Vortrag: Die Wohnungsfrage im Kapitalismus

Warum explodieren die Mietpreise und warum steigt die Wohnungsnot? In sogenannten Ballungsgebieten steigen die Mietpreise unaufhörlich. Über vierzig Prozent des Nettolohns müssen Durchschnittsverdiener in Stuttgart mittlerweile für eine Wohnung zahlen. Selbst das extreme Schicksal der Obdachlosigkeit klettert in Deutschland – auch in Stuttgart, wo ca. 15.000 Wohnungen fehlen – auf immer neue Höchstmarken.

 

DGB, ver.di, Mieterverein, AWO, Mieterinitiativen u. a. Organisationen und Parteien rufen daher zum Protest auf. Sie sehen die Ursachen für Wohnungsnot und Mietpreisexplosion in „Versäumnissen der Politik“:

    • Kaum noch staatliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
    • Der Bund unterbindet „überhöhte Mieten bei Neuvermietungen“ nicht.
    • Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum und erweiterter Kündigungsschutz für Mieter bei Umwandlung in Eigentumswohnungen sind in Stuttgart seit 2001 abgeschafft.
    • Abwälzung der energetischen Modernisierung auf die Mieter.

Könnte es nicht sein, dass es sich dabei gar nicht um „Versäumnisse der Politik“ handelt? Denn diese Zahlen, hinter denen sich drastische Einschränkungen des Lebensstandards der Arbeitnehmerhaushalte, ja „menschliche Schicksale“ verbergen, stehen für einen in der Marktwirtschaft absolut erfreulichen Umstand: Sie zeugen nämlich davon, dass die Eigentümer von Boden und Mietshaus ein blendendes Geschäft machen, wenn sie weit über ein Drittel des Einkommens der arbeitenden Bevölkerung in ihre Kassen lenken, Tendenz steigend. Ein schönes Plus für das Vermögen dieser Eigentümer! Hat der Staat etwas dagegen? Im Gegenteil: Er rechnet dieses Plus in die Zahlen ein, mit denen er das Wirtschaftswachstum des deutschen Standortes bilanziert und damit den Erfolg seiner Wirtschaftspolitik ausweist. Steigende Mieten, die für die Lohnabhängigen schrumpfendes Einkommen für den Lebensunterhalt, also wachsende Not, bedeuten, lassen die Grundstückwerte und die Gewinne der Wohnungswirtschaft steigen, sind im Kapitalismus also ein Beitrag zum Wachstum der Wirtschaft.

 

So ist die elementare Frage nach einem Dach über dem Kopf auch nach 150 Jahren kapitalistischen Wachstums nicht erledigt. Im Gegenteil, das pure Wohnen ist für viele ein kaum bezahlbarer Luxus.

 

Warum ist das so?

    • Ein Stück Boden braucht jeder. Industrielle benötigen ihn als Standort für eine Fabrik, Private als Unterlage für eine Behausung. Warum ist es in einem modernen Staat eigentlich selbstverständlich, dass jedes Fleckchen Erde Privateigentum ist, an das man nur herankommt, wenn man den Grundeigentümern dafür einen erklecklichen Teil seines Einkommens abtritt?
    • Wie machen Grundeigentümer aus einem Stück Erde Geld? Produktionskosten fallen dafür ja nicht an, und Pacht oder einen Grundstückspreis erzielt auch das gänzlich unbebaute Gelände.
    • Wie vollzieht sich die Preisbildung für dieses Gut? Die Erfahrung lehrt so viel: Schöne Lagen sind für den gewöhnlichen Wohnungssuchenden meistens nicht bezahlbar, bezahlbare Lagen selten schön. In attraktiven Innenstadtvierteln machen sich Banken, Verwaltungen und Kommerz breit. Die Mehrheit bevölkert Wohnblocks, am Ende gar in Problemvierteln.
    • Wie geht der Sozialstaat mit der allgemeinen Notlage um, die die Grundeigentümer damit unter der arbeitenden Bevölkerung anrichten? Warum macht der Staat Gesetze zur Mietpreissteigerung – „Kappungsgrenze“, „Vergleichsmiete“ –, mit denen er keine Erhöhung der Mieten verhindert, sondern ihren Anstieg dosiert und so garantiert? Und warum springt der Staat mit Wohngeld und anderen Mietzuschüssen ein, bevor er ange-sichts mangelhafter Zahlungsfähigkeit der proletarischen Kundschaft seinen Grundeigentümern einen Ein-nahmeverzicht zumutet? Warum sichert er damit dieser Sorte Eigentümer ein Geschäft, das der Geldbeutel vieler Lohnabhängiger offenbar nicht hergibt?

Diese Fragen und damit auch die Fragen

Warum explodieren die Mietpreise & warum steigt die Wohnungsnot?
möchten wir in einem Vortrag mit Diskussion klären.

 

Vortrag mit Diskussion

Die Wohnungsfrage im Kapitalismus

Wann: Dienstag, 09. April 2013, 19.30 Uhr
Wo: Karlsruhe, Werderstr. 28, Planwirtschaft

 

Kapital-Lesekreis Karlsruhe