Marschieren für ein weißes Russland

Erstveröffentlicht: 
04.11.2013

Nationalisten demonstrieren in Moskau

Mehrere Tausend Nationalisten sind durch Moskau gezogen. Beim "Russischen Marsch" wurden mehrere Rechtsextreme wegen des Tragens von Nazi-Symbolen sowie des Skandierens von Nazi-Parolen festgenommen.

 

Von Bernd Großheim, ARD-Hörfunkstudio Moskau

Die Besitzer eines usbekischen Restaurants im Moskauer Stadtteil Lublino hatten den Werbeschriftzug draußen an der Wand in Plastikfolie eingehüllt. Zu groß ist die Angst vor Übergriffen der Nationalisten, die in der Hauptstadt ihren russischen Marsch veranstalteten. Mit Slogans wie: "Russland den Russen, Europa den Weißen" und "Nur die Russen - nur der Sieg" zogen Tausende von ihnen durch die Arbeitersiedlung.

 

Anlass des sogenannten "Russischen Marsches" ist der Tag der Einheit des Volkes in Russland, ein Feiertag, der erst seit 2005 begangen wird und der an die Befreiung Moskaus von polnischer Besatzung 1612 erinnern soll.


Vermummte Rechtsextreme

Einer der Organisatoren, der russische Neonazi Dimitri Djomuschkin, bezeichnet den Marsch als russisches Fest: "Das ist der einzige Feiertag im Jahr, den nicht alle Bürger Russlands feiern, sondern nur die Russen. Sogar die Iren feiern den Tag des heiligen Patrick hier, und die Russen haben nichts - weder Status, noch Feiertag. Wir haben keinen eigenen Präsidenten, kein eigenes Parlament, keine Autonomie. Alle haben ihre Lobbyisten, nur die Russen nicht."

Die Banner und Fahnen, die zu sehen sind, erinnern an nationalsozialistische Symbolik. Einige der Demonstranten sind vermummt, tragen Skimasken oder haben sich Schals über den Mund gebunden. Ihre Botschaft: Wir sind gegen alle Migranten. "Wir wollen zeigen, dass das russische Volk einig ist - hier treten alle füreinander ein", sagt ein junger Mann. Im Hintergrund skandieren Demonstranten, bald werde die Stadt weiß sein. Und: "Ehre sei Russland, Ehre sei Russland."

 

Visumspflicht für alle Ausländer gefordert

Frauen marschieren nur sehr wenige mit. Eine etwa 50 Jahre alte Teilnehmerin sagt, sie wolle für eine bessere Zukunft für die Kinder in Russland kämpfen. Was sie konkret fordert, möchte sie nicht sagen: "Wenn ich alles aufzählen würde, käme ich sofort ins Gefängnis - wegen Fremdfeindlichkeit, wegen Verleumdung der Staatsmacht und so weiter."

 

Viele Demonstranten fordern von der Regierung die Einführung einer Visumspflicht für alle Migranten. Der Moskauer Chef der Nationaldemokratischen Partei, Wsewolod Ratschenko, glaubt nicht, dass dadurch noch mehr Migranten in die Illegalität abtauchen. "Wenn die zuständigen Behörden vernünftig arbeiten, würde dies eine zusätzliche Hürde sein", meint er. "Sehr viele Migranten dürften dann nicht einreisen, besonders die kriminellen nicht." Trotzdem sage Präsident Putin nach wie vor Nein, kritisiert Ratschenko, weil Putin meine, "wir würden dadurch unsere Verbündeten in Zentralasien verlieren. Ich glaube aber, dass sie nicht die Verbündeten, sondern ein Ballast für Russland sind.“

 

Razzien gegen Migranten

Für die einen Ballast, für die anderen notwendige Arbeitskräfte. Viele Baustellen in Moskau oder auch in der Olympiastadt Sotschi würden stillstehen, wenn es nicht Arbeiter aus dem Kaukasus und den zentralasiatischen Staaten gäbe. Viele dieser oft illegalen Arbeiter wohnen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Immer wieder gibt es fremdenfeindliche Übergriffe. Moskaus Bürgermeister Sobjanin gab regelmäßige Razzien in Auftrag, die Polizei nimmt oft auf einen Schlag mehr als 1000 Migranten fest.

 

Zum heutigen russischen Marsch aufgerufen hatte unter anderem Oppositionsführer Alexej Nawalnyj. In Reden während des Bürgermeisterwahlkampfes in Moskau hatte er vor einer Gefahr gewarnt, die der Hauptstadt Russlands durch Migranten drohe. Heute war er aber nicht dabei.

Menschenrechtler befürchten eine Zunahme der Fremdenfeindlichkeit. Die Leiterin der Flüchtlingshilfeorganisation "Bürgerbeteiligung", Swetlana Ganuschkina, bezeichnet die Razzien gegen Migranten bereits als Pogrome. Fremdenfeindlichkeit sei wie ein Virus, das nicht ausgerottet werden könne.

Stand: 04.11.2013 17:19 Uhr