Hickhack um Protestaktion: Femen und der Weltkriegsbomber

Die umstrittene Foto-Aktion am vergangenen Donnerstag in Dresden: Links die Femen-Aktivistin Debbie, rechts mit der höchstumstrittenen Bepinselung - ja wer eigentlich?
Erstveröffentlicht: 
19.02.2014

Eine Femen-Aktion feierte einen Weltkriegsgeneral, der deutsche Städte bombardieren ließ. Es folgten mehrere Wellen der Empörung - auch weil offenbar eine Berliner Politikerin beteiligt war. Eine kleine Geschichte über Disziplin beim Busenprotest, Kriegsgedenken und Antideutsche.

 

Hamburg - Es ist nicht so, dass die Protestlerinnen von Femen vor kontroversen Aktionen zurückschrecken. So verzierten sie einst im Kampf gegen Zwangsprostitution die Herbertstraße auf St. Pauli mit dem Spruch "Arbeit macht frei". Und in der Weihnachtszeit begab es sich, dass eine Aktivistin bei der Festmesse oben ohne auf den Altar des Kölner Doms hüpfte (wir berichteten).

 

Nun jedoch zogen die Oben-ohne-Kämpferinnen offenbar eine Aktion ab, die selbst für Femen-Standards kontrovers war. Zwei Barbusige posierten vergangenen Donnerstag in Dresden anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Eine Frau trug auf ihrem Oberkörper neben dem Femen-Logo die Botschaft "Thanks Bomber Harris" - ein Dank an den General der Britischen Luftwaffe, der das Flächenbombardement auf Dresden im Februar 1945 befehligte, bei dem mehr als 20.000 Menschen starben.

 

In Dresden wird zwar seit langem um die Gedenkkultur gerungen, und der Dank an Harris ist ein gängiges Motiv in Teilen der antifaschistischen Szene, vor allem unter den sogenannten "Antideutschen". Hier sieht man das Bombardement eher als Schritt zur Befreiung von der Nazi-Herrschaft, und manche finden Deutschland, vereinfacht gesagt, eh doof. Dass ausgerechnet Femen nun auf antideutsch macht, wäre allerdings eine Überraschung - ihnen werden aus der linken Ecke eher Rechtslastigkeit, Islamfeindlichkeit und Rassismus vorgeworfen.

 

"Femen ist nicht antideutsch"

 

Und in der Tat stimmte etwas nicht. Beide Frauen verhüllten ihre Gesichter mit Schal und Mütze - das ist bei Femen eigentlich verboten. Nun distanzierten sich die "Sextremistinnen" auch offiziell von der Aktion. Irina Khanova, eine der Gründerinnen von Femen Deutschland, sagt: "Femen ist nicht antideutsch."

 

Khanova ärgert sich spürbar über die Aktion. Als die ersten Bilder rumgingen, musste sie erst mal nachschauen, wer "Bomber Harris" war. Jetzt sagt sie: Keine Femen-Frau könne "hinter diesem Spruch stehen", schließlich sei man gegen Krieg und gegen Gewalt und danke "keinen Kriegsverbrechern". "Wir vermummen uns auch nicht, sondern tragen Verantwortung und erklären unsere Slogans."

 

Khanova steht für Disziplin und klare Ansagen. Femen-Aktionen müssen abgesprochen sein, mit dem Deutschland-Zweig und den Chefinnen aus der Ukraine. Khanovas Fazit: "Das war unverantwortlich von unserer Aktivistin und der anderen Frau."

 

Der Satz leitet dann zur zweiten Welle des Ärgers über. Eine Beteiligte war eine Berliner Femen-Aktivistin, die unter dem Pseudonym Debbie Anderson auftritt. Aber wer war da "die andere Frau", die den Bomber-Harris-Spruch aufgepinselt hatte? Khanova sagt: "Wir kennen sie nicht."

 

Dankte eine Piratenpolitikerin Bomber Harris?

 

Hier kommt der "Berliner Kurier" ins Spiel, der am Montag zur umstrittenen Aktion fragte: "War eine Neuköllner Politikerin beteiligt?" Das Boulevard-Blatt will enthüllt haben, dass es sich um die Piratin Anne Helm handelt.

 

Die 27-Jährige sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln, kandidiert für das Europaparlament und war mal die Synchronstimme von "Schweinchen Babe". Helm ist seit Jahren in der Flüchtlings- und Antirassismus-Szene unterwegs, schrieb kürzlich einen Blogpost, in dem sie erklärte, warum sie "ohne Antifa-Strukturen keine Politik" machen könne. Am vergangenen Donnerstag hatte sie auf Twitter das Foto der Aktion geteilt.

 

Spätestens seit der "Kurier"-Geschichte tobt dann auch in der Piratenpartei ein heftiger Streit über die Aktion. Linke Freibeuter zoffen sich seit Tagen mit liberalen Parteifreunden über das "#Bombergate".

 

Für viele Piraten scheint klar, dass es wirklich Helm war, die auf Femen-Art dem Weltkriegsbomber dankte. Eifrige Parteifreunde verglichen andere Fotos mit der Dresden-Aktion, auch der "Kurier" betont, er verfüge "über stichhaltige Indizien".

 

Helm selbst schwieg, bis zum Mittwochmittag. Dann veröffentlichte ihre Partei eine Stellungnahme, um den "politischen Kontext ins richtige Licht zu rücken". "Den alliierten Streitkräften zu danken, die das Nazi-Regime besiegten, sehe ich nicht als falsch an. Kriegsopfer dürfen jedoch keinesfalls verhöhnt werden", schreibt Helm darin. Ob sie es war, die oben ohne dem Bomber dankte, sagt sie nicht.

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Nazivergleiche à la "Arbeit macht frei" sind also für FEMEN okay, aber ein Dank an die Befreier darf nicht sein? Verrückt.

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"Dass ausgerechnet Femen nun auf antideutsch macht, wäre allerdings eine Überraschung - ihnen werden aus der linken Ecke eher Rechtslastigkeit, Islamfeindlichkeit und Rassismus vorgeworfen."

 

Wo ist da jetzt die Überraschung?