68 Jahre Zeit – Und keinen Moment hinterfragt? Mit dem Agnes-Miegel-Kult brechen!

Flyer

Ende März ist es wieder soweit! Die Mitglieder der Agnes-Miegel-Gesellschaft rufen zu ihren alljährlichen „Agnes-Miegel-Tagen“ im Hotel Hannover auf. Am 22. und 23. März 2013 soll in der Schaumburg-Lippischen Kurstadt Bad Nenndorf einmal mehr der Vertriebenendichterin († 1964) gehuldigt werden. Miegel war eine völkische Literatin sowie glühende Unterstützerin des deutschen Faschismus und seines „Führers“. Sie ist seit Jahrzehnten Gegenstand eines revanchistisches Kultes, dessen Hauptpilgerstätte Bad Nenndorf ist. Die ortsansässige Agnes-Miegel-Gesellschaft fördert die Verklärung der überzeugten Nationalsozialistin durch Relativierung und Entpolitisierung. Die Stadt tut das Ihrige und lässt das Andenken an sie durch öffentliche Denkmäler fortleben. Vor diesem Hintergrund rufen wir zu Protest auf!


Am 23. März wird die Zusammenkunft zu Ehren der nationalsozialistischen Dichterin im Hotel Hannover nicht unwidersprochen bleiben. Wir tragen unseren Unmut auf die Straße und vor den Versammlungsort. Unser Anliegen ist eine geistig-moralische Wende in der Kommune und ein Ende der städtischen Unterstützung im Sinne der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Wir fordern eine Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße und des gleichnamigen Platzes sowie eine Entfernung ihrer Statue aus dem Stadtpark.
Das Ziel ist klar: Mit dem Agnes-Miegel-Kult brechen!

 

Miegel- Resolution

Am 23. März 2013 wird es nach fünf Jahren eine erneute Demonstration gegen den „Agnes-Miegel-Kult“ in Bad Nenndorf geben. Das Antifa Infoportal Wester / Deister / Leine ruft dazu auf den Widerspruch zu dieser Veranstaltung auf die Straße zu tragen. Wir fordern ein Umdenken in der Erinnerungskultur Bad Nenndorf.

 
Agnes Miegel (*1879; †1964), Ehrenbürgerin dieser Stadt, Dichterin und Ostpreußenvertriebene, war in ihrer Hauptschaffenszeit, maßgeblich von 1933 bis 1945, weder unpolitisch noch unschuldig. Ein halbes Jahrzehnt nach unserer letzten Wortmeldung sehen wir uns in der Pflicht, ein weiteres Mal in die eingeschlafene Diskussion um eine umstrittene Regionalikone zu intervenieren.


68 Jahre Zeit und keinen Moment hinterfragt?

Geboren 1879 im heutigen Kaliningrad, wurde die Dichterin schon in jungen Jahren durch ihr literarisches Talent bekannt. Ihren Durchbruch erlangte sie als Heimatdichterin. Miegels lyrische und prosaische Rückbesinnungen auf Heimat und Vaterland, Scholle und Volk machten sich besonders ab 1933 bezahlt, als die völkische Bewegung ihren Marsch durch die Institutionen feierte.
Die Dichterin verstand es, sich im Sinne des Nationalsozialismus in Szene zu setzen und bereits im Jahr der Machtübergabe begann eine wechselseitig profitable Beziehung zwischen ihr und dem entstehenden NS-Staat. Sie gelobte Hitler am 26. Oktober des selben Jahres und im Verbund anderer Künstler, offiziell die Treue.
Während die Bücher in den Universitätshöfen Deutschlands brannten ernannte man Miegel zum Mitglied in der Preußischen Akademie der Künste. Den Preis der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung erhielt sie 1936. Damals begann in den deutschen Konzentrationslagern die „Reinigung des deutschen Volkskörpers“.
Als im Jahre 1938 die Synagogen in Flammen aufgingen, tausende Juden verhaftet, erschlagen und in die KZ’s verschleppt wurden, versicherte sie Adolf Hitler und der deutschen Volksgemeinschaft die Treue mit den Worten:

„[…]Lass Deine Hand Führer! Uns vor aller Welt bekennen: Du und wir, nie mehr zu trennen, stehen ein für unser Vaterland![…]“
(Dem Führer, 1938).

Nach dem deutschen Überfall auf Polen rief sie die deutsche Jugend zum Kampf auf (An die deutsche Jugend, 1939) und lobte den Ostfeldzug als Rückeroberung urgermanischer Gebiete im Sinne der „Ahnen“ (Ostland, 1940).
Agnes Miegel war ab 1940 Mitglied der NSDAP und galt als eine der wichtigsten Dichterinnen Deutschland. 1943 wurde sie in die nationalsozialistische „Gottbegnadetenliste“ aufgenommen – auf Grund ihres propagandistischen Wertes für das Regime wurde sie hiermit vom körperlichen Arbeitsdienst ausgenommen.

Bis zu ihrem Tode 1964 distanzierte sie sich nie öffentlich vom Nationalsozialismus und betrachtete ihre Verstrickungen in das NS-System als Privatsache.
Und auch wenn sie nach Befreiung vom Nationalsozialismus nicht mehr im gleichen Maße literarisch aktiv war, hielt ihr Ruhm, zumindest in der zukünftigen BRD, weiter an.

 

Im Epizentrum der Bewegung

Im besonderen Maße spielt das Andenken an die Dichterin in Bad Nenndorf eine Rolle.
Nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg lebte und wirkte die gebürtige Königsbergerin bis zu ihrem Tod in der niedersächsischen Kurstadt. Ihr ehemaliges Wohnhaus dient dort seit 1969 als Museum. Betrieben wird es von der Agnes-Miegel-Gesellschaft, einem Verein, dessen Ziel es ist „das Andenken der Dichterin zu bewahren und in der Öffentlichkeit lebendig zu erhalten“.
Lesungen, Rezitationen und Veranstaltungen zum Thema Miegel verteilen sich über das gesamte Kalenderjahr. Die Ende März in einem überregionalen Rahmen stattfindenden „Agnes-Miegel-Tage“ markieren jeweils den Höhepunkt dieser Aktivitäten.
Städtische Unterstützung findet die Verehrung im Erhalt der Agnes-Miegel-Straße, eines gleichnamigen Platzes, ihres Grabes sowie ihres in Bronze gehauenen Abbildes an bevorzugter Stelle im örtlichen Kurpark. Sie gilt weithin als ein kulturelles Aushängeschild der Stadt.

Fäuste gegen Wände…

Bereits vor einigen Jahren hatte sich auf regionaler Ebene eine Diskussion entwickelt, die sich durchaus kritisch mit der Glorifizierung Miegels auseinandersetzte. Wenn auch keine endgültige Distanzierung zu den Aktivitäten der Agnes-Miegel-Gesellschaft innerhalb der Samtgemeinde Nenndorf oder in den diversen Regionalzeitungen vollzogen wurde, blieb die Zustimmung ihres Idols zum Nationalsozialismus zumindest erwähnenswert.
Derweil ist der Miegelkult nunmehr im Begriff sich vollständig zu rehabilitieren. Die Kritik von öffentlicher Seite wird leiser, die Debatten um Straßennamen und städtische Unterstützungsleistungen sind verebbt.
Erst Ende 2011 beschloss der Rat der Stadt Bad Nenndorf, wenn auch nur mit knapper Mehrheit, die Laufzeit ihrer Grabstelle zu verlängern. Die CDU ließ damals hierzu gar verlauten, Miegel hätte „die Dummheit, mit Adolf Hitler ‚einem der größten Verbrecher der Weltgeschichte ein Loblied zu schreiben‘ mit Flucht aus Ostpreußen“ bezahlt – als wären damit Miegels Verstrickung in NS-Organisationen gesühnt.
Derartige Bemerkungen empfinden wir als zynisch. Gerade wenn man den Preis, den sie für ihre Unterstützung des Vernichtungsregimes zahlte mit dem Preis der Millionen Ermordeten, die im Visier eben jenes Regimes standen vergleicht.
Die symbolische Bedeutung der Grabstelle für die Verehrung der Dichterin ist eindeutig. Ebenso die der Agnes-Miegel-Straße, des gleichnamigen Platzes und ihrer Statue im Kurpark. Dass Agnes Miegel bis heute Ehrenbürgerin der Stadt ist, ist für uns schlichtweg unfassbar. Es ist nicht hinnehmbar.

 

…denn die Mauern sind zu hoch

Während anderswo längst Umbenennungen vollzogen worden, sperrt sich Bad Nenndorf noch immer gegen das Umdenken. Wirft man einen Blick in benachbarte Städte, beispielsweise nach Rinteln, wo der nach dem ebenfalls nationalsozialistischen Publizisten benannte Heinrich-Sohnrey-Weg kürzlich für untragbar erklärt wurde, stimmt uns das nachdenklich.
Denn gerade im Hinblick auf die jährlichen neonazistischen Aufmärsche halten wir die Distanzierung von den Nationalsozialist_innen von gestern für notwendig. Vorausgesetzt die Stadt möchte glaubwürdig bleiben in ihrer Ablehnung gegenüber den Neonazis von heute.

 

Quo vadis, Bad Nenndorf?

Unsere Forderungen sind daher klar.
Es muss ein Umdenken geben. Sowohl in der Samtgemeinde selbst, als auch in der Beurteilung der Situation in der Stadt im größeren Rahmen.
Eine aktive Nationalsozialistin kann kein kulturelles Aushängeschild einer demokratischen Gemeinde sein. Die Unterstützung die Miegel dem NS-Regime leistete, bindet sie unweigerlich an dessen Menschheitsverbrechen. Allen Relativierungen zum Trotz kann und darf Agnes Miegel kein Vorbildcharakter unterstellt werden. Dies aber geschieht momentan im Rahmen der Nenndorfer Erinnerungskultur.
Eine Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße, des nach ihr benannten Platzes und die Entfernung der ihr gewidmeten Statue aus dem Kurpark halten wir daher für angemessene erste Schritte für einen längst überfälligen Wandel.


Dieses Anliegen werden wir aus gegebenen Anlass auf die Straße tragen