Die Untergrund-Neonazis

Erstveröffentlicht: 
01.02.2013

Hammerskins

Über Hammerskins ist wenig bekannt, dabei arbeitet die Extremistengruppe längst grenzüberschreitend. Die Neonazis sind gefährlicher als bisher bekannt.

 

Ein "Wanderverein" hatte die Sporthalle in Fürth am vergangenen Wochenende für eine Party gebucht. Den Anwohnern im südhessischen Odenwald fiel auf, dass viele der "Vereinsmitglieder" Glatze und Springerstiefel trugen: Es waren Skinheads. Und zwar keine Nazis aus der Region, sondern Funktionäre der "Hammerskin Nation" aus mehreren europäischen Ländern.

 

Szenekenner halten die Hammerskins für eine der gefährlichsten Neonazi-Organisationen überhaupt. Sie verhält sich besonders konspirativ und ist stramm hierarchisch organisiert. In den Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern wird sie bisher nur knapp erwähnt. Das hessische Landesamt formuliert es so: "Hammerskins treten im Vergleich zu sonstigen subkulturell orientierten Rechtsextremisten eher selten mit Straf- und Gewalttaten in Erscheinung".

 

Jeder zweite ist straffällig


Eher selten? Ein interner Bericht des Bundeskriminalamts (BKA), der ZEIT ONLINE vorliegt, spricht von 193 namentlich bekannten Mitgliedern und Sympathisanten der Hammerskins in Deutschland. "Nur zu 45 Prozent", heißt es, lägen Erkenntnissen zu Straftaten vor – also von immerhin fast jedem zweiten Mitglied. Gewaltdelikte seien aber nur "in wenigen Fällen" darunter.

 

Die Ideologie der 1986 in den USA gegründeten "Bruderschaft" jedenfalls hat es in sich. Ihr Motto sind die "14 words" von David Lane: "Wir müssen die Existenz unserer Rasse und die Zukunft für die weißen Kinder sichern." Lane saß von 1984 bis zu seinem Tod 2007 im Gefängnis, weil er beim Mord am jüdischen Radiomoderator Alan Berg geholfen hatte. Auch der Attentäter, der im August 2012 in einem Sikh-Tempel in Wisconsin sechs Menschen und dann sich selbst erschoss, soll Hammerskin gewesen sein.

 

Der BKA-Bericht beschreibt, warum die seit Anfang der neunziger Jahre auch in Deutschland tätigen Hammerskins so schwer zu fassen sind: Sie tragen ihre Symbole – etwa die aus dem Pink-Floyd-Film The Wall geklauten gekreuzten Hämmer – nur bei internen Treffen, sie geben sich auch nicht bei Veranstaltungen anderer Neonazi-Gruppen zu erkennen. Wer Informationen über die Hammerskins preisgibt, gilt als Verräter. Nicht nur Sicherheitsbehörden und politische Gegner, auch Konkurrenten in der Skinheadszene sollen keinen Einblick erhalten.

 

Wobei die alte Feindschaft zum in Deutschland verbotenen Netzwerk Blood & Honour offenbar einem Burgfrieden Platz gemacht hat. Im November feierten rund 2.000 Angehörige beider Gruppierungen nach generalstabsmäßiger Vorbereitung gemeinsam im deutsch-französischen Grenzgebiet das "Hammerfest" mit Rechtsrock-Bands wie Sturmwehr. Liedtext: "Wir werden Terroristen sein, wir räumen hier auf, wir räuchern sie aus, macht der Rattenbande den Garaus."

 

Schießübungen im Ausland und Verbindungen zur NSU

 

In der Musikbranche verdient auch der Mann sein Geld, der hinter dem Treffen im Odenwald stehen dürfte. Szenekenner vermuten, dass Malte R. hinter dem Treffen steckt: Er kommt aus dem nicht weit entfernten Ludwigshafen betreibt ein Label und einen Vertrieb. Er gilt als Anführer des "Chapter Westmark", laut BKA-Bericht die "führende Struktur" der Hammerskin-Division Deutschland.

 

Malte R. unterhalte gute Kontakte "zu verschiedenen Kameradschaften und zu NPD-Funktionären", steht beim BKA. Medienberichten zufolge hat er auch Kontakte mit dem Umfeld der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Der Kampfsportler soll mit einer Neonazi-Schlägertruppe namens Lunara ("Ludwigshafener Nazis und Rassisten") verbunden sein und mit ihr Schießübungen im Ausland veranstaltet haben.

 

Szenekenner glauben, dass Malte R. auch europaweit zur Hammerskin-Führungsfigur aufgestiegen ist. Ein Indiz dafür ist das Europa-Treffen im Odenwald. Aus Antifa-Kreisen kam zuerst der Hinweis, dass internationale Hammerskin-Kader ein "European Officers Meeting" abhalten wollten. Das hätten auch die Autokennzeichen der Teilnehmer gezeigt. Der hessische Verfassungsschutz hat mittlerweile bestätigt, dass Hammerskins "aus Deutschland und dem europäischen Ausland" nach Fürth gekommen waren.

 

Probezeit vor Aufnahme

 

Die Hammerskins sind ähnlich organisiert wie Rockerbanden, zum Beispiel die Hells Angels. Wer Mitglied werden will, muss eine Probezeit absolvieren und eine "mehrjährige aktive Zugehörigkeit" (BKA) zur rechtsextremen Szene nachweisen. Wer sich nicht an Disziplin und Verschwiegenheit hält oder seinen Alkoholkonsum nicht unter Kontrolle hat, hat keine Chance.

 

Die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League hält die Hammerskins für die gewalttätigste und am besten organisierte Skinhead-Organisation der USA. In Deutschland gab oder gibt es laut BKA etwa elf regionale Chapter. Am aktivsten sind demnach das Chapter Westmark, die Chapter in Bremen und Bayern sowie die Hammerskins Sachsen. Antifa-Aktivisten weisen auf deren Kontakte zum Thüringer Heimatschutz hin, aus dessen Reihen die NSU-Terroristen kamen. Viele Verbindungslinien führen laut BKA auch zur NPD.

 

Dass es im Odenwald nicht zu "strafrechtlich relevanten Sachverhalten" kam, wie die Polizei mitteilt, dürfte an den "starken Einsatzkräften" liegen, mit denen sie anrückte, nachdem sie Hinweise auf die Skinheads erhalten hatte. Ohne die Beamten wäre es dem Vermieter der Halle, einem Sportverein, wohl schwerer gefallen, die rund 120 Neonazis nach Hause zu schicken. Wie viele noch kommen sollten, ist unklar; die Polizei verhinderte die weitere Anreise und nahm Personalien auf. Die Party, für die der Saal gemietet war, fiel aus.