Neonazis attackieren Antifaschisten, Berliner Polizei stellt ihre Ermittlungen ein. Rechte Anschlagsserie in der Hauptstadt wird wohl unaufgeklärt bleiben
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen, die sie zuvor wegen verschiedener Anschläge auf Wohnhäuser von Antifaschisten geführt hatte, Ende der vergangenen Woche eingestellt.
Fast genau vor einem Jahr war es in der Bundeshauptstadt verstärkt zu Übergriffen und Drohungen gegen stadtbekannte Neonazigegner gekommen. So wurden im August 2012 Mitglieder der der SPD nahestehenden Jugendorganisation »Die Falken« brutal attackiert. Außerdem kam es zu Anschlägen auf das Wohnhaus des stellvertretenden Landeschefs der Berliner SPD-Jugendorganisation Jungsozialisten (Jusos), Nico Schmolke. Dabei sprengten die Täter seinen Briefkasten und warfen eine Scheibe ein.
Gleiches widerfuhr damals dem engagierten Antifaschisten und Bezirkspolitiker der Linkspartei, Hans Erxleben. Auch in seinem Fall zerstörten die Neonazis Scheiben und zündeten ebenfalls einen Sprengsatz in Erxlebens Briefkasten. Als Drahtzieher der damaligen Gewaltwelle hatten antifaschistische Organisationen im letzten Jahr Berliner Neonazis ausgemacht, die sie im Umfeld des Neonazi-Bedarfsladens »Hexogen« des Berliner NPD-Vorsitzenden Schmidtke in der Brückenstraße in Niederschöneweide vermuteten (jW berichtete).
Wie Hans Erxleben dieser Zeitung mitteilte, habe die Berliner Staatsanwaltschaft ihn nun darüber in Kenntnis gesetzt, daß die Ermittlungen wegen eines »Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz« »zunächst« eingestellt worden seien. Es seien umfangreiche Ermittlungen durchgeführt worden, die jedoch keine belastbaren Hinweise auf mögliche Tatbeteiligte erbracht hätten. Auch Tatzeugen stünden nicht zur Verfügung, obwohl über 60 Nachbarn angehört worden seien.
Die in verschiedenen Medien formulierte Vermutung, daß der »amtsbekannte Rechtsaktivist Julian B. hinter dem Anschlag stecken könnte, reicht vor dem Hintergrund des sonstigen Ermittlungsergebnisses für die Begründung eines Anfangsverdachts gegen ihn nicht aus«, so die Staatsanwaltschaft weiter, die auch dem Juso-Funktinär Nico Schmolke einen ähnlichen Einstellungsbescheid zukommen ließ.
Wie Erxleben am Dienstag gegenüber jW berichtete, war er in der Vergangenheit bei einem der von ihm mitorganisierten antifaschistischen Kiezspaziergänge vom Johannisthaler Neonazi Julian B., die dieser »mit seinen Kumpanen zumeist störend begleitet«, mit dem Vornamen angesprochen und gefragt worden, wie »es denn meinem Briefkasten ginge«. Bei dem unschönen Aufeinandertreffen seien auch Zivilbeamte des Landeskriminalamtes in Sicht- und Hörweite präsent gewesen. »Die Staatsschützer können also nicht sagen, sie wüßten von nichts«, so Erxleben.
Enttäuscht ist der Linksparteipolitiker von der Arbeit der Ermittlungsbehörden insgesamt. »Es ist ziemlich unbefriedigend und frustrierend, daß trotz des gleichen Musters bei den damals dicht aufeinander folgenden Gewaltanschlägen und einer recht überschaubaren Gruppe von Neonaziakteuren als Tatverdächtigen nach monatelangen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft nichts Greifbares herauskommt«, sagte Erxleben gegenüber dieser Zeitung.
»In meinem Fall ging es ›nur‹ um Sachbeschädigung«, konstatiert der Antifaschist weiter, »beschädigt sehe ich aber auch in diesem Fall den Ruf der Polizei und der Justiz«. Von dort sei »offensichtlich nicht viel Hilfe zu erwarten«, er wolle sich jedoch weiterhin gegen Neofaschismus engagieren und sich auch zukünftig nicht einschüchtern lassen.