Aktivisten wollen die EZB, den Flughafen und andere Einrichtungen lahmlegen - Die Polizei befürchtet Krawalle
Heute in zwei Wochen wird
in Frankfurt der Ausnahmezustand herrschen: Tausende
Kapitalismuskritiker wollen die EZB blockieren und dann Aktionen am
Flughafen und auf der Zeil starten. Die Sicherheitsbehörden rechnen mit
2000 gewaltbereiten Protestlern.
Frankfurt. Polizisten riegelten
das Bankenviertel ab, Protestler besetzten Plätze und Straßen, der
Verkehr rings um die Innenstadt kam zum Erliegen. Während der Blockupy-Aktionstage
im Mai 2012 herrschten in Frankfurt zeitweise chaotische Verhältnisse.
Vieles deutet darauf hin, dass der Stadt in zwei Wochen ein ähnliches
Szenario bevorsteht. Das kapitalismuskritische Blockupy-Bündnis
mobilisiert schon seit Monaten für eine Neuauflage der Aktionstage.
Diese soll vom 30. Mai bis zum 1. Juni bis zu 20 000 Protestler aus ganz
Europa auf die Straße bringen.
Dass sich die Blockupy-Aktivisten
nicht mit einem Protestmarsch durch die Innenstadt begnügen, haben sie
mit ihren Blockadeversuchen und Platzbesetzungen im vergangenen Jahr
deutlich gemacht. Auch für Freitag, 31. Mai, sind wieder Massenblockaden
und Aktionen zivilen Ungehorsams geplant. Deren Ziel ist es laut Blockupy,
„den üblichen Geschäftsablauf der Europäischen Zentralbank (EZB) und
anderer Akteure des Krisenregimes öffentlich sichtbar zu stören". Der
EZB wirft Blockupy vor,
zusammen mit der Europäischen Union und dem Internationalen
Währungsfonds eine „Krisen- und Verarmungspolitik" zu betreiben. Dagegen
richtet sich auch die Großdemonstration, die am Samstag, 1. Juni, durch
die Innenstadt ziehen soll.
Die Polizei rechnet laut Blockupy
mit 1500 gewaltbereiten und 500 gewaltentschlossenen Protestlern.
Behördensprecher Rüdiger Reges wollte diese Zahlen gestern zwar nicht
bestätigen, er betonte aber, dass die Vorbereitungen für den Einsatz
laufen. Die Polizei habe für die Sicherheit der Demonstranten und Bürger
zu sorgen und werde in der Stadt „entsprechend präsent" sein. Die EZB
werde wegen des staatsvertraglich festgelegten Schutzauftrags „auf jeden
Fall" abgeriegelt. Über die Dimensionen der Sperrzone und weitere
Maßnahmen wollte die Polizei gestern allerdings noch keine Auskunft
geben.
Besondere Herausforderung
Vor einer besonderen Herausforderung stehen die Ordnungshüter, weil die Blockupy-Aktivisten
nach dem morgendlichen Versuch einer EZB-Blockade in verschiedene
Richtungen ausschwärmen wollen, „um exemplarische Profiteure der Krise
mit Flashmobs und bunten Aktionen aufzusuchen". Vier Ziele sind schon
bekannt: der Flughafen, die Deutsche Bank, Textilgeschäfte auf der Zeil
und Immobilienunternehmen. Die Aktionen sollen sich gegen Abschiebung,
Nahrungsmittelspekulation, Ausbeutung von Arbeitern und den Mangel an
günstigem Wohnraum richten.
Riesiges Polizeiaufgebot
In Sicherheitskreisen wird befürchtet, dass außer friedlichen
Demonstranten auch Krawallmacher anreisen, die aus dem Schutz der Menge
heraus Straftaten begehen. Die Kapitalismuskritiker verweisen hingegen
auf den „nicht-eskalativen Charakter" ihrer Aktionen. Nach Blockupy
2012 war eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob der weitgehend
friedliche Verlauf der Proteste auf das riesige Polizeiaufgebot
zurückzuführen war oder nicht. Die Polizei wies darauf hin, dass vor der
Großdemo mehrere Depots mit Wurfmunition entdeckt worden seien; Blockupy bezeichnete die polizeiliche Gefahrenprognose und Einsatzstärke dagegen als „maßlos übertrieben".
2012 hatte die Stadt unter Verweis auf die Gefahrenprognose der Polizei alle angemeldeten Blockupy-Aktionen
verboten. Nach dem Streit vor den Verwaltungsgerichten durfte offiziell
nur noch der Protestmarsch stattfinden. Dass die Polizei die Aktionen
des bis dahin unbekannten Blockupy-Bündnisses
als besonders brisant einstufte, lag auch an der vorausgegangenen M
31-Demo. Dabei hatte es Ausschreitungen, Verletzte und
Sachbeschädigungen gegeben.
Kämpferischer Tonfall
In Sicherheitskreisen wurde mit Sorge registriert, dass das bei M 31
federführende, kommunistische Ums-Ganze-Bündnis vor ein paar Monaten zu Blockupy
stieß. Der relativ kämpferische Ton der linksradikalen Aktivisten zeigt
sich auch in ihrem Aufruf für die Aktionstage 2013: „Wir wollen Grenzen
überschreiten, massenhaft ungehorsam sein, uns den Anordnungen der
Polizei widersetzen, die Kampfzone von unserer Seite ausweiten."
Vermutlich waren es scharfe Sätze wie dieser, die die Polizei einmal
mehr in Alarmbereitschaft versetzt haben.
Bis zu dieser Woche verliefen die Verhandlungen zwischen der Stadt und Blockupy
im Vergleich zum Vorjahr harmonisch, Umweltdezernentin Rosemarie Heilig
(Grüne) sagte den Aktivisten zur Errichtung eines „Antikapitalistischen
Camps" sogar eine Fläche auf dem Rebstockgelände zu. Jetzt gibt's aber
doch Reibereien, die sich um die Großdemo am 1. Juni drehen.
Scharfe Kritik
Blockupy warf der Stadt
gestern vor, den Bescheid für den schon lange angemeldeten und mündlich
zugesagten Protestmarsch hinauszuzögern. Die Aktivisten sprachen von
einer „Hinhaltetaktik", die offenbar die Zeit für ein juristisches
Vorgehen „gegen untragbare Auflagen oder gar ein Demoverbot" verkürzen
soll. Andrea Brandl aus dem Sicherheitsdezernat widersprach gestern
Mittag auf FNP-Nachfrage: Das Ordnungsamt lese gerade Korrektur, die
Verfügung gehe „noch heute" raus.
Damit sind die Streitpunkte allerdings noch nicht vom Tisch.
Demo-Anmelder Werner Rätz ärgert sich darüber, dass das Ordnungsamt
„plötzlich" die ursprünglich angemeldete Route bemängelt: Diese soll in
Höhe der EZB nicht mehr über Hofstraße, Neue Mainzer Straße und
Liebfrauenstraße, sondern stattdessen über den Untermainkai führen. Den
Verweis der Stadt auf die Gefahrenprognose hält Blockupy
für „absurd": „Dass nun dieselben 2000, angeblich gewaltbereiten
Aktivisten aus dem Hut gezaubert werden wie 2012, um in Frankfurt das
Demonstrationsrecht einzuschränken, mutet fast wie schlechte Satire an."
Städtische Auflagen
Blockupy will gegen die
städtischen Auflagen vors Verwaltungsgericht ziehen: Die Einhaltung der
Auflage, dass Demonstranten keine Glasflaschen mitführen dürfen, sei bei
20 000 Menschen schlichtweg „nicht kontrollierbar". Auch das Verbot von
Transparenten, die länger als drei Meter sind, hält das Bündnis nicht
für rechtens.
Das Blockupy-Camp auf dem
Rebstockgelände soll ab Montag, 27. Mai, nach und nach aufgebaut werden.
In Versammlungszelten sollen am Donnerstag inhaltliche Veranstaltungen
und „Blockadetrainings" für den Aktionstag am Freitag stattfinden.