Von der Schanze in die Innenstadt – ein anderer Blick auf den 21.12.

Wir sind eine Gruppe von Menschen, die bereits in der Vorbereitung zu Hamburg entschieden hatten nicht an direkten Aktionen teilzunehmen. Die Gründe hierfür sind teils sehr persönlich und sollen auch nicht Teil dieses Diskussionsbeitrags werden. Also nahmen wir uns vor, dass uns unser Weg in die Innenstadt führen wird. Noch mehr angespornt durch die Ausrufung der „Gefahrenzone“ überlegten wir uns schon im Voraus, was denn alles so machbar ist und steckten uns Materialien und Tarnklamotten ein.

 

Am Tag selbst waren wir beeindruckt von der breiten Masse an Demonstrant_innen, die sich vor der Roten Flora eingefunden hatte, um gemeinsam dem Aufruf der Hamburger_innen zu folgen. Es war ein überwältigendes Gefühl der Vorfreunde auf diese Demo. Wir suchten uns also einen geeigneten Platz in der Demo und liefen 5 Schritte bis die Bullen ihren Angriff starteten. Geschockt sahen wir wie Menschen verprügelt und der Wasserwerfer eingesetzt wurde und schnell wurde uns klar, dass wir die hier benötigte Gegenwehr nicht leisten können. Für uns war absehbar, dass sich das Schulterblatt innerhalb kürzester Zeit in einen Kessel verwandeln würde und suchten schnell den Weg raus. Es war entsetzlich, als wir sehen mussten wie von Außen immer mehr Bullen und Wasserwerfer in die Straße geschickt wurden. Aber wir hatten uns vorgenommen: Wir werden uns nicht unsere Handlungsräume durch Bullengewalt nehmen lassen!

Also auf in die Innenstadt. Noch in Gedanken bei all jenen Menschen, die sich mit aller Kraft gegen den Angriff auf unsere Demo wehrten, bewegten wir uns teils zu Fuß, teils mit öffentlichen Verkehrmittel im Tarnmodus vorbei an Bullensperren und Kontrollpunkten in die Innenstadt. Schon hier war klar: Die können die Innenstadt gar nicht schützen! Zu viele Bullen waren durch andere Demonstrant_innen in der Schanze und auf St. Pauli gebunden.

Angekommen in der Innenstadt orientierten wir uns kurz und suchten dann im Bewusstsein, dass wir wohl eine der ersten Gruppen an dieser Stelle sind, die für uns interessanten Stellen und Gebäude auf und hinterließen dort unsere Botschaften. Sicher eher in kleiner Form mit Kreide, Wachsstiften und Schminkstiften, aber trotzdem genau dort, wo die widerlichen Verantwortlichen sitzen. Und das ging bestens, geschützt durch die vielen Touris und Weihnachtswütigen verschwanden wir immer wieder in der Masse, zumal uns bewusst war, dass hier kaum Bullengewalt drohen würde.

Und so schafften es immer mehr kleine Gruppen in die Innenstadt, die wir zum Teil direkt ansprachen und uns verabredeten oder zusammen los zogen bis es sich lohnte gemeinsam die Öffentlichkeit zu suchen und unsere Inhalte auf die Straße zu tragen. Es gab mehrere Spontis. Mal mit 8 Menschen, mal mit bis zu 70 Menschen, über Stunden. An dieser Stelle auch einen großen Dank an die Sambagruppen, die es immer wieder schafften viele Menschen zusammen zu bringen! Die Bullen hingegen mussten sich auf das Absperren von Straßen beschränken, wenn sie das überhaupt schafften und ihr Verhalten des Öfteren auch Passant_innen gegenüber rechtfertigen. Es war ihnen anzusehen, dass diese Aktionen und der gegebene Zwang, nicht wie in üblicher Manier einfach drauf zu schlagen, für viele extrem frustrierend war und uns oft ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Und genau hier liegt der Punkt. Wir möchten an dieser Stelle alle Menschen auffordern, die sich nicht an direkten Aktionen beteiligen können oder wollen, lasst uns solidarisch sein! Andere erkämpfen unter Einsatz ihrer Gesundheit Freiräume, die wir nutzen können. Wir gehören alle zusammen und niemand darf sich seine oder ihre Handlungsspielräume nehmen lassen! Bereitet euch vor, nehmt Material (bspw. Kreide, Pfeifen, Absperrband, Transpis uvm.) und Tarnklamotten mit und nutzt die Chancen, die sich uns bieten, denn es gibt mehr als den Konsum von Demos. Seid kreativ, sprecht andere Gruppen an und findet euren eigenen Weg. Die Spaltung in gute und böse Aktivist_innen kommt von Außen, durch Bullengewalt und Medien, aber wir wissen, wir gehören alle zusammen, auch mit unseren unterschiedlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Probiert es aus, die nächste große Möglichkeit kommt schon im Januar, wenn in Magdeburg wieder ein Nazisaufmarsch mit Bullengewalt durchgesetzt wird und es kein Rankommen mehr geben sollte, dann werden wir uns „die Meile der Demokratie“ nehmen.

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Super, aber den letzten Satz finde ich etwas verstörend. Einen Naziaufmarsch verhindert man leider nur mint direkten Aktionen (Blockaden, Bullen Ablenken).

"dann werden wir uns „die Meile der Demokratie“ nehmen." deutet ja schon darauf an, dass ihr das nicht sinnvoll findet. Wie wollt ihr es besser Machen? Die Nazis werden trotzdem laufen.

Wird erst mal angefangen darüber Nachzudenken was möglich ist anstatt "nur" Demo zu konsumieren geht einiges in vielen Richtungen. Und wenn sich 5000 Menschen gedanken Machen, auch mal gewohnte Wege verlassen, kommt eine Unglaublich Power zum Vorschein. Barrikaden eröffnen Möglichkeiten - genauso wie Lippenstiffe. Weshalb nicht mit ein paar Freund_innen zusammensitzen und überlegen was noch für verschiedene Situationen Möglich wäre eine Handlungsoption darstellt.

 

Danke an all die Menschen die die Demo auf ihre Art und Weise geschützt und für viele die Räume geöffnet haben!!!

find es super, dass ihr euch vorbereitet und euer ding durchgezogen habt! ich finde auch die entscheidung, sich nicht der direkten konfrontation mit den bullen auszusetzen ist voll zu respektieren, und dass ihr dann nicht einfach nach hause gegangen seid ist super. es ist auch gut zu hören, dass schon zu der uhrzeit in der innenstadt was ging. ich finde auch auf geschäften und büros botschaften zu hinterlassen und spontane mobs zu bilden die beispielsweise parolen rufen ist in einer "gefahrenzone" in der jede versammlung verboten wurde schon auch direkte aktion. eine große stärke von dem was in hamburg passiert ist, war, dass sehr viele verschiedene menschen mit verschiedenen ansätzen auf verschiedenen ebenen demonstriert haben, ohne dass es während dessen oder später distanzierungen gegeben hätte. sich solidarisch aufeinander beziehen trotz unterschiedlicher konzepte ist verdammt wichtig, um als bewegung aus der niesche herauszukommen, und gleichzeitig radikalität in der praxis zu entwickeln.

 

danke an alle, die in hamburg waren oder sind und sich an diesem tag beteiligt haben, auf welche art auch immer. ich denke, viele leute haben dabei eine kollektive selbstermächtigung erfahren, wie schon lange nicht mehr. viele von uns werden sich wiedersehen (wen auch nur die funkelnden augen unter der maske), vielleicht das nächste mal schon um einiges gestärkt, und es tut gut zu wissen, dass tausende leute dieses gefühl mit nach hause nehmen und an ihren orten die revolte gestärkt vorantreiben werden.

 

über diesen tag werden die leute noch in jahren reden. lasst uns dafür sorgen, dass es nur ein auftakt war, um die auseinandersetzung auf eine neue stufe zu heben (und damit mein ich nicht nur steine und bengalos, ich meine auch dass sich leute vorher überlegen, was sie als gruppe machen, wenn es ihnen auf der demo oder sonstwo zu heiß wird).

 

flora forever!

finde die aktionen der gruppe und ihren ansatz auch super (auch wenn es nicht wirklich neu ist, aber das muß es ja auch gar nicht).

schließlich kann nicht jede und jeder "superfit und autonom" höchstleistungen in der ersten reihe bringen und dies kann auch nicht der zweck von demos/actionen sein. die "undercoveractionen" sind superwichtig und etwas offener was die menschen betrifft die mitmachen. in diesem zusammenhang lassen sich auch menschen mitnehmen, welche einzeln oder mit fam. da sind.

 

ein wenig zu denken gibt mir allerdings, dass es sich dennoch um eine hamburg/zeit-spezifische situation gehandelt haben könnte. nicht immer sind größere bereiche von innenstädten (oder gar kleinstädten) autofrei und dafür menschenvoll.

dies soll den ansatz aber auf keinen fall unterminieren.

Meine Gruppe war ab ca. 17 Uhr in der City, d.h. im Umfeld des Mönckebrunnens auf der Mönckebergstr. Dort war viel Polizei anwesend, die an jeder 2. Ecke in 5er Gruppen rumstand. Deswegen ist erstmal nichts passiert, obwohl auch Gruppen, die nach Protest-Spektrum aussahen, zu sehen waren. Um 17.30, als die Weihnachtsparade vom Rathaus Richtung HBF zog, hatten die Wartendenen dann die Schnauze voll vom Konsumterror und fingen an Parolen zu rufen. Einige hatten sich in die Menschen eingereiht, die hinter der Parade liefen. Dort wurde es nach wenigen Minuten hektisch und Bullen rannten rum. Was dort weiter passiert ist kann ich nicht sagen.

Aber abseits der Parade wurden dann weiter von Kleingruppen oder Einzelpersonen, die im Passantenstrom mitschwammen, Parolen gerufen. Das hat für ca. 45 Minuten au der ganzen Länge der Mö recht gut funktioniert; habe nicht mitbekommen dass dabei Menschen mit der Polizeit zu tun hatten. Die eine Gruppe fängt die Parole an, die andere beendet sie - Stadionathmosphäre. Dazu dann irritierte Blicke & Sprüche auf Bild-Niveau von den Konsumenten.

 

Danach, 18.30, am Gänsemarkt war auch noch Action auf dem Weihnachtsmarkt, hier war viel Polizei im Einsatz.