Die niedersächsische Affäre um rechtswidrig erfasste Daten von Journalisten ist offenbar umfangreicher als bislang an genommen. Bei Recherchen in der Datenbank des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) stießen LfV-Präsidentin Maren Brandenburger und ihre Mitarbeiter auf sieben weitere Journalisten. Einige rechnet das LfV der autonomen Szene zu. Sie gelten intern als "Zweifelsfälle". Derzeit prüft das Amt, ob es eine rechtliche Grundlage für deren Erfassung gibt – und ob die Daten nicht längst hätten gelöscht werden müssen.
Zu den neuen Fällen gehört André Aden. Er arbeitet überwiegend als Fotograf, unter anderem für das Netzwerk "Recherche Nord", einen Zusammenschluss von Journalisten, die das rechtsextremistische Milieu durchleuchten und Aussteigern aus der Neonazi-Szene helfen. LfV-Chefin Brandenburger spricht inzwischen von "Organisationsversagen" in ihrer Behörde, nachdem Mitte September bereits sieben Fälle bekannt geworden waren. "Offenbar wurden nicht einmal die Referatsleiter darüber informiert, welche Namen ihre Mitarbeiter in das interne System einpflegten", sagte sie. Verfahrensvorschriften dafür habe es nicht gegeben.
Besonders gravierend ist der Fall der Journalistin Andrea Röpke, deren Daten von 2006 bis 2012 beim Amt abrufbar waren. Röpke und die anderen Journalisten seien allerdings nie observiert oder abgehört worden, beteuert das LfV. Die Beamten notierten aber, wo sie auftrat. Als Röpke Anfang 2012 darüber Auskunft verlangte, wurde das LfV umgehend aktiv, allerdings nicht im Sinne der Journalistin. Sie erhielt am 18. April letzten Jahres die Nachricht, dass es über sie keine Einträge gebe. Das stimmte auch – aber nur, weil die Beamten nach der Anfrage sorgfältig die Akten gesäubert und die Daten gelöscht hatten.
Der Göttinger Anwalt Sven Adam bezeichnet es als eine "Verballhornung des Begriffs Extremismus", dass bereits Recherchen im rechten Milieu oder der Besuch von Veranstaltungen der Linkspartei genügten, um in den Ruch der Verfassungsfeindlichkeit zu geraten. Adam vertritt drei der betroffenen Journalisten, darunter Röpke und einen freien Fotografen, der unter anderem für den NDR und SPIEGEL TV tätig war. Der Anwalt hat beim Bundesamt und bei allen Landesämtern für Verfassungsschutz um Auskunft gebeten, ob die Journalisten in weiteren Extremismusdateien geführt worden sind.