Evil in Kutte – Bruderschaften als „neue“ Organisationsform

Logo "Brigade Acht"

Das Rocker ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild pflegen, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Zum einen symbolisiert es die Zugehörigkeit zu einer Gruppe – man grenzt sich nach außen ab, man gehört zu einem „Wir“, man selbst ist etwas. Zum anderen soll eine ledrige Kutte männlich und martialisch wirken und Macht ausstrahlen. Durch die mediale Berichterstattung ist in weiten Teilen der Bevölkerung mittlerweile angekommen, dass mit den Rockern nicht zu spaßen ist. Sind die Betätigungsfelder der Rocker, wie etwa Schutzgelderpressung und Zuhälterei, ohnehin schon inakzeptabel, gesellen sich nun auch Rockergruppen, die zusätzlich zu 100% neonazistisch sind, dazu.

 

Bedingt durch Holger Apfels Strategie der „seriösen Radikalität“, in der sich die Partei nach außen als Kümmerer-Partei und gutbürgerlich zu geben versucht und nur nach innen weiterhin ihre rechtsextreme Ideologie vertritt, und durch den zunehmenden Bedeutungsverlust der Kameradschaften, entdecken militante Neonazis nun Bruderschaften als Organisationsform erneut für sich. Vor allem in Schleswig-Holstein ist diese Tendenz seit dem letzten Jahr vermehrt zu beobachten. Die Erscheinung und Hierarchie von Bruderschaften ist ähnlich wie die der Rocker. Auch sie tragen Kutte und haben Anwärter, die noch kein „Vollmitglied“ sind. Bisher konnte noch nicht beobachtet werden, dass Bruderschaften ähnliche Wirtschaftszweige verfolgen wie die Rocker. Es ist bisher davon auszugehen, dass ihr Zusammenhalt auf einer rechtsextremen Ideologie fußt, gepaart mit Männnerbündelei. So wurden Bruderschaften bisher auf ganz klassischen Neonaziveranstaltungen wie Rechtsrockkonzerten oder Aufmärschen beobachtet.

Die Brigade 8 Schleswig-Holstein wurde erstmalig auf Neonaziaufmärschen wie in Bad Nenndorf oder am „Tag der deutschen Zukunft“ 2012 in Hamburg gesichtet. Zur Brigade 8 zählen neben der Gruppe in Schleswig-Holstein noch Ableger in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Präsident der Brigade 8 Schleswig-Holstein, Christian K., wohnt in Schleswig und gehörte vorher zur Aktionsgruppe „NaSo“ Angeln, kurz für Nationale Sozialisten Angeln, die auf ihrer Internetseite den Todestag von Rudolf Hess zelebriert und auf ihren Flugblättern „Volksgemeinschaft statt Individualismus“, „Erhaltung des Volkes in Art und Kultur“ etc. fordert. Christian K. trägt auf seinem Hals ein Tattoo mit dem Kürzel „B8“. Diese Abkürzung ist nicht zufällig gewählt – denn der Name Brigade 8 ist als Anlehnung an das im Jahr 2000 verbotene rechtsextreme Netzwerk Blood & Honour zu verstehen.

 

Kleidung und weiteres Supportmaterial der Brigade 8 sind entweder über Facebook zu bekommen oder über den Zentralversand der Brigade. Der von dem bekannten Neonazi Rene Hermann betriebene Versand bietet dem Accessoire-affinen Neonazi ein breitgefächertes Angebot – von Szenemarken wie Ansgar Aryan über geschichtsrevisionistische Literatur bis hin zum Aufnäher mit der Zahl 88, kurz für „Heil Hitler“. Hermann, der enge Kontakte zur rechten Gefängnisorganisation HNG („Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“) pflegte, bewarb seinen Versand bereits über die NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“. Weniger digital ist die Brigade 8 erst vor kurzem in den Medien in Erscheinung getreten, als in Bremen eine Party dieser Bruderschaft durch das Innenministerium verboten wurde.

 

Eine weitere Bruderschaft in Schleswig-Holstein heißt „Midgards Wächter“. Was sich nach Mittelerde und Hobbits anhört, hat seinen Ursprung wahrscheinlich in Berlin. Bis auf einen einzigen öffentlichen Auftritt agiert diese Bruderschaft nur innerhalb der Neonaziszene. Im zivilen T-Shirt, mit Emblem der Bruderschaft Midgards Wächter und der Aufschrift „Tradition – unsere Zukunft“, erschien Marvin Jäger auf einer von Neonazis initiierten Kundgebung zum Thema „Todesstrafe für Kinderschänder“ im Oktober 2012 in Schleswig.

 

Ein weiteres Mitglied ist der in Nordfriesland wohnende Holger Ingwersen, der früher in der Naziband Kraftschlag spielte. Kraftschlag wechselte vor Jahren nach Schweden und spielte dort eine bedeutende Rolle im skandinavischen Blood & Honour-Netzwerk. Ingwersen war zusammen mit dem Chef von Blood & Honour Svandinavia, dem Deutschen Marcel Schilf, ganz maßgeblich am Aufbau des internationalen Versandhandels von Schweden aus beteiligt. Es ist anzunehmen, dass er hierzu seine deutschen Kontakte nutzte. Aktuell betreibt Ingerwersen als neues Musikprojekt die Band „Division Holstein“, der wahrscheinlich mehrere Mitglieder der Bruderschaft angehören. Mitglieder der Bruderschaft wohnen in Nordfriesland, dort in Husum und Raum Bredstedt, sowie in Flensburg und dem Kreis Schleswig-Flensburg.

Neben diesen beiden Gruppen gibt es noch weitere Entwicklungen dieser Art in Schleswig- Holstein. Öffentliche Auftritte und Außenwirkung sind bisher marginal, dennoch nicht zu unterschätzen. Erst im letzten Jahr kam es in Flensburg zu einem fremdenfeindlichen Übergriff. Die Angreifer trugen Kutte.

 

enoughisenough – Zeitung für antirassistische und antifaschistische Politik und Kultur in Schleswig-Holstein