Quelle:
Gorleben
Brisante Akten unter Verschluss
VON JOACHIM WILLE
Die niedersächsische Staatskanzlei weigert sich, offenbar brisante Akten zum umstrittene Atomendlager-Projekt Gorleben zu veröffentlichen. Die Unterlagen könnten Auskunft darüber geben, wie im Jahr 1977 der Standort für das damals geplante "nukleare Entsorgungszentrum" ausgesucht wurde - rein nach fachlichen Kriterien oder "politisch".
Die Staatskanzlei von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) lehnt eine Herausgabe der betreffenden Kabinettsakten ab. "Die Akten sind als vertraulich eingestuft", sagte Sprecher Roman Haase der FR. Dies werde auch nach gut 30 Jahren nicht geändert.
Konkret geht es um Protokolle von Kabinettssitzungen aus den Jahren 1976 und 1977, in denen unter dem damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) die endgültige Festlegung auf Gorleben geschah. Zur Auswahl standen damals drei Salzstöcke, allesamt in Niedersachsen gelegen, die eine vom Bund eingesetzte "Findungskommission" bestimmt hatte.
Überraschenderweise traf die Wahl Gorleben, obwohl es nach Aussage eines der an der Auswahl beteiligten Geologen "nicht in die günstigste Kategorie" fiel.
Seither steht der Verdacht im Raum, dass Gorleben aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ausgesucht wurde - im Hinblick auf geringes Protestpotenzial in der dünn besiedelten Gegend und die damalige "Zonenrandlage" zur DDR.
Der Umweltausschuss des Landtages versuchte jüngst, Licht in das Gorleben-Dunkel zu bringen. Ein Vertreter der Staatskanzlei lehnte das auch vor diesem Gremium ab. Laut dem Protokoll der Sitzung, das der FR vorliegt, begründete er das Mauern bei den Akten damit, dass "die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung" nicht beeinträchtigt werden dürfe. "Niederschriften der Sitzungen der Landesregierung" seien laut Geschäftsordnung "vertraulich".
Auch die 30-Jahres-Regel, nach der Archivmaterial nach dieser Frist freigegeben werden kann, gelte hier nicht. "Das ist zwar die Basisfrist, aber für Archivgut, das besonderen gesetzlichen Geheimhaltungs-, Sperrungs-, Löschungs- oder Vernichtungsvorschriften unterliegt, erhöht sich die Frist auf 50 Jahre", hieß es in dem juristischen Vortrag.
Die Abgeordneten des Ausschusses dürfen das Protokoll zwar in einem "Aktenraum" einsehen, daraus aber nicht zitieren. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Gabriele Heinen-Kljajic berichtete der FR, die vorliegenden Protokolle seien offensichtlich nicht vollständig, es fehlten einzelne Seiten. Klar werde jedoch, dass in den Kabinettssitzungen auch über politische Bedenken gegen Gorleben gesprochen worden sei. Sie appellierte an die Regierung Wulff, die Akten freizugeben. "Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, dies nicht zu tun", sagte die Fraktions-Vizechefin.
Überraschenderweise traf die Wahl Gorleben, obwohl es nach Aussage eines der an der Auswahl beteiligten Geologen "nicht in die günstigste Kategorie" fiel.
Seither steht der Verdacht im Raum, dass Gorleben aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ausgesucht wurde - im Hinblick auf geringes Protestpotenzial in der dünn besiedelten Gegend und die damalige "Zonenrandlage" zur DDR.
Der Umweltausschuss des Landtages versuchte jüngst, Licht in das Gorleben-Dunkel zu bringen. Ein Vertreter der Staatskanzlei lehnte das auch vor diesem Gremium ab. Laut dem Protokoll der Sitzung, das der FR vorliegt, begründete er das Mauern bei den Akten damit, dass "die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung" nicht beeinträchtigt werden dürfe. "Niederschriften der Sitzungen der Landesregierung" seien laut Geschäftsordnung "vertraulich".
Auch die 30-Jahres-Regel, nach der Archivmaterial nach dieser Frist freigegeben werden kann, gelte hier nicht. "Das ist zwar die Basisfrist, aber für Archivgut, das besonderen gesetzlichen Geheimhaltungs-, Sperrungs-, Löschungs- oder Vernichtungsvorschriften unterliegt, erhöht sich die Frist auf 50 Jahre", hieß es in dem juristischen Vortrag.
Die Abgeordneten des Ausschusses dürfen das Protokoll zwar in einem "Aktenraum" einsehen, daraus aber nicht zitieren. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Gabriele Heinen-Kljajic berichtete der FR, die vorliegenden Protokolle seien offensichtlich nicht vollständig, es fehlten einzelne Seiten. Klar werde jedoch, dass in den Kabinettssitzungen auch über politische Bedenken gegen Gorleben gesprochen worden sei. Sie appellierte an die Regierung Wulff, die Akten freizugeben. "Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, dies nicht zu tun", sagte die Fraktions-Vizechefin.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sieht die Weigerung der Staatskanzlei, die Vertraulichkeit aufzuheben, als Beleg dafür, dass die Fixierung auf Gorleben "nichts, aber auch gar nichts mit einem wissenschaftlich begründeten Auswahlverfahren zu tun hatte". Es sei völlig unverständlich, wie eine Aktenöffnung 32 Jahre nach der Kabinettsentscheidung in Hannover die "Handlungsfähigkeit der Regierung" gefährden könne, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke der FR.
Die Gorleben-Gegner versuchen derweil, eine weitere politischen Intervention aufzuklären, mit der Gorleben gegen fachlichen Rat durchgedrückt worden sei. Dabei geht es um einen Vorfall anno 1983, für den die BI Akteneinsicht beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gefordert hat. Damals - nach Ende der Tiefbohrungen im Salzstock Gorleben - sollen nämlich das Bundeskanzleramt sowie das Innen- und das Forschungsministerium die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) angewiesen haben, ihr Gorleben-Gutachten zu ändern.
Die PTB wollte laut dem damaligen Abteilungsleiter Professor Helmut Röthemeyer vorschlagen, wegen des "Erkundungsrisikos in Gorleben und aus Gründen der Akzeptanz" einen weiteren Standort untersuchen zu lassen. Die Experten stellten im Entwurf ihres Gutachten zum Beispiel fest, dass das von einer eiszeitlichen Rinne durchzogene Gestein über dem Salzstock nicht in der Lage sei, "Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten".
Röthemeyer wollte die Sachlage dann bei einem Treffen mit Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover besprechen. Doch dazu gesellten sich unerwartet auch Vertreter von Kanzleramt und Ministerien.
Die Politbeamten hätten die PTB zur Änderung ihres Gutachtens aufgefordert, berichtete der inzwischen pensionierte Röthemeyer unlängst in einem Interview: "Es gab nichts Schriftliches, keine schriftliche Weisung, aber wir mussten das Gespräch klar als Weisung auffassen". Erstmals hatte die FR 1985 über einen "Maulkorb" wegen Gorleben geschrieben. Die PTB musste ihre Pläne einstellen, Standort-Alternativen zu untersuchen. Röthemeyer sagte damals, die Weisung dazu sei eine "unangenehme Sache".
Das Bundesamt BfS ist als Nachfolger der PTB in Atomverfahren im Besitz auch der ursprünglichen Fassung des PTB-Gutachtens. Es werde juristisch geprüft, ob es an die BI herausgegeben werden könnten, sagte Sprecher Florian Emrich der FR. Er halte das aber für wahrscheinlich.
Das nach der Ministeriums-Intervention von 1983 umgetextete Gutachten ist bekannt. Darin plädierte die PTB immerhin noch für eine gleichzeitige oberirdische Erkundung anderer Standorte: "Parallel laufende übertägige Erkundungsmaßnahmen vermeiden Sachzwänge bei der Realisierung dieses Endlagers. Dies würde auch die Akzeptanz des Standortes Gorleben erhöhen." Bekanntermaßen lief es anders.
Die Gorleben-Gegner versuchen derweil, eine weitere politischen Intervention aufzuklären, mit der Gorleben gegen fachlichen Rat durchgedrückt worden sei. Dabei geht es um einen Vorfall anno 1983, für den die BI Akteneinsicht beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gefordert hat. Damals - nach Ende der Tiefbohrungen im Salzstock Gorleben - sollen nämlich das Bundeskanzleramt sowie das Innen- und das Forschungsministerium die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) angewiesen haben, ihr Gorleben-Gutachten zu ändern.
Die PTB wollte laut dem damaligen Abteilungsleiter Professor Helmut Röthemeyer vorschlagen, wegen des "Erkundungsrisikos in Gorleben und aus Gründen der Akzeptanz" einen weiteren Standort untersuchen zu lassen. Die Experten stellten im Entwurf ihres Gutachten zum Beispiel fest, dass das von einer eiszeitlichen Rinne durchzogene Gestein über dem Salzstock nicht in der Lage sei, "Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten".
Röthemeyer wollte die Sachlage dann bei einem Treffen mit Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover besprechen. Doch dazu gesellten sich unerwartet auch Vertreter von Kanzleramt und Ministerien.
Die Politbeamten hätten die PTB zur Änderung ihres Gutachtens aufgefordert, berichtete der inzwischen pensionierte Röthemeyer unlängst in einem Interview: "Es gab nichts Schriftliches, keine schriftliche Weisung, aber wir mussten das Gespräch klar als Weisung auffassen". Erstmals hatte die FR 1985 über einen "Maulkorb" wegen Gorleben geschrieben. Die PTB musste ihre Pläne einstellen, Standort-Alternativen zu untersuchen. Röthemeyer sagte damals, die Weisung dazu sei eine "unangenehme Sache".
Das Bundesamt BfS ist als Nachfolger der PTB in Atomverfahren im Besitz auch der ursprünglichen Fassung des PTB-Gutachtens. Es werde juristisch geprüft, ob es an die BI herausgegeben werden könnten, sagte Sprecher Florian Emrich der FR. Er halte das aber für wahrscheinlich.
Das nach der Ministeriums-Intervention von 1983 umgetextete Gutachten ist bekannt. Darin plädierte die PTB immerhin noch für eine gleichzeitige oberirdische Erkundung anderer Standorte: "Parallel laufende übertägige Erkundungsmaßnahmen vermeiden Sachzwänge bei der Realisierung dieses Endlagers. Dies würde auch die Akzeptanz des Standortes Gorleben erhöhen." Bekanntermaßen lief es anders.