Das Ergebnis bedeutet für die NPD Niedersachsen eine krachende Niederlage: Bei der Landtagswahl 2013 konnte die neonazistische Partei lediglich 0,8% der Stimmen erringen. Damit ist der NPD Niedersachsen der Weg der Parteienfinanzierung versperrt, die Zukunft des niedersächsischen Landesverbandes ungewiss.
Während zur Landtagswahl 2008 noch ein Ergebnis von 1,5% der Stimmen
errungen werden konnte, musste die NPD Niedersachsen bei der
diesjährigen Landtagswahl in Niedersachsen herbe Verluste hinnehmen. Die
NPD verlor nahezu die Hälfte ihrer Stimmenanteile und konnte lediglich 0,8% der Stimmen auf sich vereinen.
Weitaus desaströser als der reine Stimmenverlust dürfte sich das
Scheitern an der 1% Hürde auswirken. Diese magische Grenze entscheidet
bei Landtagswahlen über staatliche Zuwendungen, besser bekannt als „Parteifinanzierung“ oder „Wahlkampfkostenrückerstattung“.
Maßgebend
für deren Höhe ist die „Verwurzelung in der Gesellschaft“ der
jeweiligen Partei, gemessen an den bei Europa-, Bundestags- und
Landtagswahlen erzielten Stimmen. Bei den Landtagswahlen misst sich diese
„Verwurzelung“ an der 1% -Hürde. Eine Hürde, an der die NPD
Niedersachsen, welche mit dem Slogan „Sturmfest und erdverwachsen“ auf
Stimmenfang ging, nun scheiterte.
Dass die NPD in ihrem
Stammland Niedersachsen, jenem Bundesland, in dem sie 1964 gegründet
wurde, nach den vorangegangenen Erfolgen bei den niedersächsischen
Kommunalwahlen 2011 nun schwere Verluste einfuhr, ist auf
verschiedene Faktoren zurückzuführen. Der derzeitige Zustand der
niedersächsischen NPD dürfte dabei ausschlaggebend gewesen sein.
NPD Wahlk(r)ampf in Niedersachsen
Die
personelle wie strukturelle Schwäche der NPD im Flächenland
Niedersachsen offenbarte sich im Zuge des nun stattfindenden Wahlkampfes
zur Landtagswahl in beeindruckender Weise. Bis auf wenige Ausnahmen
gelang es der neonazistischen Partei entgegen eigener Ankündigungen
nicht an Aktivitäten vorangegangener Wahlkämpfe oder Kampagnen
anzuknüpfen.
So konnten Wahlkampfaktivitäten wie
Informationsstände, Plakatierungen oder Postwurfsendungen nur temporär
gewährleistet werden. Dies lag vor allem an der mangelnden Unterstützung
durch die Parteibasis, die nur wenig bis gar nicht in den
zurückliegenden Wahlkampf eingebunden wurde. Eine Ausnahme bilden
lediglich die Aktivitäten im Rahmen der sogenannten "Niedersachsentour",
einer Reihe von Kundgebung in mehreren niedersächsischen Städten sowie
regionalen Hochburgen, welche im Zuge des Wahlkampfes in Niedersachsen
durchgeführt wurde.
Neben dem Wahlkampf versuchte die NPD
Niedersachsen mit der „Wahlkampftour“ auch ein Zeichen nach innen zu
setzen, die eigene Anhängerschaft für Aktivitäten zu mobilisieren. Doch
Aktivitäten blieben rar gesät. Anstatt als politische Alternative in
Erscheinung zu treten, kämpfte die NPD Niedersachsen zuletzt gegen einen
anhaltenden Mitgliederschwund und mangelnde Unterstützung der eigenen
Klientel.
Keine Freunde mehr...
Die
Rück- und Parteiaustritte zahlreicher Funktionäre der NPD Niedersachsen
im Verlauf der letzten Monate lässt eine weitestgehend geschwächte, in
sich zutiefst zerstrittene Partei erkennen; eine Entwicklung, die bis in
die höchsten Führungsgremien hineinreicht. So trat mit Stefan Klingbeil
zuletzt ein Mitglied des Landesvorstandes von allen Ämtern zurück.
Mit
seinem kurz darauf erfolgten Parteiaustritt muss die NPD Niedersachsen
nun auch auf ein Mandat im Stadtrat von Munster verzichten, das
Klingbeil bei der vorangegangenen Kommunalwahl erringen konnte. Ein
solches besaß die NPD Niedersachsen bis vor kurzem auch im Kreistag
sowie im Stadtrat von Verden. Auch hier verlor sie ihr Mandat, nachdem
der dortige NPD-Vertreter Marcus Walter kurzerhand zur Konkurrenzpartei
"Die Rechte" wechselte.
Angesichts der vorangegangenen Monate
bot Klingbeils Rücktritt im NPD-Landesvorstand allerdings keine
wirkliche Überraschung. Bereits im Oktober 2011 trat mit Malte Holzer
der damalige Landesgeschäftsführer der NPD Niedersachsen von seinem Amt
zurück. Ihm folgten mit Ricarda Riefling und Denny Naterski zwei weitere
Mitglieder des Landesvorstandes. Mit dem NPD Funktionär Denny Naterski
verlor die niedersächsische Partei gar ihren Schatzmeister. Und selbst
der NPD-Landesvorsitzende warf im vergangenen Jahr das sprichwörtliche
Handtuch. Derzeit wird die NPD Niedersachsen lediglich kommissarisch
geführt.
Auch in den NPD-Unterbezirken verzeichnet die NPD
Niedersachsen einen stetigen Rückgang der Mitgliederzahlen. So fiel
deren Anzahl in den vergangenen Jahren von rund 600 im Jahr 2009 auf
nunmehr 460 Mitglieder. Führungskader wie Thomas Warnat, seines Zeichens
Vorsitzender des NPD-Unterbezirk Hannover, sprechen bereits offen vom
Zusammenbruch der Partei. So erscheint es nur konsequent, dass auch
Warnat in den vergangenen Wochen seinen Rück- und Parteiaustritt
erklärte.
Überhaupt keine Freunde mehr…
Doch
nicht nur die eigenen Mitglieder verweigern der NPD Niedersachsen
zunehmend die Gefolgschaft. Im Gegensatz zu vorangegangenen Wahlkämpfen
verweigerten nun auch parteifreie Neonazigrupppen der NPD die
Unterstützung. Konnte die Partei in der Vergangenheit noch auf
zahlreiche WahlhelferInnen aus dem Spektrum der "Freien Kameradschaften"
zurückgreifen, so hat sich dies zumindest in Niedersachsen fundamental
geändert. Die Gründe für die mangelnde Unterstützung sind dabei
vielfältig. Zum einen kämpft auch die niedersächsische
"Kameradschaftsszene" mit erheblichen strukturellen Problemen.
So
brachen in der jüngeren Vergangenheit etliche dieser
Neonazivereinigungen in sich zusammen, gaben ihre Auflösung bekannt oder
wurden wie zuletzt in der Region Hannover durch die Behörden verboten.
Langjährige Neonazigruppen wie die „Snevern Jungs“ aus dem
niedersächsischen Schneverdingen scheinen derzeit nur noch auf dem
Papier zu bestehen. Und dies, obwohl sie von den Behörden als eine der
„aktivsten Gruppen in Niedersachsen“ bezeichnet werden.
Darüber
hinaus verfügt die parteifreie Neonaziszene Niedersachsens über
keinerlei überregionale Vernetzungstruktur, welche die flächendeckende
Zusammenarbeit mit der NPD zu koordinieren vermag. Die alten Netzwerke,
im Szenejargon auch "Stammtische" genannt, sind zuletzt kollabiert oder
durch Desinteresse eingeschlafen.
Auch die durchaus als
schwierig zu bezeichnende finanzielle Situation, in welcher sich die NPD
Niedersachsen derzeitig befindet, dürfte ihren Anteil zum
"Wahlhilfeboykott" beigetragen haben. So gelang es der NPD Niedersachsen
im Zuge der Landtagswahl 2009 noch die Mitglieder parteifreier
Neonazigruppen durch finanzielle Anreize für Unterstützungs- handlungen
zu gewinnen.
Unter der tatkräftigen Mithilfe von des
Neonazikaders Christian Worch, der nun die Konkurrenzpartei "Die Rechte"
gründete, wurde Honorare für WahlkampfhelferInnen in Aussicht gestellt.
Dass die NPD vielen UnterstützerInnen die Zahlungen am Ende
vorenthielt, die Zahlungen schlichtweg verweigerte, dürfte allerdings
auf nur wenig Gegenliebe gestoßen sein.
„Die Parteijugend vergebens voran!“
Die
mangelnde Unterstützung durch unabhängige Neonazigruppen wie auch durch
den eigenen Mitgliederbestand rächte sich nun im Wahlkampf. Während in
den vergangenen Kommunal- und Landtagswahlen NPD-Informationsstände zum
gewohnten Bild etlicher Klein-und Großstädte in Niedersachsen gehörten,
konnten diese nunmehr kaum noch gewährleistet werden.
So konnte
der NPD-Unterbezirk Stade, der zu den aktivsten und beständigsten in
ganz Niedersachsen gezählt werden kann, einen Großteil seiner
Aktivitäten nur mit Unterstützung von außen durchführen. Ohne die
Unterstützung von Mitgliedern der NPD Jugendorganisation "Jungen
Nationaldemokraten" (JN) aus dem Großraum Bremen hätte der
NPD-Unterbezirk Stade kaum Aktivitäten entfalten können.
Ohne
die Aktivitäten der „Jungen Nationaldemokraten“ wäre der gesamte
Wahlkampf der NPD Niedersachsen in großen Teilen nicht durchführbar
gewesen. Doch auch deren Vorgehen unterstreicht nur die erhebliche
Schwächung der NPD Niedersachsen. So musste die JN Niedersachsen einen
eigenen "Aktionstag" im Kreise ihrer Mitglieder ausrufen, um
Wahlpropaganda zu verteilen. Ein tagtäglicher Wahlkampf schien nicht
möglich. Am besagten "JN Aktionstag" am 05. und 06. Januar 2013 im
Landkreis Vechta nahmen JN-AktivistInnen aus dem gesamten Bundesland
teil.
In den vergangenen Jahren konnte die NPD Niedersachsen
noch auf solche "Aktionstage" verzichten um die eigene Anhängerschaft zu
mobilisieren oder aktiv in den Wahlkampf einzugreifen. Doch lokale
Strukturen scheinen der Aufgabe nicht länger gewachsen gewesen zu sein.
Auch wenn der „Aktionstag“ im Nachhinein als Erfolg gefeiert wurde,
wirft er dennoch ein bezeichnendes Licht auf die vorherrschende
organisatorische Schwächung der neonazistischen Partei in Niedersachsen.
Repressionen nach Innen
Als Organisator des im
Großraum Vechta durchgeführten "Aktionstages" trat der derzeitige
JN-Landesvorsitzende Christian Fischer in Erscheinung. Und Fischer
scheint Teil des Problems, dies zumindest im Bezug auf die internen
Streitigkeiten innerhalb des niedersächsischen Landesverbandes.
Im
Rahmen des NPD-Landesparteitages 2012 gehörte Christian Fischer zu
jener Fraktion im niedersächsischen Landesverband, welche NPD-Mitglieder
massiv bedrohte und kritische Stimmen gewaltsam einschüchterte: eine
Einschüchterung, die sich keineswegs auf die niederen Ränge der
Parteibasis beschränkte.
Die interne Repression greift
inzwischen bis in die Führungsspitzen der niedersächsischen NPD über: So
wurde unter anderem der Vorsitzende des NPD-Unterbezirkes Braunschweig,
Friedrich Preuß, im Verlauf des letzten NPD-Parteitages von Christian
Fischer bedroht und auf seinen Stuhl zurückgestoßen. Preuß hatte während
einer Rede des stellvertretenden Landesvorsitzenden Matthias Behrens
Kritik am bisherigen Landesvorstand äußern wollen.
Ausgehend von
diesem Klima innerparteilicher Repressionen kehrten langjährige
UnterstützerInnen der neonazistischen Partei im Flächenland
Niedersachsen den Rücken. Unterstützt wurde dies noch durch eine
beispiellose Diffamierungskampagne durch VertreterInnen des
NPD-Landesvorstandes gegen die eigene Parteibasis.
„Aufmüpfige“
NPD-Unterbezirke und deren VertreterInnen wurde nahegelegt sich mit
offen kommunizierter Kritik zurückzuhalten, ansonsten würden
„Konsequenzen“ folgen. Um welche „Konsequenzen“ es sich dabei handeln
sollte, darüber schwieg sich die Parteiführung bis zuletzt aus. Der
Landesvorstand sorgte darüber hinaus dafür, dass diejenigen Kräfte, die
als KritikerInnen verortet wurden, von der Landesliste der KandidatInnen
zur niedersächsischen Landtagswahl ausgeschlossen wurden.
Propaganda hier! Propaganda Wo?
Auch
die im Zuge des Wahlkampfs angekündigte „Propagandaoffensive“ bestätigt
das Bild einer strukturell angeschlagenen Partei. So musste die
NPD-Niedersachsen zu Beginn des Landtagswahlkampfes zum großen Teil auf
Materialien der NPD-Jugendorganisation zurückgreifen, um Wahlkampfstände
entsprechend auszustatten. In einigen Regionen lagen den
NPD-Unterbezirken bis zuletzt keinerlei eigene Propagandamaterialien zur
Landtagswahl vor.
Davon ausgeschlossen blieb die
niedersächsische NPD-Wahlkampfzeitung, die jedoch nur durch die
Unterstützung anderer NPD-Landesverbände realisiert werden konnte. Auch
die Verbreitung ihrer Thesen mit Hilfe der NPD-Wahlkampfzeitung stellte
die NPD Niedersachsen vor logistische Probleme. Mangels personeller
Unterstützung beschränkte sich die Verteilung auf regionale Hochburgen.
Auch
ein eigens für den Wahlkampf produzierter Videoclip bestärkte nur das
desolate Image der neonazistischen Partei. Der ohne viel Aufwand im
niedersächsischen Buxtehude aufgenommene und später auf dem Heimcomputer
produzierte Werbefilm erinnerte vielmehr an eilig aufgenommene
Grußworte als an einen scharf geführten Wahlkampf.
Die JN
Schulhof-CD, welche im Rahmen des Wahlkampfes durch die NPD
flächendeckend verteilt werden sollte, erwies sich ebenfalls als
kontraproduktiv. So untersagten die Behörden der Stadt Rotenburg/Wümme
das Verteilen des Tonträgers an Jugendliche, nachdem sich herausstellte,
dass sich darauf indiziertes Liedgut befindet. Dabei handelt es sich um
das neue JN-Bundeslied "Unsere Stunde, die wird kommen", welches als
jugendgefährdend klassifiziert wurde.
Doch nicht die Behörden
legten der NPD den größten Stolperstein im Wahlkampf in den Weg; die NPD
scheiterte vielmehr an sich selbst. Angemeldete Wahlkampfstände wurden
ohne Rückmeldung abgesagt. In Städten wie Rotenburg/Wümme denken die
Behörden inzwischen offen darüber nach zukünftige NPD-Infostände wegen
„mangelnder Ernsthaftigkeit“ zu untersagen.
NPD Wanderzirkus reloaded
Die
Einschätzung personeller wie struktureller Schwächung ändert sich auch
nicht bei einer genaueren Betrachtung der sogenannten
„NPD-Niedersachsentour", in deren Verlauf die NPD in mehreren Städten
Kundgebungen durchführte. Vielmehr verstärkt sich dieser Eindruck noch.
Besagte Wahlkampftournee wäre ohne die Unterstützung der
JN-Niedersachsen sowie anderer NPD-Landesverbände nicht denkbar gewesen.
Der NPD selbst schien in Niedersachsen schlichtweg das nötige Personal
zu fehlen, um den Ablauf überregional zu gewährleisten. So bestand der
Großteil der TeilnehmerInnen auf allen Kundgebungen aus einem festen
Kreis von Neonazis.
Diese rekrutierten sich fast ausschließlich
aus Strukturen der „Jungen Nationaldemokraten“ und des
„NPD-Ordnerdienstes“. Doch auch diese Strukturen waren personellen
Schwankungen unterworfen. Die einzige Konstante bildeten der
kommissarische NPD-Landesvorsitzende Manfred Börm, der Vorsitzende des
NPD-Unterbezirkes Stade Adolf Dammann, der gleichzeitig als
Spitzenkandidat der NPD Niedersachsen auftrat, sowie Patrick Kallweit,
Pressesprecher der NPD-Niedersachsen.
Weitere Mitglieder der NPD
Niedersachsen suchte man hingegen zumeist vergebens. Wenn diese dennoch
in Erscheinung traten, dann lediglich am Rand und in abwartender
Haltung. Einzige Ausnahme bildete Ricarda Riefling, Vorsitzende des
NPD-Unterbezirkes Oberweser. Dass diese jedoch die Wahlkampftour dazu
nutzte, ihren Umzug nach Rheinland-Pfalz und somit ihren faktischen
Rücktritt zu verkünden, scheint bezeichnend für die gesamte NPD
Niedersachsen.
So bleibt am Ende die Feststellung, dass die NPD
Niedersachsen trotz überregionaler Bewerbung lediglich eine Handvoll
UnterstützerInnen zu den Kundgebungen mobilisieren konnte. Eine Ausnahme
bildeten die neonazistische „Kameradschaft Northeim“, welche neben
einer Veranstaltung in der Stadt Northeim auch bei der
Abschlusskundgebung in Hannover am 19.01.2013 mit einem Dutzend
Mitglieder zugegen war und die NPD Niedersachsen unterstützte.
Dies
verdankte die NPD allerdings weitaus mehr der Person Marco Borrmann als
dem eigenen Wirken. Handelt es sich doch bei Borrmann nicht nur um
einen Beisitzer im Landesvorstand der NPD sondern auch um eine tragende
Säule der „Kameradschaft Northeim“.
Damit gleicht die nun als
"Niedersachsentour" beworbene Veranstaltungsreihe der "NPD
Deutschlandtour", einer ähnlich strukturierten Kundgebungsreihe im
Sommer vergangenen Jahres. Auch hier kämpfte die NPD zum größten Teil
mit erheblichen Mobilisierungsschwächen und konnte nur in regionalen
Hochburgen auf Unterstützung hoffen.
Einziger Unterschied zur
vorangegangenen "NPD-Tour" bildete der Umstand die nun durchgeführten
Kundgebungen als NPD-Wahlkampfveranstaltungen zu deklarieren. In diesem
Rahmen war eine behördliche Verhinderung oder Untersagung der
Veranstaltung nahezu ausgeschlossen. Doch trotz dieser Sicherheit gelang
es der NPD nicht die Kundgebungen mit Teilnehmern auszustatten.
Entweder sprachen deren VertreterInnen vor leeren Marktplätzen oder
sahen sich wütenden Protesten gegenüber, oft auch beidem.
Ausgesuchtes Personal
Bezeichnend
ist allerdings, wer zum Unterstützerkreis der Wahlkampftour gehörte.
Neben verurteilten Gewalttätern fanden sich ehemalige Mitglieder der
verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) unter den
NPD-Ordnungskräften. So auch der ehemalige HDJ-Aktivist Christian
Fischer, der 2009 für bundesweite Schlagzeilen sorgte, nachdem bekannt
wurde dass er zu den Organisatoren einer "Rasse-Schulung" gehörte. Auch
der ehemalige HDJ-Aktivist Sebastian Richter nahm als Ordner an den
Kundgebungen teil.
Richter hat inzwischen ähnlich wie Christian
Fischer eine neue politische Heimat bei den „Jungen Nationaldemokraten“
(JN) gefunden und gehört dem JN-Bundesvorstand an. Jahrelang
koordinierte er dort die Aktivitäten der JN-Interessensgemeinschaft "IG
Fahrt und Lager" die ähnlich wie die HDJ paramilitärisch anmutende
Freizeitveranstaltungen und Zeltlager durchführt.
So verwunderte
es auch nicht, dass mit Martin Götze auch der ehemalige Einheitsleiter
der „HDJ-Einheit Schwaben“ zum Begleitpersonal der "Niedersachsentour"
gehörte. Dass sich der derzeitige kommissarische Landesvorsitzende
Manfred Börm daran nicht störte, erscheint logisch, gehörte er doch
selbst zum Umfeld der HDJ sowie zum Führungskreis von deren
Vorgängerorganisation, der "Wiking Jugend" (WJ).
In der WJ
agierte Börm als "Gauleiter" der „Wiking Jugend Niedersachsen und
Bremen" und gehörte zum Kreis der „WJ Wehrsportgruppe Theorie und
Training“, deren Mitglieder später bei der rechts-terroristischen
"Wehrsportgruppe Wehrwolf in Erscheinung traten. Börm selbst wurde auf
Grund dieser Tätigkeiten zu sieben Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in
einer kriminellen Vereinigung verurteilt.
Während dieser
Personenkreis vom 07. bis zum 12.Januar das Erscheinungsbild der
NPD-Niedersachsntour bestimmte, wurde die darauf folgenden Woche durch
Mitglieder des NPD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern geprägt.
Ehemalige HDJ-Aktivisten um den Greifswalder Neonazi Frank Klawitter
übernahmen ab 14.01.2013 die Aufgaben als eingesetzte NPD-Ordnertruppe.
Gewalt war ihr Hobby
Der
NPD-Ordnerdienst fiel allerdings nicht nur auf Grund seiner
Unbeständigkeit auf. Für Schlagzeilen sorgte dieser vor allem durch
einen gewaltsamen Übergriff während einer NPD-Kundgebung im
niedersächsischen Lingen.
NPD-Ordnungskräfte attackierten
GegendemonstrantInnen mit Faustschlägen, nachdem diese verhindern
wollten von den anwesenden Neonazis gefilmt zu werden. Sebastian
Schmidtke, seines Zeichens Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Berlin,
schlug gar mit einem zum Schlaginstrument umfunktionierten Regenschirm
auf die bedrängten GegendemonstrantInnen ein. Die Polizei nahm
inzwischen Ermittlungen auf.
Dies dürfte allerdings nicht das
einzige Ermittlungsverfahren sein, dem sich die NPD in den nächsten
Wochen gegenüber sieht. So rammte während einer NPD-Kundgebung in
Hannover der Fahrer des NPD-Wahlkampf-LKWs einen Polizeibeamten mit dem
Außenspiegel. Der Fahrer, das NPD-Mitglied Gustav Haenschke, darf sich
nun auf ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung einstellen.
Weitere
Anzeigen zog sich die NPD Niedersachsen zu, nachdem deren Mitglieder in
einigen Wahlkreisen die Plakate anderer Parteien abrissen oder
überhängten. Auch gegen den NPD-Pressesprecher Patrick Kallweit
ermitteln die Behörden und zwar wegen Beleidigung. Inwieweit die
derzeitigen Ermittlungsverfahren noch ergänzt werden, bleibt abzuwarten.
Mehrere Redner wie der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel oder auch der
Vorsitzende der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs
bewegten sich in ihren Redebeiträgen nahe am Rande der Volksverhetzung.
Auch
mit dem im Wahlkampf eingesetzten Fahrzeugen hatte die NPD
Niedersachsen kein Glück. So rammte der NPD-Wahlkampf-LKW im Anschluss
an eine Kundgebung im niedersächsischen Northeim eine Bahnunterführung.
Der Fahrer missachtete zuvor eine Höhenangabe der Brückenanlage. Auch
ein Brandanschlag auf Fahrzeuge des NPD-Ordnerdienstes am 16.01.2013 im
niedersächsischen Schneverdingen kommt der NPD teuer zu stehen. Es
entstand ein Sachschaden von rund 25.000 Euro.
Und Ende?
Das
nun erzielte Ergebnis von 0,8% der abgegeben Stimmen dürfte der NPD
Niedersachsen weitere finanzielle Schwierigkeiten bescheren. Durch das
Scheitern an der 1% Hürde ist die neonazistische Partei von staatlichen
Zuwendungen ausgeschlossen. Für die ohnehin finanziell bereits arg in
Schieflage liegende NPD bedeutet dies einen weiteren Rückschlag.
Auch
auf die Gemütslage der NPD-Mitglieder in Niedersachsen dürfte sich das
nun eingefahrene Ergebnis nur wenig positiv auswirken. Führende NPD-
Funktionäre verkündeten bis zuletzt, dass man von einem Ergebnis von
mindestens 2% ausgehe. Einzelne Kandidat_innen wie Martin Zaha aus dem
Wahlkreis Stade hielten gar 3,5% der Stimmen für absolut
realistisch. Diese Realitätsverzerrung rächt sich nun. In sozialen
Netzwerken mehrten sich bereits wenige Stunden nach Verkündung der
Wahlergebnisse die Stimmen unzufriedener NPD-Anhänger_innen, die ihren
Austritt aus der NPD in Aussicht stellen.
Angesichts des
Wahlausganges bleibt die Zukunft der NPD Niedersachsen ungewiss. Anstatt
gestärkt aus dem Wahlkampf hervorzugehen steht die neonazistische
Partei einem politischen wie organisatorischen Scherbenhaufen
gegenüber. Parteiinterne Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten dürften
bald offen zu Tage treten. Inwieweit der derzeitige, ohnehin nur
kommissarische NPD-Landesvorstand diese zukünftigen Klippen umschiffen
kann, bleibt fraglich, zumal dieser mit seiner radikalen Ausrichtung
nach Ansicht vieler NPD Mitglieder ohnehin die eigentliche Ursache der
derzeitigen Erschütterungen ist.
Die geplante Gründung eines
niedersächsischen Landesverbandes der Neonazipartei „Die Rechte“ dürfte
von der NPD ebenfalls mit Unbehagen erwartet werden. Übertritte werden
erwartet, weitere Mitgliederverluste scheinen vorprogrammiert. Im
niedersächsischen Landtagswahlkampf versuchte die NPD als geschlossene
Partei in Erscheinung zu treten. Es bleibt abzuwarten ,wie lange es
dauert, bis diese Fassade zu bröckeln beginnt.
recherche-nord
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Sonderseite zur Landtagswahl: [HIER]
Hintergrundtext und Analyse zur niedersächsischen Landtagswahl: [HIER]
Bilder zu verschiedenen Kundgebungen der "NPD Niedersachsentour": [HIER]