Ein persönlicher Bericht zur Parade »Wrocław Dla Wszystkich« (»Wrocław für alle«) am 23. März 2013. Von einer weiß positionierten Trans*person aus Berlin.
Bei Indymedia [1] erfuhr ich von der Parade »Wrocław Dla Wszystkich«, da dort die deutsche Übersetzung des Aufrufes veröffentlicht wurde. Auf der Facebookseite [2] gab es den Aufruf zudem noch auf Polnisch, Englisch und Spanisch. Da ich den Anlass der Parade unterstützenswert fand und schon vorher gerne einmal nach Wrocław wollte, entschied ich mich, zur Parade zu fahren.
Die Teilnehmer_innen der Parade trafen sich am 23. März 2013 um 16 Uhr am Platz Wróblewskiego. Als ich ankam waren ca. 200 Menschen dort. Die Polizei war zwar mit mehreren Kleinbussen vor Ort, diese standen aber relativ weit weg vom Sammelpunkt. Die Polizist_innen waren sehr zurückhaltend; Kontrollen von Teilnehmer_innen habe ich nicht mitbekommen. Auch Vermummung war kein Problem, was eventuell an der Gesetzeslage in Polen liegt.
Beim Betrachten der Teilnehmer_innen fiel mir als erstes eine größere Gruppe von schwarz gekleideten und größtenteils vermummten Menschen auf, von denen viele schwarz-rote und zwei schwarz-grüne Fahnen trugen. [3] Sie bildeten einen eigenen kleinen Block. Auf dem Fronttransparent standen Parolen gegen Diskriminierung, Nationalismus und Rassismus. Kurz bevor die Parade starten sollte, kam eine Person, die ich als männlich wahrnahm, aus diesem Block heraus auf mich zu und sprach mich in leicht gereiztem Ton an. Ich wurde gefragt, ob ich Deutsch sprechen würde, was ich bejahte. Als ich fragte, was das Problem sei, war die Antwort: »Because you're transgender.« (»Weil Du transgender bist.«) Im Verlauf des Gespräches riss die Person mein Schild von dem Stock ab, an dem es befestigt war. Auf dem Schild stand auf der einen Seite »Be your own gender« (»Sei Dein eigenes Geschlecht«) und auf der anderen Seite »Nie dla Transfobii!« (»Nein zu Transphobie!«) Nachdem mehrere Personen das Gespräch auf Polnisch weiterführten – ich spreche nur einige wenige Worte Polnisch – beruhigte sich die Situation und die Person aus dem Block ging wieder weg.
Kurz darauf startete die Parade mit vier Trucks auf denen DJ_anes verschiedene Musikrichtungen auflegten. Die Zahl der Teilnehmer_innen hatte sich inzwischen auf ca. 1000 vergrößert; die Veranstalter_innen sprachen nach der Parade von mehr als 1200 Menschen. Die Parade war keine ›klassische‹ Demo, weshalb auch keine Parolen gerufen wurden. Vielmehr war es eine wortwörtlich bunte Parade mit Luftballons, Seifenblasen, Menschen auf Stelzen und Tanzen. Das Anliegen der Parade wurde sowohl mit Transparenten und Schildern als auch mit Durchsagen vom Lautsprecherwagen vermittelt.
Bei ähnlichen Veranstaltungen in Wrocław gab es in der Vergangenheit häufiger Stress mit Nazis und anderen unangenehmen Menschen, z.B. im Oktober 2012 bei einer queeren Demo, gegen die Nazis eine Gegendemo machten. [4] Bei der jetzigen Parade gab es zwar keine Gegendemo; allerdings provozierten einige Nazis am Rande der Parade mit dem Zeigen des Hitlergrußes. [5]
Das Wetter war zwar anfangs sonnig, später allerdings sehr kalt mit Temperaturen um -8 °C. Die Stimmung war trotz der klirrenden Kälte ziemlich gut, was sicher auch an der Unterstützung einer Sambaband gelegen hat.
Die Atmosphäre auf der Parade habe ich als entspannt und offen wahrgenommen, nicht zuletzt deshalb, weil das eine oder andere Lächeln zu sehen war. Diese Atmosphäre wurde zum Teil ein wenig dadurch getrübt, dass an mehreren Stellen behelmte Polizei am Rand der Demo auftauchte, einmal auch mit Schildern. Da ich die Situation aufgrund fehlender Erfahrung nur schwer einschätzen konnte, hat mich die Polizeipräsenz ein wenig verunsichert. Passiert ist jedoch nichts.
Von den Reden, die gehalten wurden, habe ich immer nur einzelne Bruchstücke von Teilnehmer_innen der Parade übersetzt bekommen. Es wurde sich beispielsweise gegen jegliche Diskriminierung im Allgemeinen und gegen Rassismus, Sexismus Homophobie im Speziellen ausgesprochen. Am Ende der Parade sprach noch ein Syndikalist (vermutlich von ZSP [6]), der z.B. auch Kämpfe von Arbeiter_innen ansprach und eine Vertreter_in von Q Alternatywie [7], die das Thema Queer zur Sprache brachte. Danach wurde noch eine Feuershow zum Besten gegeben. Anschließend fand eine Soliparty statt, bei der es kostenfrei leckeres veganes Essen gab. Außerdem fand ein Punk-Konzert und eine Party statt.
Es war für mich eine spannende Erfahrung an einer autonomen antirassistischen (queer-)feministischen Parade in einem anderen Land teilzunehmen. Eine solidarische Teilnahme (nicht nur) von Aktivist_innen aus dem Ausland an dieser Parade und ähnlichen Veranstaltungen halte ich zudem für überaus wichtig, da Veranstaltungen gegen Diskriminierung, z.B. Gay/Queer-Pride-Paraden noch viel zu häufig zur Zielscheibe von faschistischer Gewalt werden.
Bilder: http://wroclaw.gazeta.pl/wroclaw/51,35771,13605655.html?i=0
[1] http://de.indymedia.org/2013/03/342399.shtml
[2] https://www.facebook.com/WroclawDlaWszystkich
[3] Bild des Blocks: http://bi.gazeta.pl/im/90/cc/cf/z13618320Q,Uczestnicy-parady--Wroclaw-dl...
[4] http://www.gazetawroclawska.pl/artykul/671937,nietolerancyjny-wroclaw-gd...
[5] http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ULSY4ZdXW4U
[6] Związek Syndykalistów Polski. http://www.zsp.net.pl
[7] http://qalternatywie.pl