Weil er bei einer Anti-Nazi-Demo in Dresden 500 Personen auf die Sperre von 14 Polizeibeamten gehetzt haben soll, wurde Tim H. zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt - ohne Bewährung. Nun hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Sie will eine härtere Strafe durchsetzen.
Dresden - Südvorstadt, 19. Februar 2011: Ausnahmezustand in Dresden. 3000 Rechtsextreme sind gekommen, um der Bombardierung der Stadt von 1945 zu gedenken. Tausende Gegendemonstranten sind auf den Beinen, um sich den Neonazis in den Weg zu stellen. Nach Angaben des Gewerkschaftsbunds sind mehr als 21.000 Menschen, die Polizei spricht von 12.000. Die Situation eskaliert, Autonome und Polizei geraten aneinander.
Am 17. Januar hat das Amtsgericht Dresden hat den 36-jährigen Tim H. wegen Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt - ohne Bewährung. Obwohl H. nicht vorbestraft ist. Der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts sah es als erwiesen an, dass H. am 19. Februar 2011 mit einem Megafon die Masse zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgerufen und die Aktion koordiniert hatte.
Nun hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt - weil die Strafe zu niedrig ausgefallen sei. "Das Urteil ist hinter dem von uns geforderten Strafmaß von zwei Jahren und sechs Monaten zurückgeblieben", sagte ein Sprecher SPIEGEL ONLINE am Mittwoch.
Laut Staatsanwaltschaft hatte Tim H. an jenem Tag zwischen 10.35 und 10.50 Uhr 500 Personen auf die Sperre von 14 Polizeibeamten gehetzt. 100 von ihnen - teilweise vermummt wie Tim H. - sollen die Barrikade in mehreren "Angriffswellen" attackiert haben, einige benutzten dabei Pyrotechnik, Steine, Latten und Flaschen als Wurfgeschosse. Laut Staatsanwaltschaft war H. "Koordinator" des Durchbruchs, er soll per Megafon Kommandos gegeben haben. Außerdem soll er einen der Beamten als "Nazi-Schwein" bepöbelt haben. Durch seine Körpergröße, Berichten von Augenzeugen und Videoaufnahmen sei Tim H. hinreichend identifiziert, so die Staatsanwaltschaft.
Nach Ansicht von H.s Verteidiger Sven Richwin sei die eigene Tätlichkeit seines Mandanten nicht ausreichend begründet. Die Verurteilung basiere allein auf einer vermeintlich ähnlichen Statur des Angeklagten mit einer Person in einem verpixelten Polizeivideo. Richwin hatte bereits vor dem Urteil die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe von zweieinhalb Jahren als deutlich zu hart abgelehnt. H. sei nicht vorbestraft und führe ein geregeltes Leben. Eine Bewährung sei deswegen verwehrt worden, weil er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, im Prozess zu schweigen.
Der Prozess gegen H. war der erste gegen einen angeblichen Rädelsführer der Gewaltexzesse, andere Verfahren gegen Blockierer wurden weitestgehend eingestellt.