Straßburg: Grenznahes „Port du Rhin“: Mit dem Nato-Gipfel wurde alles schlimmer

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Erstveröffentlicht: 
10.04.2013

Das grenznahe Gebiet "Port du Rhin" in Straßburg hat den Glauben an die Zukunft verloren.

 

STRASSBURG/KEHL (BZ). Jahrelang lebten die 1300 Einwohner wie auf einer Insel oder in einem isolierten Dorf, fernab der Straßburger Innenstadt und ohne städtebauliche Verbindung. Viele wohnen in Sozialwohnungen, die überwiegende Mehrheit bezieht staatliche Hilfen. Dann kam der Nato-Gipfel und mit ihm die Verwüstungen im Viertel Port du Rhin, direkt am Rhein, gleich hinter der Europabrücke: Das Ibis-Hotel, die Apotheke, die ehemalige Touristen-Information, die Zollgebäude wurden von Autonomen abgefackelt. Auf die Zerstörung folgten die Versprechungen.

Weil die Sicherheitskräfte die Innenstadt beschützt hatten, hatte es das Viertel hart getroffen. So sahen es die Bewohner, die froh waren, dass sie durch das beherzte Eingreifen einiger Mütter wenigstens ihre Schule vor den Brandstiftern hatten retten können. OB Ries schlug beim damaligen Staatspräsidenten Sarkozy eine Entschädigung raus fürs Wohnviertel: zehn Millionen für die Anbindung durch die Tram, weitere vier für Sanierung und Umstrukturierung des Quartiers. Ziemlich genau vier Jahre später sind die Menschen enttäuscht: Es habe sich nichts geändert, sagen sie auf der Straße, und einige sagen es auch beim Bürgerabend neulich in der Rheinhafenschule. Dass gegenüber der angestammten Wohnbebauung ein Neubau-Viertel aus dem Boden wächst, das 1000 neue Bewohner bringen soll, vergrößert ihre Sorgen eher, als dass es sie beruhigt. Hier die Armen, dort die Reichen – so sehen viele die Aufteilung. Die wenigen kleinen Läden, die es im Viertel noch gibt, fürchten sie, würden dorthin abwandern, Lokale, die dort entstünden, würden den letzten Treffpunkten in ihrem Teil des Wohnquartiers den Garaus machen.

Viele glauben auch noch nicht an die Tram


Die Tram nach Kehl fänden viele gut, aber dass sie wirklich kommt, wollen sie noch nicht glauben. 2014, so war’s versprochen, würde die Tram von ihrem Viertel in die Straßburger Innenstadt fahren. Jetzt, heißt es, soll es Mitte 2016 werden. Dass es in ihrem Viertel einen Klinikneubau geben soll, interessiert sie nur dann, wenn dort auch Menschen aus dem Quartier eine Arbeit finden. Dass ihre Kinder in der schicken Krippe willkommen sein werden, welche die Städte Kehl und Straßburg für vier Millionen Euro, davon 1,7 aus Interreg-Mitteln, auf dem Gelände der Rheinhafenschule bauen, können sie nicht glauben. Das einzige Projekt, das vor ihren Augen Gnade findet, ist die Sanierung der Schule – für neun Millionen Euro. Endlich. Es sei ja keine Schule gewesen, sondern eher ein Gefängnis für die Kinder, schimpft eine Mutter.

Die schönen Stadträume, Plätze, Grünzonen, eine Verbindung zum Garten der zwei Ufer, alles hübsch, alles in Ordnung, finden viele Bewohner, die sich aber nicht wirklich vorstellen können, wie ihr Viertel einmal aussehen wird. Was sie plagt, sind ganz andere Sorgen: Das Ibis-Hotel, das beim Nato-Gipfel niedergebrannt wurde, ist längst abgerissen, aber mehr ist nicht geschehen. Durch die Brandmauer, die das angrenzende Haus vom Hotel getrennt hat, pfeift immer noch der Wind, die Plane, die das einst verhindern sollte, ist längst zerrissen. Zentralheizung wollen sie, sanierte Wohnungen, eine Metzgerei, Stätten der Begegnung, eine Turnhalle, einen Raum, in dem Feste stattfinden können, Arbeit für die Jugendlichen, jemand, der sich um sie kümmert, der ihnen Beschäftigung gibt und sie daran hindert, auf der Straße rumzuhängen.

Wenn man auf die Gespräche auf den Straßen hört, dann hat sich etwas verändert im Viertel seit dem Nato-Gipfel: Es ist schlimmer geworden.

 

Vor drei Jahren:

 

http://www.badische-zeitung.de/ortenaukreis/g-20-gipfel-nein-danke-sagen...