Interview: Refugee Schul- und Unistreik in Berlin

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Nach dem Hamburger Schulstreik für Geflüchtete: Letzte Woche streikten auch 2.500 Lernende in Berlin. Bald bundesweite Aktionen? Ein Gespräch mit Annabel, Schülerin der 12. Klasse an der Albert-Einstein-Oberschule in Berlin-Neukölln und Aktivistin der dortigen SchülerInnenvertretung.

 

Am vergangenen Donnerstag bist du nicht zur Schule gegangen. Was hast du statt dessen getan?

 

Ich war im Streik. Um 10 Uhr versammelten sich rund 2500 SchülerInnen und Studierende vor dem Roten Rathaus und demonstrierten bis zum Protestcamp der Geflüchteten am Oranienplatz, um ein Bleiberecht für alle zu fordern. Die Stimmung war gut; an der Spitze der Demonstration riefen wir, dass Geflüchtete hier willkommen sind. Ganz vorn dabei war die Ernst-Reuter-Schule. Dort haben viele SchülerInnen einen Migrationshintergrund. Es gab dort ja Fälle von Abschiebung. Sie waren super motiviert. Aber auch an den Unis gab es Streikkomitees.

 

Wie lief der Streik an deiner Schule ab?

 

Am Morgen gab es ZubringerInnendemos aus verschiedenen Stadtteilen, doch von uns sind die meisten direkt zur Demonstrationen gefahren. Ich schätze, es waren fast 100 TeilnehmerInnen aus unserer Schule.

 

Wir hatten ein Streikkomitee, das auch im stadtweiten Bündnis aktiv war. In den Tagen vor dem Streik haben alle Jahrgänge an Vollversammlungen teilgenommen. Dort wurde über die Situation von Geflüchteten in Deutschland diskutiert. Nach einem Vortrag der SchülerInnenvertretung kam ein Refugee aus dem Iran dazu, der über die rassistische Asylpolitik erzählt hat. An vielen Schulen gab solche Vollversammlungen. Wo das nicht erlaubt wurde, gab es Infoveranstaltungen am Nachmittag – oder AktivistInnen sind direkt durch die Klassen gelaufen. In unserem Foyer hing ein großes Transparent mit der Losung „Bleiberecht für alle“ und überall klebten viele Aufkleber. Wir haben nicht nur an der Nachbarschule, sondern auch an einem Gymnasium in Wilmersdorf Flyer verteilt.

 

Wie haben die LehrerInnen reagiert?

 

Manche LehrerInnen haben gefragt, warum wir während der Schulzeit protestieren. Aber ArbeiterInnen streiken ja auch während ihrer Arbeitszeit – in den letzten Monaten gab es Streiks der angestellten LehrerInnen in Berlin, die wir als SchülerInnen unterstützt haben, und ihre Proteste fanden auch in der Schulzeit statt. Außerhalb der Schulzeit wäre es nur eine Demonstration mit weniger Konsequenzen. Wir müssen etwas machen, was uns selbst schaden könnte, um die Rechte von anderen zu verteidigen.

 

Wie ging die Polizei mit der Demonstration um?

 

Die Polizei lief vornweg und nebenher. Für eine SchülerInnendemo waren es schon etwas viele BeamtInnen. Es gab sieben Festnahmen, angeblich ging es zum Teil um Vermummung, aber ich habe keine Vermummten gesehen. Die Polizei dagegen war verpanzert und trug keine Namensschilder, so dass man sie nicht identifizieren könnte. Schüler wurden wegen "passiver Bewaffnung" in der Form von Stahlkappenschuhen nicht zur Demonstration gelassen. Doch die Polizei hatte Schlagstöcke dabei, sogar das "Anti-Konflikt-Team" war mit Schusswaffen unterwegs. Jemand erzählte auch, dass hinter dem Roten Rathaus Wasserwerfer bereitstanden.

 

Ein Flüchtling vorne rief "Was wollen wir?" Und alle antworteten: "Freiheit!" Nach den Festnahmen protestierten 40 Menschen vor der Gefangenensammelstelle, bis alle freigelassen wurden. Ich musste auf die Berlinale, aber dort habe ich auch eine kleine Kundgebung am Potsdamer Platz für die Rechte der Geflüchteten gesehen.

 

Warum ist das Thema für dich wichtig?

 

Wir haben eine sogenannte "Willkommensklasse" mit Jugendlichen, die aus anderen Ländern kommen, um erst mal Deutsch zu lernen und später Abitur zu machen. Diese SchülerInnen erzählen uns, wie es in ihren Ländern zugeht, und wie sie von der rassistischen Einwanderungspolitik betroffen sind. Wenn hier ein Notstand wäre, würden wir alle irgendwo anders eine Unterkunft, Essen, Klamotten, Hygiene haben wollen – doch das können wir nicht erwarten, wenn wir es Geflüchteten hier verweigern.

 

Niemand flieht freiwillig aus seiner Heimat. Aber hier gibt es nur Schikane: Als AsylbewerberIn darf man nicht arbeiten, damit hat man kein Geld und keine Möglichkeit, die Sprache zu lernen. Außerdem fehlt es hier an Möglichkeiten, um in der eigenen Sprache unterrichtet zu werden.

 

Und wie geht es weiter?

 

In unserer Schule sammeln wir Spenden für Kleidung und Schreibsachen für das neue Flüchtlingsheim in Britz.

 

Am Dienstag um 18 Uhr trifft sich das Streikbündnis wieder. Da werden wir alles noch mal auswerten. Es war wirklich schön, dass so viele SchülerInnen da waren mit viel Resonanz in der Presse. Über den Hetzartikel der Bild mit der Überschrift zudem "Lehrer-Gewerkschaft findet Schule-Schwänzen gut" musste ich lachen.

 

Ich denke, dass ein bundesweiter Streik als nächster Schritt super wäre. Die gleiche Aktion in verschiedenen Städten wurde noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Denn die Situation der Geflüchteten ist katastrophal. Am Oranienplatz gibt es weiterhin noch die Gefahr einer Räumung. Und manche Geflüchtete wurden in Wohnhäusern untergebracht, aber nur für den Winter. Wir müssen weitermachen.

 

Interview: Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) 

 

Eine kürzere Version des Interviews erschien in der jungen Welt vom 17. Februar

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Finde den Ansatz wirklich gut.

Ist nur die Frage, ob es Schulstrafen für die Abwesenheit vom Unterricht gab.

 

Die Idee könnte wirklich gut in andere Regionen "exportiert" werden.