Das Sicherheitsrisiko in Calais: "Diese Woche ist nicht so wie sonst"

Polizei

Warum? Eine gute Frage und eine noch bessere Antwort: Weil es die Polizei sagt. Überall in der Stadt sind mit Polizei gefüllte Autos unterwegs. Wenn es ihnen danach ist, halten sie, die voll bewaffnete Einheiten springen raus und kontrollieren willkürlich Passant_innen. Hat eine_r zufällig ein Taschenmesser oder eine Nagelschere einstecken, dann kann es sein, dass dieser Gegenstand als "gefährliche Waffe" eingeschätzt und beschlagnahmt wird. Einfach so. Ohne Begründung, ohne Aushändigung einer Quittung, ohne dass die Polizei sich ausweisen würde.

 

Wenn den Polizist_innen danach ist, dann werden die Leute auf die Polizeistation mitgenommen - weil sie nach Meinung der Staatsgewalt ein "Sicherheitsrisisko" darstellen. Dies ist mittlerweile (an den ersten drei Tagen) schon mit einer zweistelligen Anzahl von Aktivist_innen des noborder Camps geschehen und bedeutet in der Folge, 24 Stunden festgehalten zu werden. Die Gefangenen werden fotografiert und ihre Fingerabdrücke abgenommen. Am nächsten Tag werden wieder freigelassen. In den Medien ist dann zu lesen, sie hätten "Waffen" mit sich geführt oder sonstiger Bullshit.

Eine Praxis, die sich die Polizei nicht für diese Woche ausgedacht hat, denn wie viele Migrant_innen erzählen, die hier auf die Möglichkeit warten, nach Großbritannien weiterzureisen, kann ihnen dies jederzeit geschehen, an jedem Tag, den sie in ihren behelfsmäßigen Unterkünften in Calais verbringen. Doch dazu mehr an anderer Stelle...

Zurück zum Sicherheitsrisiko. Dies besteht tatsächlich in Calais und Umgebung und trägt einen Namen: Staatsgewalt. Und diese weiß um ihre Rolle Bescheid, mit der sie Tag für Tag dafür sorgt, dass Menschen schikaniert und misshandelt werden.

Doch eines verträgt die Staatsgewalt nicht: Kritik. Sobald Leute es wagen, sich gegen den faschistoiden Ordnungswahn aufzulehnen, werden sie von der Staatsmacht gebrandmarkt - und als "Gefahr" bezeichnet.

Jetzt kann die berechtigte Frage gestellt werden, nach welchen Kriterien die Polizei die von ihr ernannte "Gefahr" erkennt? Die Antwort ist angesichts der gängigen Praxis nicht schwer: Zuerst werden rassistische Kriterien definiert, werden Methoden in der Praxis erprobt und in der Folge zum Gesetz erklärt. Ergänzt wird dies durch Kriterien sogenannten "abweichenden Verhaltens": Wer nicht der äußerlichen Norm entsprechend aussieht oder sich dieser gemäß verhält, gilt als verdächtig. Und wer all diesen Überwachungswahn, seine rassistische und faschistoide Systematik in Frage stellt, gilt als "Sicherheitsrisiko" bzw. als "Gefahr".

Doch drängen sich hier einige Fragen auf: Wer sperrt Menschen über Monate ein - ohne Gerichtsverfahren? Wer schiebt Menschen ab - mit extensiver und oft tötlicher Gewalt? Wer grenzt Menschen aus - um die eigenen Privilegien abzusichern?

Das rassistische System ist ein Machtinstrument, das oft im Verborgenen existiert. Hier in Calais ist es sichtbar und hat Auswirkungen auf alle Menschen. Auswirkungen, die die individuellen Freiheiten massiv einschränken - aber nicht nur für eine Woche. Der Überwachungsstaat wird mehr und mehr ausgebaut. Für viele Menschen sind permanente Kontrollen, Misshandlungen usw. längst zum Alltag geworden. Viele werden eingesperrt, nur weil ihnen entsprechende Dokumente fehlen, viele werden abgeschoben, weil ihnen die Rassist_innen das Recht auf Aufenthalt absprechen.

Dort wo die Grenze ohnehin immer spürbar ist, in Calais, macht das noborder Camp sichtbar, dass es letztendlich alle betrifft. Rassismus und Faschismus sind Unterdrückungsformen, die in das Leben aller Menschen eingreifen - bei manchen mehr, bei manchen weniger.