[B] Panzer bleibt! - Aktion gegen geschichtsrevisionistische Petition von BILD und B.Z.

Panzer bleibt!

Letzte Woche haben die Boulevardzeitungen BILD und B.Z. eine Petition "Weg mit den russischen Panzern in Berlin" gestart. Die Petition steht online - derzeit prüft der Bundestag, ob die Petition zur Zeichnung zugelassen wird. Am gestrigen Freitag trafen sich einige Antifaschist_innen am Sowjetischen Ehrenmal am Tiergarten in Berlin, um ein Zeichen gegen diese geschichtsrevisionistische Petition zu setzen. Dazu wurde ein Transparent "Panzer bleibt! Nie wieder Nazideutschland" entrollt und Flugblätter verteilt.

 

Anbei der Text des verteilten Flugblatts und einige Fotos:

 

Panzer bleibt! Nie wieder Nazideutschland!

 

Танки остаются! Нацистская Германия - Никогда Снова!

 

Deutschland ist das Land, das es nicht mehr geben dürfte. Nach dem Anzetteln zweier Weltkriege und der nahezu vollständigen Vernichtung der europäischen Jüd_innen wäre es das Mindeste gewesen, dieses Land aufzulösen und sein Vermögen den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer zu überantworten. Stattdessen konnte Deutschland wie Phönix aus der Asche auferstehen. Die gebräuchliche Rede vom Wirtschaftswunder verschleiert, dass Grundlage des Wiederaufbaus und damit der heutigen ökonomischen Spitzenrolle Deutschlands die Profite aus Zwangsarbeit und Vernichtung waren. Hartnäckig verweigert sich die deutsche Politik diesem Zusammenhang und versucht bis heute systematisch, Zahlungen an die NS-Opfer so weit als möglich zu verhindern. Erst im Sommer 2013 hat die damalige Bundesregierung den Antrag der Oppositionsparteien auf Anerkennung der sowjetischen Kriegsgefangenen als offizielle Opfer des NS und des daran gebundenen „Anerkennungssbetrags“ abgelehnt. Immer noch werden von der Bundesregierung die finanziellen Forderungen der Überlebenden von SS-Massakern in Griechenland, Italien und Polen, von »Euthanasie«-Geschädigten oder Okkupationsopfern aus Slowenien zurückgewiesen. Auch der aktuelle Fall um die Gewährung von Ghetto-Renten zeigt die Verschleppungstaktik, wenn es darum geht, für Konsequenzen der NS-Politik materiell aufzukommen.

Zugleich inszeniert sich Deutschland als Aufarbeitungsweltmeister. Dieses moralische Kapital wird in die Waagschale geworfen, um nationale Interessen durchzusetzen:

Deutschland als Friedens- und Führungsmacht Europas. Die geläuterte Nation setzt ihre Expertise in der Vergangenheitsbewältigung ein, um eigene Kriege zu rechtfertigen – oder unerwünschte Kriege anderer Länder zu dämonisieren. So bombardierten Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping 1999 Serbien, um ein „neues Auschwitz“ zu verhindern. 2002 verglich Bildungsministerin Däubler-Gmelin anlässlich des Irak-Krieges George W. Bush mit Hitler. Und Anfang April 2014 zog Finanzminister Schäuble eine Parallele zwischen Hitler und Putin. Flankiert wurde er dabei von der Springer-Zeitung „Die Welt“, nach der sich die „russischen Drohgebärden an der Grenze zur Ostukraine [...] nicht wesentlich vom Verhalten der Wehrmacht im besetzten Sudetenland“ unterscheiden. Wer solche Vergleiche zieht, hat von der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik scheinbar nichts verstanden. Das „Gebot der Singularität des Holocausts“ bezeich-net selbige Zeitung als „intellektuell [...] äußerst bescheiden“ – Auschwitz-relativierung für den gehobenen Mittelstand und Geschichts-revisionismus at its best.

 

Einen Schritt weiter gehen nun die Fußtruppen des Springer-Verlags mit einem Frontalangriff auf jedes nicht deutsch definierte Gedenken an den Nationalsozialismus: dicke Lettern auf den Titelseiten von „Bild“ und „B.Z.“ brüllen „Weg mit den Russen-Panzern in Berlin“. Eine Rhetorik, die aus der NS-Propaganda und den Mythen des Vertriebenen-Diskurses um „den Russen“ noch allzu bekannt ist. Mittels einer Petition an den Bundestag soll dieses „Symbol kalter Machtpolitik“ entfernt werden. Wen wundert es, dass ausgerechnet die bekannte Geschichtsrevisionistin Erika Steinbach dies unterstützt und fordert, die Panzer als „Zeichen eines grausamen Krieges zu beseitigen“ - als ob die Sowjetunion nicht Opfer des Krieges, sondern der eigentliche Aggressor gewesen sei. Darin zeigt sich deutlich die gegenwärtige deutsche Geschichtspolitik - in der Rede von Krieg und Gewalt werden Fragen nach Verantwortung für den und Schuld am Nationalsozialismus abgewehrt.

 

Ebenfalls in der „Bild“-Zeitung postuliert der thüringische CDU-Fraktionschef: „Das Brandenburger Tor in unmittelbarer Nähe erinnert an die deutsche Teilung und Wieder-vereinigung Europas in Frieden zugleich. Panzer haben da nichts mehr zu suchen.“ Dass das Ehrenmal nicht an die deutsche Teilung mahnt, sondern an die sowjetischen Opfer deutscher Aggression, blendet er gezielt aus – stehen seiner Partei seit jeher doch die angeblichen deutschen Opfer am Nächsten. Eine konsequente Umdeutung des Ehrenmals zum „Friedensdenkmal“ verdeutlicht diese bewusste Missinterpretation.

 

Dass im Zweiten Weltkrieg etwa 27 Millionen Sowjetbürger_innen ums Leben kamen, dass alleine in den Kämpfen um Berlin 80.000 Rotarmist_innen starben, dass die kriegs- und vernichtungswütigen Deutschen nicht mit Verhandlungen oder Yogiflieger_innen niederzuringen waren, sondern nur mit massivem Einsatz militärischer Gewalt – all dies will die Petition zum Vergessen bringen. Stattdessen wird das einseitige und altbekannte antirussische Ressentiment einer bedrohlichen und angsteinflößenden Macht aus dem Osten gezeichnet, gegen welche die ukrainische – oder deutsche? – Souveränität zu verteidigen wäre.

 

In dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland stellen wir uns weder auf die Seite einer „Demokratie“-Bewegung, die mit Faschist_innen gemeinsame Sache macht, noch auf die Seite eines autoritären Regimes. Entschieden wenden wir uns jedoch gegen eine deutsche Politik, die sich in ein moralisch einwandfreies Gewand kleidet, deren Spektrum tatsächlich aber von offenem Geschichts-revisionismus bis hin zur Instrumentalisierung der nationalen Läuterung für Großmachtambitionen reicht.

 

Anstelle eines Rückbaus alliierter Ehrenmale fordern wir daher:

  • weg mit der Petition von „Bild“ und „B.Z.“

  • die Verschrottung aller deutscher Panzer

  • die vollständige Auszahlung des deutschen Vermögens an die Überlebenden des Nationalsozialismus und ihre Angehörigen

  • Reeducation für die deutsche Bevölkerung und

  • die endgültige Auflösung Deutschlands


Mediengruppe Telekommunismus

im Juni 2014

 

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Weitere Informationen und Artikel zur Petition:

Jüdische Allgemeine - Russen-Panzer müssen bleiben: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18957

Neues Deutschland - Senat ist unseins in "T 34"-Frage: http://www.neues-deutschland.de/artikel/930705.senat-ist-uneins-in-t-34-...

Tagesspiegel - Verträge muss man halten: http://www.tagesspiegel.de/meinung/petition-gegen-sowjet-panzer-am-brand...

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Auch den Sowjetpanzern verdanken wir, das wir in eine Deutschland ohne Hakenkreuz und KZs leben. Übrigends, die Steine des Denkmals waren ursprünglich von den Nazis für einen Protzbau vorgesehen, die Russen haben sie einer besseren Bestimmung zugeführt.

PS: Es gibt doch eine Bestimmung im Einigungsvertrag, wonach Sowjetdenkmäler nicht entfernt werden dürfen. Mein ich doch. Ok, möglicherweise gilt die nicht für Westberlin?