Dortmund: Ein Nazi-Problem und das Versagen der Politik

Nazis in der Dortmunder Innenstadt
Erstveröffentlicht: 
08.09.2013

In Dortmund sind gestern knapp 50 Nazis für die Unterstützung des syrischen Diktators Bashar Al-Assad auf die Straße gegangen. Dies allein sollte eigentlich keine Meldung Wert sein, denn Demonstrationen von einzelnen Spinnern für völlig abstruse Themen müssen nicht medial ausgebreitet werden. Pikant wird die Angelegenheit allerdings dadurch, dass die 50 Neonazis den „1. Rechten Antikriegstag“ begangen haben.

Wir erinnern uns, im Jahr 2005 begannen die Dortmunder Neonazis, mit Demonstrationen zum traditionellen Antikriegstag. Damals konnten zunächst nur 200-250 Rechte mobilisiert werden. Über die Jahre hinweg entwickelte sich die Demonstration jedoch zu einem Kristallisationspunkt von neonazistischen Gruppen aus ganz Deutschland und Europa und mit mehr als 1.000 Teilnehmer. Im Jahr 2012 wurde das rechte Spektakel vorläufig beendet. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger verbot die Dortmunder Kameradschaft, und im selben Zug wurde auch der „Nationale Antikriegstag“ als sinnstiftende Veranstaltung des „Nationalen Widerstands Dortmund“ verboten.

Viele aktive Antifaschisten aus Dortmund atmeten in Folge der Verbote erst einmal auf. Ihr jahrelanger Kampf für die Anerkennung des Naziproblems der Ruhrgebietsmetropole schien auch in der Politik des Landes NRW angekommen zu sein, und diese begann, Maßnahmen gegen die Nazis zu ergreifen. Das Aufatmen bei den Antifaschisten hielt allerdings nur kurz an. Nach einigen Wochen begannen die Neonazis sich neu, in der erst im Mai 2012 gegründeten Partei „Die Rechte“, zu organisieren. Die neue Partei nutzt seitdem alle Vorteile des Parteienprivilegs aus. Sie veranstaltet Aufmärsche und Konzerte, hängt Plakate auf und tritt allgemein in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Dies macht sich zum Beispiel auch darin bemerkbar, dass einzelne Nazis jetzt mit einem Presseausweis ausgestattet offen „Anti-Antifa Arbeit“ betreiben.

Die Dortmunder Neonazis waren schon immer für Provokationen zu haben. Bei einer Demonstration am 1. Mai 2007 trugen sie ein Transparent mit der Aufschrift „Ob Erfurt, Dortmund oder Buxtehude – Schuld ist und bleibt der Kapitalismus“. Auf was sich der Spruch anstatt von Kapitalismus reimen soll, kann sich der Lese wohl selbst vorstellen. Am ersten Mai dieses Jahres stellten sie das Verbot ihrer Kameradschaft in eine Reihe mit dem Verbot der SPD 1933. Der Höhepunkt in Sachen Provokation folgte allerdings am letzten Samstag, die Nazis demonstrierten hinter einem Transparent mit der Aufschrift „25 Punkte gegen eure Verbote“ und nahmen damit unverhohlenen Bezug auf das 25-Punkte-Programm der NSDAP. In Reden forderten Nazis die Wiederzulassung der NSDAP und bekannten, dass sie sich nicht „frei“ fühlten, solange „das Deutsche Reich“ nicht widerhergestellt sei. Das Bekenntnis zum Nationalsozialismus ist „Der Rechten“ in Dortmund also noch immer der oberste Programmpunkt, auch wenn man versucht dies für Uneingeweihte möglichst zu verschleiern, aber für Mitglieder der Szene trotzdem nach außen zu tragen.

Wenn jetzt nach etwas mehr als einem Jahr ein Resümee über das Verbot des „Nationalen Widerstands“ und dessen Auswirkungen für Neonazis in Dortmund gezogen werden soll, kann festgestellt werden, dass die staatliche Verbotspolitik nur marginale Auswirkungen auf das Agieren der Rechten hat. Die zweiwöchige polizeiliche Belagerung von Nazi-WGs im letzten Spätsommer, die Beschlagnahmung von Materialien und Geld, etc., mögen für die Nazis eine Unannehmlichkeit gewesen sein, in ihrem Handeln haben diese Maßnahmen sie allerdings nicht dauerhaft beeinträchtigt.

Im Gegenteil treiben Polizei und Innenministerium die Nazis auf diese Art geradezu dazu an, eine „erwachsenere“, ernsthaftere Politik zu betreiben. Die von Nazis selbstgeschaffenen Medien bemühen sich um eine parteiische Berichterstattung zu den verschiedensten lokalen Themen, die Nazis versuchen auf diesen Feldern anschlussfähige Positionen zu beziehen.

Mit den Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr steht der Dortmunder Bevölkerung eine erneute Propagandaoffensive der Nazis ins Haus, diese wird höchstwahrscheinlich mit einem, oder mehren Sitzen im Stadtrat für „Die Rechte“ enden. Politik und Polizei stehen spätestens dann vor einem ganz neuen Problem. Dann haben sie es nämlich nicht mehr mit „wildgewordenen Neonazis“, sondern mit lokalen Mandatsträgern zu tun. Die NPD macht es in Ostdeutschland seit Jahren vor, welche Möglichkeiten der Einzug in Parlamente für Neonazis bietet. Innenministerium und Polizei haben dem Kampf gegen Neonazis also wie es derzeit aussieht mit ihrer Verbotspraxis einen Bärendienst erwiesen.

Für Dortmunder Antifaschisten gibt es also auch in Zukunft noch einiges zu tun. Die zumeist jugendlichen Antifaschisten müssen ihre isolierte linke Position verlassen und im Engagement gegen Aufmärsche auf bürgerliche Gruppen und Parteien zu gehen. Auch die zivilgesellschaftlichen Nazigegner um das Bündnis „Dortmund Nazifrei“ müssen einige Positionen aufgeben. Einerseits sollten sie sich den linksradikalen Antifaschisten gegenüber öffnen, da diese einfach über mehr Wissen in Bezug auf die Neonaziszene verfügen. Andererseits sollte den bürgerlichen Antifaschisten mittlerweile klar sein, dass sie keine effektiven Blockaden von Aufmärschen erreichen werden, solange sie sich auf ihre lokalen Strukturen verlassen. Dortmund braucht eine bundesweite Mobilisierung gegen Großaufmärsche von Neonazis, dafür sollten sich alle Organisationen einsetzen, die das Neonaziproblem in Dortmund in den Griff bekommen möchten.