Aus aktuellem Anlass sei an dieser Stelle ein Offener Brief dokumentiert, den Antirassist_innen aus Sachsen-Anhalt gestern der Bürgermeisterin von Vockerode zukommen haben lassen. Der Anlass: am kommenden Samstag, den 9.2. führt der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld der NPD einen "Infotisch" in Vockerode durch um erneut gegen die seit Kurzem im Dorf lebenden Flüchtlinge zu hetzten.
Offener Brief zu den Entwicklungen in Vockerode bezüglich der Unterbringung von Flüchtlingen und zu den geplanten Aktivitäten der NPD
Sehr geehrte Frau Luckmann,
mit Sorge haben wir die jüngsten Entwicklungen um die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen in Vockerode verfolgt. Trotz des seit über vier Jahren währenden Engagements der Flüchtlinge für ein menschenwürdiges Leben und Wohnen, siehe z.B. die Petition der Flüchtlingsinitiative Wittenberg vom Dezember 2012, in welcher wiederholt eine dezentrale Unterbringung gefordert wurde, blieb es beim leeren Versprechen des Landkreises Wittenberg eine solche zu ermöglichen.
Am Tage des Zwangsumzugs der Flüchtlinge wurden Bürger_innen aus Vockerode vereinzelt nach ihren Meinungen zu ihren neuen Nachbarn gefragt. Diese enthielten von vornherein diverse Vorurteile gegen Flüchtlinge, Migrant_innen, „Ausländer“. Wie Sie selbstverständlich wissen, verteilten die NPD-Kreisverbände Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld am 10. Januar 2013 Flyer, um über ihr menschenverachtendes Weltbild zu informieren. Wie auch in den Wahlkämpfen der NPD wurde in den verteilten Flyern unverblümt ihre „Lösung des Problems“ benannt. So hieß es beispielsweise: „Mit uns wird es diese Art von Ausländerpolitik nicht mehr geben. Wirtschaftsflüchtlinge, […] und kriminelle Elemente werden ohne viel Palaver in ihre Herkunftsländer überführt.“ Weiterhin zogen sie in dem Flyer eine Parallele zu den Zuständen in Insel, in dem sie sich als glorreiche Retter der „armen, ungehörten“ Bürger_innen von Insel darstellten: „Die Bürger von Vockerode sollten ihren Blick z.B. zum Altmarkdorf Insel wenden. […] , (dort) gab die NPD den Bürgen von Insel eine Stimme. Deshalb liegt es jetzt bei den Bürgern von Vockerode, ob sie ihren bisher friedlichen Ort zu einem zweiten Insel werden lassen […] Die Unterstützung der NPD wäre den Bürgern dafür jedenfalls sicher!“
Uns ist bewusst, dass Sie und die Bürgerinitiative sich offiziell von der Zusammenarbeit mit jeglichen Neonazistrukturen distanzieren. Dies unterstützen wir vollkommen. Wir denken sogar, dass es in dieser Situation fatal wäre, „Infostände“ der NPD, wie angekündigt, zuzulassen. Wir nahmen auch an dem Gründungstreffen der Bürgerinitiative am 25. Januar teil. Unser Eindruck der Stimmung in Vockerode lässt sich wie folgt beschreiben: Die Flüchtlinge werden von den Anwohner_innen zu Sündenböcken gemacht, obwohl die Verantwortung und Klärung der auftretenden Probleme klar dem Landkreis obliegt („Müllproblem“, unzureichende Busverbindungen, fehlender Informationsfluss). Ein Zitat von Ihnen ist uns noch immer präsent im Kopf: „Es ist ein steiniger Weg, der in keine rechtsradikale Schublade gesteckt werden darf“. In den Beiträgen der meisten Bürger_innen wurden jedoch massiv rassistische, ignorante Vorurteile reproduziert. Es solle ein „Abbau der Ausländer auf ein erträgliches Maß“ erfolgen. Man kenne „das Problem“, „Die Asylbewerber sollen irgendwo leben, aber es muss ja nicht in Vockerode sein“, „Wenn Vockerode nun schon die Flüchtlinge nehmen muss, sollen wenigstens auch Gelder für die Ortskasse fließen“, „Sollen WIR jetzt auswandern?“, „Man kann die ja an den Waldrand packen, wo sie keiner sieht“ und „Als die das erste Mal Randale gemacht haben, hatte ich gleich am nächsten Tag ein Formular von der NPD im Briefkasten. Ich muss ja sagen, dumm sind die nicht.“ Nebenbei vernahmen wir etliche Bemerkungen, die direkt an die anwesenden Flüchtlinge gerichtet wurden, wie z.B. „Geh zurück nach Afrika.“ oder „Zwei Zimmer für vier Leute: das reicht doch!“ Und auch bei unserem letzten Besuch in Vockerode vergangene Woche berichteten uns die Flüchtlinge von verbalen Angriffen am heller lichten Tag auf offener Straße seitens verschiedener Bürger_innen: „Verpisst euch Neger!“ Die Stimmung unter den betroffenen Menschen lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Angst.
Eine einzige Stimme mahnte am Ende der Bürgerversammlung auf ein Miteinander und forderte gesamt Vockerode auf, in den Dialog zu treten. Es müsse gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Dieser Meinung sind wir auch. Wir schließen uns der Forderung der Initiative nach der „Schaffung einer Plattform zur offenen Diskussion und Information“ an, denn es sollte unserer Meinung vorrangig darum gehen, kontinuierlich Vorurteile und Rassismen abzubauen.
Wir vermuten, dass durch die NPD Stände „Öl ins Feuer“ gekippt werden würde. Daher wenden wir uns an Sie, um Sie mit Nachdruck zu bitten, u.a. auf rechtlichem Wege alles Mögliche zu tun um menschenverachtenden Einstellungen keinen Raum zu geben und die von der NPD geplanten „Infostände“ zu verhindern.
Wir schätzen Ihr bisheriges Engagement hoch und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
Mehr Infos zu Samstag:
Für den 9. Februar wurde durch die NPD ein Informationsstand in Vockerode angemeldet.
Dieser soll auf dem Parkplatz der Gasstätte „Zur Linde“ von 8- 18 Uhr stattfinden. Die Gasstätte befindet sich ca. 100 Meter von den Blocks entfernt, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind. Voraussichtlich möchte die NPD diese Aktion alle zwei Wochen durchführen...
mit Sorge haben wir die jüngsten Entwicklungen um die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen in Vockerode verfolgt. Trotz des seit über vier Jahren währenden Engagements der Flüchtlinge für ein menschenwürdiges Leben und Wohnen, siehe z.B. die Petition der Flüchtlingsinitiative Wittenberg vom Dezember 2012, in welcher wiederholt eine dezentrale Unterbringung gefordert wurde, blieb es beim leeren Versprechen des Landkreises Wittenberg eine solche zu ermöglichen.
Am Tage des Zwangsumzugs der Flüchtlinge wurden Bürger_innen aus Vockerode vereinzelt nach ihren Meinungen zu ihren neuen Nachbarn gefragt. Diese enthielten von vornherein diverse Vorurteile gegen Flüchtlinge, Migrant_innen, „Ausländer“. Wie Sie selbstverständlich wissen, verteilten die NPD-Kreisverbände Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld am 10. Januar 2013 Flyer, um über ihr menschenverachtendes Weltbild zu informieren. Wie auch in den Wahlkämpfen der NPD wurde in den verteilten Flyern unverblümt ihre „Lösung des Problems“ benannt. So hieß es beispielsweise: „Mit uns wird es diese Art von Ausländerpolitik nicht mehr geben. Wirtschaftsflüchtlinge, […] und kriminelle Elemente werden ohne viel Palaver in ihre Herkunftsländer überführt.“ Weiterhin zogen sie in dem Flyer eine Parallele zu den Zuständen in Insel, in dem sie sich als glorreiche Retter der „armen, ungehörten“ Bürger_innen von Insel darstellten: „Die Bürger von Vockerode sollten ihren Blick z.B. zum Altmarkdorf Insel wenden. […] , (dort) gab die NPD den Bürgen von Insel eine Stimme. Deshalb liegt es jetzt bei den Bürgern von Vockerode, ob sie ihren bisher friedlichen Ort zu einem zweiten Insel werden lassen […] Die Unterstützung der NPD wäre den Bürgern dafür jedenfalls sicher!“
Uns ist bewusst, dass Sie und die Bürgerinitiative sich offiziell von der Zusammenarbeit mit jeglichen Neonazistrukturen distanzieren. Dies unterstützen wir vollkommen. Wir denken sogar, dass es in dieser Situation fatal wäre, „Infostände“ der NPD, wie angekündigt, zuzulassen. Wir nahmen auch an dem Gründungstreffen der Bürgerinitiative am 25. Januar teil. Unser Eindruck der Stimmung in Vockerode lässt sich wie folgt beschreiben: Die Flüchtlinge werden von den Anwohner_innen zu Sündenböcken gemacht, obwohl die Verantwortung und Klärung der auftretenden Probleme klar dem Landkreis obliegt („Müllproblem“, unzureichende Busverbindungen, fehlender Informationsfluss). Ein Zitat von Ihnen ist uns noch immer präsent im Kopf: „Es ist ein steiniger Weg, der in keine rechtsradikale Schublade gesteckt werden darf“. In den Beiträgen der meisten Bürger_innen wurden jedoch massiv rassistische, ignorante Vorurteile reproduziert. Es solle ein „Abbau der Ausländer auf ein erträgliches Maß“ erfolgen. Man kenne „das Problem“, „Die Asylbewerber sollen irgendwo leben, aber es muss ja nicht in Vockerode sein“, „Wenn Vockerode nun schon die Flüchtlinge nehmen muss, sollen wenigstens auch Gelder für die Ortskasse fließen“, „Sollen WIR jetzt auswandern?“, „Man kann die ja an den Waldrand packen, wo sie keiner sieht“ und „Als die das erste Mal Randale gemacht haben, hatte ich gleich am nächsten Tag ein Formular von der NPD im Briefkasten. Ich muss ja sagen, dumm sind die nicht.“ Nebenbei vernahmen wir etliche Bemerkungen, die direkt an die anwesenden Flüchtlinge gerichtet wurden, wie z.B. „Geh zurück nach Afrika.“ oder „Zwei Zimmer für vier Leute: das reicht doch!“ Und auch bei unserem letzten Besuch in Vockerode vergangene Woche berichteten uns die Flüchtlinge von verbalen Angriffen am heller lichten Tag auf offener Straße seitens verschiedener Bürger_innen: „Verpisst euch Neger!“ Die Stimmung unter den betroffenen Menschen lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Angst.
Eine einzige Stimme mahnte am Ende der Bürgerversammlung auf ein Miteinander und forderte gesamt Vockerode auf, in den Dialog zu treten. Es müsse gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Dieser Meinung sind wir auch. Wir schließen uns der Forderung der Initiative nach der „Schaffung einer Plattform zur offenen Diskussion und Information“ an, denn es sollte unserer Meinung vorrangig darum gehen, kontinuierlich Vorurteile und Rassismen abzubauen.
Wir vermuten, dass durch die NPD Stände „Öl ins Feuer“ gekippt werden würde. Daher wenden wir uns an Sie, um Sie mit Nachdruck zu bitten, u.a. auf rechtlichem Wege alles Mögliche zu tun um menschenverachtenden Einstellungen keinen Raum zu geben und die von der NPD geplanten „Infostände“ zu verhindern.
Wir schätzen Ihr bisheriges Engagement hoch und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt
Mehr Infos zu Samstag:
Für den 9. Februar wurde durch die NPD ein Informationsstand in Vockerode angemeldet.
Dieser soll auf dem Parkplatz der Gasstätte „Zur Linde“ von 8- 18 Uhr stattfinden. Die Gasstätte befindet sich ca. 100 Meter von den Blocks entfernt, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind. Voraussichtlich möchte die NPD diese Aktion alle zwei Wochen durchführen...