[B]: Autonome Politik – Gibt es das überhaupt noch?

80er

Dieser Text ist eine Entgegnung auf den Text „Stärken und Schwächen autonomer Politik in Berlin“. Er stellt die Frage, ob es überhaupt noch klassische autonome Politik gibt und stellt die These auf, dass sich linksradikale Politik weiterentwickelt hat und klassische autonome Konzepte teilweise nicht mehr befolgt werden. Er reflektiert verschiedene Punkte linken Selbstverständnisses und betrachtet den derzeitigen Stand der linksradikalen Szene.

 

Ich bin voll autonom!

Das Selbstverständnis von Autonomen und autonomer Praxis sind nicht festgefügt, sondern haben sich im Laufe der Jahrzehnte immer verändert. In Berlin waren über lange Jahre autonome Politikmodelle dominant, in den letzten Jahren werden Gruppen und Bewegungen immer stärker, welche offensiv oder indirekt mit einem klassischen autonomen Selbstverständnis brechen und anderen politischen Theorien folgen. Die klassische autonome Identität der Szene bröckelt immer mehr, ein Prozess der auch zu Verunsicherung führt.

Autonome Politik gründete sich auch in Abgrenzung zu den orthodox kommunistischen K-Gruppen, übernommen wurden aber von diesen bestimmte Konzepte, wie der altbekannte „Revolution/Reform“-Widerspruch. Zwar wurde mit der TripleOppression-Theorie schon früh das Hauptwiderspruchsdenken aufgebrochen, aber trotzdem taucht der Hauptwiderspruch in klassischem autonomen Denken immer wieder auf („Den Kapitalismus überwinden und dann wird alles gut!“).

Ebenfalls beinflusst wurde das autonome Selbstverständnis von anarchistischen Ideen („herrschaftsfrei!“), der Militanz der Post68er-Bewegungen und der kritischen Theorie. Die kritische Theorie wurde häufig als eine klare Absage an eine politische Praxis gelesen, die in den derzeitigen Verhältnissen ansetzt. Autonome schwankten immer zwischen einer grundsätzlichen Negation gegenüber dem Bestehenden und dem Versuch eine alternative Selbstorganisierung zu entwickeln.

Die Autonomen haben teilweise das Avantgarde-Denken der orthodoxen Marxist*innen übernommen, nur dass sie nicht sonderlich erpicht darauf waren, dass ihnen die Massen folgen werden. Avantgarde bezieht sich dann auf eine Art Geheimclub, zu dem nur „wirkliche Revolutionäre“ Zutritt haben, schwarz angezogen und ganz klandestin.

Kennzeichen der autonomen Bewegung war im Gegensatz zu orthodoxen Marxist*innen, aber auch immer eine relativ große Offenheit gegenüber Kritik und neuen Kampffeldern. Die Autonomen haben den Kampf um Freiräume, gegen Nazis und gegen Atomkraft ganz erheblich mitgeprägt und sind für alle bestehenden linksradikalen Gruppen eine wichtige theoretische und praktische Inspirationsquelle. Die Autonomen gibt es und gab es nie. Wenn hier also von klassischen Autonomen geredet wird, ist es eine Fokussierung auf eine bestimmte Form autonomen Selbstverständnisses, welches schon immer auch von Autonomen selbst kritisiert wurde.

 

Keine Fotos, keine Namen, keine Presse!

Zwar gibt es keine gemeinsame theoretische Grundlage autonomen Selbstverständnisses, aber historisch gewisse Prinzipien, die in der autonomen Szene hochgehalten wurden und werden. Diese sind teilweise stark im Wandel.

„Kamermann-Arschloch“ wird gern und viel auf Demonstrationen gerufen. Gleichzeitig sind Fotos von dem Krawall oder der Demonstration immer ein wichtiges Vermittlungsinstrument gewesen. Noch immer gilt, dass Fotojournalist*innen von der Szene angehalten werden, Gesichter unkenntlich zu machen. Dies macht aufgrund staatlicher Repression auch durchaus Sinn. Trotzdem wird dieses Prinzip zunehmend durchlöchert. Für Mobilisierungen werden Fotos mit erkennbaren Gesichtern benutzt und auf manchen Aktionen wird ganz ungezwungen fotografiert. In anderen Ländern gilt dieses Prinzip ohnehin nicht. Die Bedeutung von Fotos kann an den aufständischen Bewegungen in aller Welt beobachtet werden, durch das Internet hat sich ihre Bedeutung nochmals gesteigert.

Trotz der bekannten Überwachungsschwierigkeiten wird auch das Mittel „Facebook“ immer offensiver von Szenegruppen zur Mobilisierung eingesetzt, auch hier tauchen vielfältig Fotos auf. Auch wenn das autonome Selbstverständnis das offene Bekanntnis im Internet mit Klarnamen zu Politgruppen rundheraus ablehnen würde, ist dies ein weiter zunehmendes Phänomen.

Früher wurde von autonomen Gruppen auch viel stärker propagiert, dass kein Kontakt zur bürgerlichen Presse gepflegt werden sollte. Mittlerweile ist Pressearbeit sowohl für Organisationen wie die Interventionistische Linke als auch für die diversen Kämpfe (Stadt, Antira, Antifa) eine wichtige Praxis. Abstand zur bürgerlichen Presse hält dort niemand.

Schwarze Jacken sind zwar immer noch ein wichtiges Identifikationsmerkmal der „Szene“, aber trotzdem nimmt ihre identifikatorische Bedeutung ab. Eine Nachtwache beim Hungerstreik am Oranienplatz kann auch mit einer blauen Jacke abgehalten werden und es lassen sich viele Plenas besuchen, wo Menschen ohne Szenedresscode keine Blicke auf sich ziehen.

Teil eines autonomen Selbstverständnisses ist auch die Militanz, welche leider viel zu oft als simple Gewalt verstanden wird. Wer unter Anarchie einen Bürgerkrieg versteht, ist ein militaristisches Arschloch. Militanz ist kein Selbstzweck und sicherlich kein Ziel. Wenn auf einer Demo „nichts geht“, ist das kein Ansatzpunkt für Kritik. Denn schlussendlich geht es um die politische Wirkung einer Aktion und nicht darum, ob diese besonders radikal in ihrem Ausdruck ist. Der Rückgang von Straßenmilitanz ist auch dadurch zu erklären, dass die Bedeutung dieser Politikform für viele Menschen immer mehr abnimmt. Wer glaubt, dass die radikalste Praxis die radikalste Militanz wäre, sitzt einem Gewaltdiskurs auf. Radikale Praxis bedeutet Gesellschaftsveränderung und Abbau von Herrschaft, egal ob militant oder „friedlich“. Militanz darf deswegen immer nur ein Mittel sein, wie Pressearbeit, Latschdemo oder breite Bündnisse auch Mittel sein können.

An diesen kleineren Beispielen lässt sich erkennen, dass die Bindungskraft autonomen Selbstverständnisses abnimmt und andere Politikansätze verstärkt in der Szene wirksam werden. Dies kann zum einen an den derzeit agierenden Politgruppen, als auch an der Form der geführten Kämpfe abgelesen werden.

 

Da ging ja gar nichts!

Die dominanten Kämpfe in der linksradikale Szene bewegen sich auf den Feldern Antirassismus, Antifa, Stadt und Krise.

Krisenproteste sind in den letzten Jahren besonders über das Blockupy-Bündnis vernehmbar, ein Bündnis zwischen IL, UG und diversen, wie es so schön klassisch heißt „reformistischen“ Kräften (Linkspartei, Attac). Antirassistische Proteste werden stark von Geflüchteten selbst organisiert und diese haben nicht unbedingt ein klassisches autonomes Selbstverständnis, gehen offen mit ihren Namen um und laufen auf ihren Demos auch nicht unbedingt in geschlossenen Ketten mit dem obligatorischen Halstuch vor dem Gesicht. Antifaschistische Kämpfe haben sich ebenfalls durch Blockade von breiten Bündnissen und antifaschistischen Institutionen der Zivilgesellschaft und des Staates stark verändert. Der Standard bei Naziaufmärschen ist nun die Sitzblockade, auch mal gern mit der Grünen Jugend und nicht die brennende Mülltonne.

Auch bei Kämpfen in der Stadt stehen nicht mehr die autonomen Freiräume im Mittelpunkt, sondern die Betroffenen von Zwangsräumungen oder Menschen, die unter steigenden Mieten leiden.

Klassische autonome Kampagnen funktionieren zurzeit vorrangig in der Nacht und dort, durchaus erfolgreich. Sie haben dann den größten Widerhall, wenn sie an bestehende Kämpfe anknüpfen. Dies ist ein ebenfalls eigentlich klassisch autonomes Konzept, was noch immer und immer wieder funktioniert. Dagegen sind andere Eigenschaften linken Selbst- bzw. Fremdverständnisses weiter im Umbruch. Der erste Mai wird in der allgemeinen Öffentlichkeit noch immer als Tag des linken Krawalls verstanden. Ein Krawall wie dieser war aber auch, als er noch stattgefunden hat, nicht sonderlich gesellschaftsverändernd, sondern ein medial aufgeblähtes aber diskursiv kontrolliertes Einzelereignis. Und dieses Ereignis hat sich transformiert, von betrunken Steine werfen zu einer großen, linken Latschdemo. Das mögen nun einige beweinen, aber es beweist, dass wer nicht auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert am Ende bei folkloristischen Ritualen steckenbleibt. Wer die ARAB-Latschdemo nicht will, müsste einen anderen Ansatz entwickeln, wie es zum Beispiel die unangemeldete 17Uhr-Demo versucht. Steinewerfen am Kotti und dann in U-Haft landen ist sicherlich kein erfolgsversprechender Ansatz.

 

Reformisten und andere Verräter

Im Text „Stärken und Schwächen autonomer Politik“ wird eine bekannte Kritik an der IL geübt. Diese seien Bewegungsmanager*innen. Und natürlich irgendwie „reformistisch“.

„Reformistisch“ ist eine klassische identitäre Konstruktion. Man selbst ist wirklich „revolutionär“ in Theorie und Ausdruck und der Rest ist ein Haufen von Reformist*innen. Besonders gefährlich sind dabei die Menschen, welche sich zwischen Szene und bürgerlicher Gesellschaft bewegen, diese stehen immer im Verdacht „Verräter“ der Sache zu sein.

Es ist natürlich richtig, dass Bewegungen immer wieder gespalten werden und die „bürgerlicheren“ Teile erneut in die Gesellschaft zurückintegriert werden. Deswegen sollte man versuchen solchen Spaltungen zu begegnen, ein untaugliches Mittel ist dagegen diese Spaltungen möglichst früh schon selbst zu versuchen und alle „Nicht-Revolutionäre“ auszusortieren und dazu aufzurufen nichts mit diesen Leuten zu machen.

Es ist legitim an unterschiedlichen Politikansätzen Kritik zu üben, nichts anderes macht dieser Text. Aber es ist falsch davon auszugehen, dass man selbst die „wahre“ Politik machen würde und alle anderen Ansätze auf jeden Fall ins Verderben führen. Das ist dann sowas wie die orthodoxen K-Gruppen betrieben haben. Dagegen können aus dem autonomen Selbstverständnis auch ganz andere Schlussfolgerungen gezogen werden.

 

Homo autonomous

Eine linke Szeneidentität muss immer gebrochen, widersprüchlich, labil und somit kontingent sein. Sie muss immer wissen, dass sie selbst nur eine Behelfskonstruktion ist. Sie muss offen nach außen sein und keine Begrenzung.Wir sind keine Helden der Revolution, sondern Menschen, welche Herrschaft internalisiert haben und reproduzieren, wir versagen immer wieder dabei Gesellschaft zu verändern. Wenn wir versuchen in diesen rassistischen, sexistischen und kapitalistischen Zuständen zu überleben und diese gleichzeitig zu verändern, dann machen wir immer wieder Kompromisse und Fehler. Wir sind keine Lichtgestalten, welche mit strafendem Schwert die Feinde der Anarchie niedermetzeln können, sondern ziemlich banale Leute, die versuchen, dass die Verhältnisse zumindest etwas besser werden oder zumindest nicht schlechter. Dabei sollte unsere Perspektive nicht zu kurz sein. Schon vor Jahrhunderten haben Menschen gegen Sklaverei oder die Monarchie gekämpft, wir stehen in einer langen Tradition von emanzipatorischen Bewegungen und Kämpfen. Das klingt jetzt etwas pathetisch, aber es soll darauf hinaus, dass sowohl gesellschaftliche Veränderung möglich ist, als auch leider etwas langwierig. Es wäre zwar sehr praktisch, aber die befreite Gesellschaft lässt sich nicht mit ganz vielen Steinen herbeiwerfen.

Dabei zeigt die etwas unbestimmte Theorie- und Praxissuche der autonomen Bewegung, dass es kein festes Fundament gibt, auf dem sich Gesellschaftstheorie aufbauen ließe. Gesellschaftstheorie und damit Veränderung muss und sollte sich nicht auf Wahrheiten bauen, sondern auf der Dekonstruktion der Wahrheiten auf denen die bestehende Gesellschaft gebaut ist. Wir sollten auf der gemeinsamen Suche sein nach Bruchstellen, nach Rissen in der bestehenden Gesellschaft und diese weiten und nutzen. Wir sollten Herrschaft hinterfragen, theoretisch und ganz praktisch. Und dabei, wenn es zu diesen kurzen und vergänglichen Momenten kommt, wo sich Gesellschaft verändert, wo sich etwas öffnet, auch selbst offen sein und neugierig auf das, was sich entwickelt. Wir haben kein Parteiprogramm, was sich nach der Übernahme des Rathauses und der Radiostation einfach umsetzen ließe, sondern nur die Bereitschaft uns nicht dem bestehenden Herrschaftssystem auszuliefern und alles runterzuschlucken.

Von welcher gesellschaftlichen Position aus greifen wir denn die bestehende Gesellschaft an? Nun ja, es klingt trivial, aber nochmals, von innen. Wir sind Teil der Gesellschaft und ihrer Widersprüche. Auch wenn es sicherlich sehr schön wäre, aber auch unsere eigene Identität ist nicht herrschaftsfrei konstruiert, auch wir selbst sind in den diversen Machttechniken verknüpft. Der „schlaue“ Text ist ganz furchtbar akademisch und schließt Menschen aus, die die vielen Fremdwörter nicht verstehen. Die kraftvolle Demo ist irgendwie so männlich geprägt, die soziale Bewegung vor der Tür theoretisch etwas verkürzt. Diese Widersprüche werden nicht verschwinden.

Die autonome Bewegung "wie früher" ist tot, die Szene hat sich verändert und hat manche Prinzipien über den Haufen geworfen. Die Szene ist eine andere geworden und das wurde in seiner Konsequenz irgendwie noch nicht ganz nachvollzogen. Das Bild des/der "klassischen Autonomen" arbeitet noch immer in unseren Köpfen vor sich hin.

Die Kämpfe und Bewegungen in letzter Zeit setzen an wichtigen gesellschaftlichen Stellen an, diese müssen wir weiterverfolgen. Und wir sollten die Erkenntnisse der autonomen Bewegung reflektieren und weiterentwickeln und dabei nicht auf Identitäten und Prinzipien beharren. Wir müssen ein neues, linkes Selbstverständnis entwickeln, welches im Fluss ist, welches offen ist und nicht eine abgeschlossene Identität konstruiert.

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Großartige Antwort, schonungslos und doch differenziert! 

BOMBENTEXT!

Wirklich perfekt schön , klar, differenziert, logisch usw... LOB LOB LOB LOB!

Bla bla bla laber laber laber bla bla bla ein neues, linkes Selbstverständnis entwickeln, welches im Fluss ist, laber laber laber nicht eine abgeschlossene Identität konstruiert bla bla bla unsere eigene Identität ist nicht herrschaftsfrei konstruiert (ach wirklich?!) laber laber laber Herrschaft internalisiert haben und reproduzieren bla bla bla kein festes Fundament gibt, auf dem sich Gesellschaftstheorie aufbauen ließe (jeder Gesellschaftstheorie liegt ein festes Fundament zugrunde, auch deiner! Das Schwadronieren von "alles im Fluss", Kontingenz und Machttechniken illustriert ja nur zu deutlich, dass du eben auch ein ganz bestimmtes Fundament hast, auf dem du hockst. Nämlich dein reformistisch-liberales Foucaultisches-Uni-Wissen, von dem du meinst, "wir" müssten ein dementsprechendes neues, linkes Selbstverständnis entwickeln. Da kann ich nur sagen: Dein Wir ist nicht mein Wir. Danke Nein!)

ach, da ist sie wieder die total undogmatische autonome linke. Mal echt, wie willst du mit sowenig Toleranz jemals mehr als subjektive avantgarde werden?

Wenn sie sich inhaltlich irgendwo zwischen Interventionistischer Linke und Linkspartei wiederfindet? Mich interessiert eine linke Avantgarde nicht, die keinen anderen Zweck erfüllt, als W3 Besoldungen, Projektfinanzierungen für Anti-irgendwas-Initiativen und Mitarbeiterstellen für dösbaddelige Genderprofessorinnen zu generieren.

Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht tolerant bin. Allergisch reagiere ich nur, wenn entweder die erwähnten Zwecke durch Verbalradikalismus verschleiert werden oder die radikale Linke durch einen Pluralis Majestatis ("Wir müssen ein neues, linkes Selbstverständnis entwickeln" entsprechend meiner Vorstellungen) für diese Zwecke instrumentalisiert werden soll.

"Dein Wir ist nicht mein Wir". Das ist die Essenz des Krieges und Resultat von mehreren Generationen Gehirnwäsche. Das wahrhaft friedliche "Wir" umfasst alle Menschen - inklusive die durch kranke Ideen und Propaganda fehlgeleiteten! - oder es ist NUR ein"Wir" des Krieges , ein "Wir" gegen "Die da", gegen die Feinde, Spalter, Konterrevolutionäre etc. Ein solches Kampf-Wir ist voll kompatibel mit der herrschenden imperialistisch-kapitalistischen Ideologie. Es lässt sich beliebig im Sinne der Herrschaftssicherung instrumentalisieren. Anonyme Eliten mit Medienpower teilen in "links" und "rechts", "revolutionär" und "reformistisch", "progressiv" und "konservativ" und hetzen die Leute aufeinander. Hass und Ausbeutung gehören untrennbar zusammen.

 

Die linksautonome Bewegung wurzelt in der Solidarität mit den Verfolgten und Benachteiligten und dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Wunderbar! Leider unterlag sie seit Jahrzehnten einer massiven ideologischen Beeinflussung und wurde militarisiert. "Bombentext" meint einen guten Text, "schonungslos" gilt als Qualitätsmerkmal (siehe Vorkommentare). 

 

Die Zeit ist reif. Die Ideologien und ihre Institutionen und Kulte sind verbraucht und sterben langsam ab. Nur die ideologieferne Besinnung auf elementare Menschlichkeit ist radikal und attraktiv genug, um positiven Wandel herbeizuführen!

Es gibt noch "autonome" "Politik"?
Ich dachte die ganzen Kleinbürger haben momentan mehr Bock auf anti-alles-random-hipstertum?

autonome politiK? autonome? inzwischen besteht ein großteil der radikalen linken aus weißen klein/groß-bürgerlichen kids, deren eltern immobilien besitzen und über sonstiges kapital verfügen. das einzige was diese dürrren schneiderInnen können, ist verbalradikalismus an den tag legen (im soziologiekurs mal aufgepasst) und wenn sie nazis sehen, erstmal die beine in die hand nehmen. da diese selbsternannten autonomen weder in ihrer existenz oder von rassismus bedroht sind, darf mensch sich nicht wundern dass autonome politik längst nicht mehr existiert. sobald ihr nämlich mit dem studium fertig seid, freut ihr euch über euren gut bezahlten job, den ihr um nichts in der welt aufgebt und schon gar kein risiko mehr eingeht, welches euren sozialen status gefährdet.

diese tollen radikalen bildungsbürgerlichen linken verstehen es nicht (und wollen es auch nicht- stichwort "klassismus") sich mit tatsächlich betroffenen der kapitalistischen mördermaschine zu solidarisieren bzw. zusammenarbeiten. die lebensrealitäten sind so grund verschieden, da bestehen einfach keine gemeinsamkeiten. und euer beschissenes mitleid könnt ihr behalten!

poor and proud!

Du bist wohl so ein "klassischer Autonome*r" und beweinst die guten alten Tage, wo die Autonomen sich noch richtig mit Nazis geschlagen haben und mutig gegen den Kapitalismus gekämpft haben.

Und schaut euch jetzt die Jugend an! Was aus denen geworden ist! Angsthasen! Langweiler! Und außerdem sind die gar nicht links, sondern haben studiert!

Deine Analyse scheint mir etwas verkürzt (auch so ein schlimmes akademisches Wort).

Erstens besteht die radikale Linke nicht nur aus bildungsbürgerlichen Linken, schau dir mal die neoorthodoxen Anarcho-Kommunisten ala ARAB, ZK, Sol oder auch teilweise SDAJ, RIO, usw an. Das sind auch radikale Linke und ein paar sicherlich auch bildungsbürgerlich, aber im Ausdruck und in der soziologischen Zusammensetzung doch irgendwie auch proletarisch.

Aber die Postautonomen! Ja sicherlich ist der Anteil von bildungsbürgerlichen Linken in diesem Szenesegment ziemlich hoch. Aber war das zu anderen Zeiten wirklich so anders. Die Studentenbewegung in den 68er war meiner Kenntnis nach relativ stark von sogenannten Studenten geprägt. Die waren schon damals ganz fies an der Uni und haben auch so Bücher gelesen wie Marx oder Marcuse. Und saßen auch in so schlimmen Uniseminaren.

Dann die K-Gruppen, welche in die Betriebe gegangen sind. Die wollten die Massen erreichen! Da haben sich die Studenten die Haare abgeschnitten und waren ganz proletarisch. Juchhu! Richtig geklappt, hat dies aber nicht mit der Betriebsarbeit. Das kann man gerne analysieren und ist auch spannend, aber es standen damals nicht die arbeitenden Massen hinter den in die Fabriken entsandten Studis.

Und dann die Autonomen, die Hausbesetzer, die Flughafenverhinderer und Atomkraftblockierer. Ja zu Hochzeiten der Stadtteilarbeit gab es gute Kontakte in die Nachbarschaft. Aber ansonsten auch nicht die krasseste Distanz zum Bildungsbürgertum. Themen: Flughafenausbau (klingt irgendwie erstmal eher wie nen Grünenthema und nicht der Aufstand der Arbeiter), AKW-Widerstand (ich habe sogar gehört, dass es viele Überschneidungen zwischen alternativen Listen und Autonomen gab, Klassenverrat!).

Die Linke früher war also nicht weiß und ganz proletarisch. Aha. Ist erstmal einfach ne steile These.

Zweiter Teil deines "Früher war alles besser"-Vortrags ist, dass heute alles scheiße ist.

Kein Kontakt zu Betroffenen!

Nein, das ist einfach falsch. Die Geflüchteten protestieren selber, das ist ein ganz massiver Protest und hier besteht vielfältiger Kontakt. Wusste ich nicht, dass in den 80ern die Geflüchteten auch so stark in die Szene eingebunden waren, aber vielleicht verfügst du ja über Geheimwissen. Früher war halt Subkultur wichtiger, die Szene war viel jugendlicher und da auch irgendwie durchmischter. Heute geht Politisierung über Musik und sowas deutlich schwieriger, das liegt sicherlich nicht an den bildungsbürgerlichen Linken, sondern auch an sowas wie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Betroffenen von Zwangsräumungen und steigenden Mieten werden ebenfalls vielfältig unterstützt, auch weiter außerhalb klassischer Szene. Da geht es nicht um Mitleid, sondern um konkrete Solidarität. Das ist neu und knüpft an sowas wie Betriebsinterventionen und Stadtteilarbeit an.

Die linke Geschichte zeigt, dass die linke Szene in der BRD immer eher aus Privilegierten bestand. Das ist ein Problem. Das muss auch irgendwie versucht werden zu überwinden. Dieser Versuch ist aber nicht so trivial, wie du das hier darstellst und deine mythische Überhöhung deiner politischen Vergangenheit für derzeitige Praxis nicht hilfreich. Worum geht es dir? Um politische Veränderung oder darum, dass du gemütlich auf dem Sofa über die derzeitigen Praxisversuche schimpfen kannst?

"Erstens besteht die radikale Linke nicht nur aus bildungsbürgerlichen Linken, schau dir mal die neoorthodoxen Anarcho-Kommunisten ala ARAB, ZK, Sol oder auch teilweise SDAJ, RIO, usw an."

 

was ist an den von dir erwähnten Gruppen anarchistisch? nüscht! bevor du anderen eine "verkürzte Analyse" vorwirfst, schau erst einmal, inwieweit du selbst fähig bist zu analysieren.

Dieses "Arbeiterklasse und stolz drauf" hat schon in den bürgerlichen Revolutionen dazugeführt, dass zwar der Feudalismus abgeschafft wurde, dafür aber so ein beschissenes arbeits-religiöses System (Kapitalismus) entstand. Genau dieses "poor and proud" ist deswegen nicht das voll subversive, sondern gehört quasi mit dazu zur Ideologie des Kapitalismus - und zwar VON ANFANG AN. Kannste Dir also klemmen. Oder aber beim DGB mitmachen.

 

Der Vorwurf an die "Autonomen" sie wären zu bildungsbürgerlich, weiß, mittelschichtig, usw. - mag zwar berechtigt sein, da hier dadurch auch Barrieren für Leute entstehen, die mit uns kämpfen wollen, allerdings stimme ich dem monokausalen Argument nicht zu, dass es der Oberschicht blendend geht und der arme Rest dahinsiecht. ManagerInnen, Kulturschaffende, usw. sind von den Auswirkungen des Kapitalismus genauso betroffen, haben ähnlich viel Stress, etc. - auch wenn sie das oftmals besser ausgleichen können.

Was ist das den für ein Geschichtsverständnis, der Kapitalismus war erst einmal ein Fortschritt. Vorher durftest du dein Leben in Leibeigenschaft knechten. Und eine Arbeiterklasse die Mehrwert produziert, gab es im Feudalismus auch noch nicht. sondern Die Arbeiterklasse ist erst im Kapitalismus entstanden und hat nichts mit der bürgerlichen Revolution zu tun. 

 

Und ja, natürlich gehört die Arbeiterklasse zum Kapitalismus, befindet sich aber im Interressenswiederspruch mit der herschenden Klasse. Du willst erzählen das Klassenbewusstsein scheiße ist?

 

Und wer redet bitte von einer Oberschicht, es geht um Kapitalisten. Also um Menschen denen die Produktionsmittel gehören und durch den Mehrwert die Arbeiter ausbeuten. Solange ein Manager/in keine Anteile an einer Firma hat ist er/sie definitiv kein Kapitalist.

Oh und die arme Oberschicht hat Stress, wie bedauerlich. Leute leben in unserer Gesllschaft vonHartz 4 aber wir sollen uns lieber mit den gestressten Managerinnen solidarisieren?

 

 

..mag gut sein (abgesehen davon dass sich heute die meisten Menschen eher über Milieus in der Gesellschaft einordnen, aber gut), ist aber etwas völlig anderes als Stolzsein auf seine LohnarbeiterInnenexistenz.

 

Ich meinte die positive Bezugnahme auf Arbeit und das Abwerten von allen Formen der "Nicht-Arbeit" wurde so erst mit den bürgerlichen Revolutionen komplett durchgesetzt und zwar nicht gegen, sondern nur mit Hilfe der ArbeiterInnen dieser Zeit. Das Verständnis von Müßiggang war in der Zeit vor dem bürgerlichen Kapitalismus deutlich positiver. Das vieles andere da scheiße war, steht doch außer Frage.

 

Es geht doch nicht darum sich bedingslos mit "der Oberschicht" zu solidarisieren, sondern auch anzuerkennen, dass es mitunter eine Interessengleichheit mit Teilen der progessiveren Oberschicht/oberen Mittelschicht gibt. Und zu erkennen, dass der Kapitalismus mehr oder weniger umfassend auf so gut wie alle Menschen in unserer Gesellschaft destruktiv wirkt..

Klasse Text. Schön zu wissen,  dass es noch Leute gibt, die fragend vorangehen. Mehr zum Thema Identitätspolitik und nur zu empfehlen:

Alex Trocchi - Damit der Aufstand erfolgreich sein kann, müssen wir uns erst selbst zerstören

eine Übersetzung aus dem Englischen:

link: http://translationcollective.files.wordpress.com/2012/06/selbst-zerstc3b...

wir nicht alle ein riesen haufen verkackter spalter wären

 

eine kritische auseinandersetzung mit sich selbst ist wichtig und richtig aber was mensch hier teilweise lesen muss ist sowas von unreflektiert

ginge ich von dem text aus bestehen die autonomen momentan aus einem haufen studikiddies mit reichen eltern und n paar arbeitern die keine kohle haben

was isn das auch für ein beschissenes selbstverständnis

kein wunder das wir nicht aus der politischen bedeutungslosigkeit herauskommen

wir sind mehr damit beschäftigt uns von anderen teilen der bewegung abzugrenzen, sehr häufig werden menschen aufgrund iwelcher eigenschaften die oft nicht mal zu treffen wie bildungsbürgerliche herkunft grundsätzlich ausgeschlossen

naja in diesem sinne

alles was uns fehlt ist die solidarität

Ausschluss wg. bildungsbürgerlicher Herkunft "sehr häufig" und "grundsätzlich"? Also dann wundere ich mich, weshalb die Szene in großen Teilen nur noch aus (z.T. gealterten) Akademikerkids besteht. Da kommt es mir eher so vor, als wenn Menschen, denen die bildungsbürgerliche Etkiette nicht in die Wiege gelegt wurde, "sehr häufig", zumal auch ziemlich "grundsätzlich", ausgegrenzt werden, obwohl die zugeschriebenen charakterlichen Unzulänglichkeiten oftmals nicht zutreffen, wenn man den Blick nicht zu sehr auf Oberflächlichkeiten richtet.

hi freundInnen und genossInnen,

das revolutionärste ist ganz einfach:

ein gesundes gerechtigkeitsempfinden!

und dann dementsprechend danach handeln!

solidarische grüsse

autonomynous