Hehl aus ihrer Sympathie für die NPD machen.
Seit 2013 mobilisieren Neonazis Hand in Hand mit rassistischen Anwohner*innen bundesweit gegen Geflüchtete. Ausgang dafür waren oft als "Bürger*inneninitiativen" getarnte Facebook-Gruppen, die von organisierten Neonazis - meistens der NPD, losgetreten wurden. Doch anders als in den meisten Fällen stehen hinter der virtuellen "Bürgerwehr Eisenhüttenstadt" keine organsierten Neonazis bzw. NPD-Kader*innen. Trotzdem scheint die NPD-Oderland Interesse an der rassistischen Mobilmachung gefunden zu haben, nicht zuletzt die beiden NPD-Kundgebungsversuche vor der ZAST im August vergangenen Jahres und am 1.Mai diesen Jahres beweisen dies.
Lokalpolitiker geben "Bürgerwehr" Rückenwind
Unter den Mitgliedern der "Bürgerwehr" befinden sich auch Lokalpolitiker. So der in Neißemünde wohnhafte CDU'ler Michael Werner Nickel. In zahlreichen Kommentaren spricht er den Mitgliedern der Bürgerwehr seine Anerkennung aus. Er selbst ist Fan von zahlreichen Burschenschaften, Thilo Sarrazin, sowie einer "nationalen Taskforce gegen Homosexualität in Uganda". Überraschenderweise gehört auch der Brieskow-Finkenheerder SPD-Lokalpolitiker Lars Wendland zu den Unterstützern der Facebook Gruppe.
Ob und wie Mitglieder der Gruppe ihre Vorhaben bereits in die Tat umgesetzt haben ist derzeit noch unklar. Laut den Admin's ist in naher Zukunft eine Informationsveranstaltung in der Stadt geplant. Wohin solche Formen von Seblstjustiz hinführen, zeigt beispielhaft ein Vorfall in Kremmen im Mai 2013. Dort verdächtigten Anwohner*innen polnische Erntehelfer*innen des Diebstahls, entführten und fesselten diese für einige Stunden in einer Scheune. Es bleibt zumindestens zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen von Stadt und Polizei in Eisenhüttenstadt nicht auf eine Zusammenarbeit mit einer selbsternannten "Bürgerwehr" einlassen.
Erst denken, dann handeln
Wie verdummt und verblendet muss man sein, sich solchen " Bürgerwehren " anzuschließen?