Vorsitzende Burschenschaft: Ehrung für “einen geistigen Vater Hitlers”

Einladung zur Ehrung von Georg Ritter von Schönerer
Erstveröffentlicht: 
20.01.2013

Radikaler Antisemit, Begründer der völkisch-nationalistischen Alldeutschen Bewegung in Österreich – und von Hanna Ahrendt als “ein geistiger Vater Hitlers“ bezeichnet:  Das ist Georg Ritter von Schönerer. Der Kämpfer für Alldeutschland ist für führende Burschenschaften weiterhin ein Vorbild – und wird von diesen sogar geehrt.

 

Von Felix Krebs

Die studentische Kneipe ist im burschenschaftlichen Jargon nicht nur ein Ort um Bier zu trinken, sondern findet oftmals als strenges Zeremoniell zur Ehrung von bestimmten Personen oder Ereignissen statt. Eine solche Huldigung sollte am 10. November 2012 „anläßlich des 170. Geburtstages des Kämpfers für Alldeutschland Georg Ritter von Schönerer“ auf dem Haus der Wiener Burschenschaft Teutonia stattfinden.

 

Der burschenschaftlich Geehrte war ein radikaler Antisemit und der Begründer der völkisch-nationalistischen Alldeutschen Bewegung in Österreich. Hanna Ahrendt nannte Schönerer einen „geistigen Vater Hitlers“, sein ideologischer Einfluss auf die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland und Österreich ist unter Historikern allgemein anerkannt. Als Referent war Walter Marinovic angekündigt, langjähriger Aktivist der österreichischen Rechten sowie Autor und Referent für die NPD. Die Einladung zu der Festkneipe wurde von der Teutonia schleunigst wieder aus dem Netz gelöscht, denn nur zwei Wochen später wurde sie in Stuttgart zur Vorsitzenden Burschenschaft des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) gewählt. Sie repräsentiert damit in diesem Jahr ca.100 Einzelburschenschaften in Deutschland und Österreich mit mehr als 10.000 Aktiven und Alten Herren, darunter auch prominente Mitglieder wie Verkehrsminister Peter Ramsauer oder CSU-Politiker Hans-Peter Uhl.

Burschentag und neue Vorsitzende

Vom 22. bis zum 25. November fand in Stuttgart ein außerordentlicher Burschentag statt, um den neuen Kurs des zerstrittenen Verbandes zu bestimmen und eine neue Vorsitzende zu wählen, welche die Amtgeschäfte der DB wahrnimmt. Grundsätzlich konnte sich der extreme, völkische Flügel des Verbandes, welcher in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) zusammengefasst ist, gegenüber den konservativen Kräften der Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) durchsetzen. Auch die neue Vorsitzende gehört zum völkischen Flügel, der an einem „volkstums-bezogenen Vaterlandsbegriff“ bedingungslos festhält. Mehr als zehn konservative Burschenschaften verließen in Folge des Durchmarsches der extrem rechten Kräfte beim Burschentag den Dachverband bisher. Rein zahlenmäßig dominiert die BG auch zukünftig mit gut 40 Bünden die DB. Ihr Konterpart, die IBZ kommt auf knapp 30 Burschenschaften, allerdings diskutieren hier weitere ihr mögliches Ausscheiden.

Die aktuell vorsitzende Burschenschaft ist seit Ihrer Gründung eindeutig zu verorten. In einem historischem Abriss schrieb ein Teutone über seine Verbindung, sie sei 1886 von Burschenschaftern gegründet worden, denen der Vorläufer Arminia „zu wenig völkisch gesinnt war und die dem konservativen waffenstudentischen Prinzip sehr zuneigten“, also für die Pflichtmensur eintraten. In den 1960er Jahren trat die Teutonia „auf Grund der schlechten Erfahrungen, die man mit einigen Gruppierungen der Deutschen Burschenschaft in nationaler und waffenstudentischer Richtung gemacht hatte“ aus der DB aus. Sprich man war mit der Abschaffung der Pflichtmensur und einer möglichen Verwässerung des Volkstumsbegriffs in der DB nicht einverstanden. In den neunziger Jahren galt die Teutonia dann laut Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus als “Hochburg der militant-rechten Wiener Szene.“ Einige Mitglieder waren damals in bekannten Neonazi-Netzwerken aktiv. Erst vor drei Jahren publizierte die Teutonia ein Flugblatt in dem behauptet wurde „ganz Ostdeutschland noch heute besetzt“ und in dem gefordert wurde, man müsse die „Gebietsabtretungen revidieren!“

Es dauerte Lange, bis sich die Teutonia bei ihren ehemaligen Bundesbrüdern wieder wohl fühlte. Zum Eintritt in die extrem rechte BG kam es erst 2003, die Wiederaufnahme in die DB erfolgte gar erst vier Jahre später. Bis heute fühlt sich die Teutonia laut eigener Definition dem „deutschnationalen und patriotischen“ Lager zugehörig. Laut der Expertin Dr. Alexandra Kurth gilt die Teutonia, als „eine Verbindung am äußersten rechten Rand.“

Die Teutonia hat es sich zum Ziel gesetzt den Dachverband wieder zu konsolidieren und unter ihrer Führung politisch handlungsfähig zu machen. „Die Deutsche Burschenschaft kann sich nun wieder verstärkt auf ihre ureigenen Aufgaben konzentrieren,“ schreibt Walther Tribusch zur Amtsübernahme unter dem programmatischen Titel „Neue Vorsitzende mit großen Zielen“ auf der Homepage der DB. Tribusch ist Alter Herr der Teutonia und Pressereferent des Dachverbandes.

Es ist zu befürchten, dass sich die braune Teutonia ohne Widerspruch im Dachverband durchsetzen kann, denn sie wurde laut Insidern auf dem Burschentag mit einem guten Dutzend Enthaltungen, angeblich keinen Gegenstimmen und überwältigender Anzahl Pro-Stimmen aus allen Lagern gewählt.

Alldeutsch gestern und heute

Mit ihrer Ehrung des Antisemiten Georg von Schönerer (1842-1921), verdeutlich die Teutonia ihre alldeutschen Wurzeln, welche sich bei den meisten österreichischen Burschenschaften nachweisen lassen. Unter dem Wahlspruch „Ohne Juda, ohne Rom, bauen wir Germaniens Dom“, scharte Schönerer in seiner Alldeutschen Bewegung die Teile der österreichischen Rechten hinter sich, welche nicht nur radikale Antisemiten waren, sondern auch die habsburgische Monarchie und den damals staatstragenden Katholizismus ablehnten. „Die Religion ist einerlei – im Blute liegt die Schweinerei“, war Schönerers rassistische Devise. Seine Alldeutsche Bewegung verlangte 1900 im Wiener Parlament, eine Prämie für jeden „niedergemachten“ Juden auszusetzen. Seiner germanisch-völkischen Weltanschauung entsprechend, forderte Schönerer den Anschluss seines Landes an das wilhelminische Deutsche Reich. Zeitweise dominierte Schönerer mit seiner Alldeutschen Bewegung das völkische Lager in Österreich, eine Bewegung an die später der junge Adolf Hitler anknüpfen konnte. So schrieb Hitler in Mein Kampf: „Als ich nach Wien kam, standen meine Sympathien voll und ganz auf der Seite der alldeutschen Richtung… daß man in allen das Deutschtum betreffenden Fragen rücksichtslos Farbe bekannte und niemals zu Kompromissen sich herbeiließ, schien mir der einzige noch gangbare Weg zur Rettung unseres Volkes zu sein.“

In einer ausführlichen Darstellung seiner Wiener Burschenschaft Teutonia macht Jan Ackermeier, ehemaliger Funktionär der neofaschistischen „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“, keinen Hehl daraus, wo sich die nun vorsitzende Burschenschaft der DB historisch verortet. „Die Teutonia gehörte in dieser Zeit zu den treuesten Anhängern der politischen Ideen Schönerers und ernannte ihn 1889 sogar zum Ehrenburschen.“ Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 wurde die Teutonia in die NS-Kameradschaft „Georg von Schönerer“ umgewandelt.

Bis heute sind die meisten österreichischen DB-Burschenschaften von modernisierten alldeutschen Positionen beeinflusst; sie streiten noch immer für ein Deutschland, welches auch Österreich sowie die ehemaligen Ostgebiete umfasst und können sich nur mühsam zur Anerkennung heutiger völkerrechtlicher Grenzen durchringen. „Politisch sieht die Teutonia einen ihrer Schwerpunkte in der Volkstums- und Grenzlandarbeit“, schrieb Ackermeier 2008, und meint Gebiete jenseits der bundesdeutschen- und österreichischen Grenzen. Das Kernideologem „volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff“, welches gerade von den österreichischen Burschen am vehementesten propagiert wird, dient nicht nur als weltanschauliches Fundament zur Ableitung der Volkszugehörigkeit nach Innen, sondern auch immer noch als Grundlage, um revanchistische Ansprüche gegenüber den europäischen Nachbarn zu formulieren.

Durchmarsch der Völkischen

Der Durchmarsch der völkischen Kräfte in der DB lässt sich letztlich auch an dem Abstimmungsverhalten beim letzten Burschentag ablesen. Die Anträge 10.2 bis 10.4 behandelten die Diskussion um die Koppelung der Mitgliedschaft in der DB an eine deutsche Abstammung. Die zuletzt gültige Interpretation des Rechtsausschusses, (die höchste juristische Institution der DB) „die Abstammung ist somit ein wesentliches, aber nicht das alleinige Merkmal zur Beurteilung der Volkszugehörigkeit“, und damit die Voraussetzung für die Mitgliedschaft, wurde aufgehoben.  Strittig bleibt in der DB also wer „volkszugehörig“ sei, ob dieses eher von geographischer und kultureller Herkunft sowie Bekenntnis zum „deutschem Volkstum“, oder von „rassischen“ Kriterien des Anwärters abhängen soll. Endgültig soll die Frage auf dem nächsten Burschentag geklärt werden.

 

Über die Anträge 10.13 und 10.15. auf Ausschluss drei besonders rechter Verbindungen, die Burschenschaften Raczeks zu Bonn, Danubia München und Dresdensia-Rugia zu Gießen, welche auch schon zum Teil in Verfassungsschutzberichten genannt wurden, wurde gar nicht abgestimmt. Statt einer Verurteilung von rechtsextremistischen oder verfassungsfeindlichen Ansichten wurde nach langer und intensiver Diskussion nur beschlossen, „eine Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft mit solchen Organisationen, die nationalsozialistische Ziele verfolgen, als unvereinbar“ zu erklären. Eine Mitgliedschaft in der NPD oder anderen neofaschistischen Organisationen ist damit weiterhin problemlos möglich.

Mit großer Mehrheit abgelehnt wurde der Antrag 10.21: „Die Einzelburschenschaften und Einzelmitglieder im Verband der Deutschen Burschenschaft stehen voll zu dem in der Präambel und den Grundrechten (Art. 1-19) des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland Festgelegtem.“ Letzte Unsicherheiten für neofaschistische Burschenschaften wurden ausgeräumt, als der Antrag 10.25  für unzulässig erklärt wurde. Er forderte einer Burschenschaft in der DB vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen, wenn sie in „einem Verfassungsschutzbericht der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich oder in einem Bundesland der beiden Staaten als beobachtete Organisation in mindestens zwei aufeinander folgenden Jahren aufgeführt“ wird.

Dass sich der Dachverband DB nicht nur weit von den Verfassungen Deutschlands und Österreichs entfernt hat, sondern auch von anderen korporierten Dachverbänden, wurde mit der Annahme des Antrages 10.29 besiegelt. Die DB ist aus dem „Convent Deutscher Akademikerverbände e.V.“ (CDA) ausgetreten, weil dieser „bereits mehrfach durch öffentliche Kritik und Distanzierungen gegenüber der DB negativ aufgefallen“ sei. Der CDA ist der größte Zusammenschluss unterschiedlicher Dachverbände von Studentenverbindungen in Deutschland und die DB war hier jahrzehntelang Mitglied.

Der Kurs der DB scheint klar: Vom Ballast der letzten mahnenden Bünde weitgehend befreit und ohne Rücksicht auf staatliche Verfassungen und korporiertes Umfeld (CDA), bietet die DB unter ihrer aktuellen, alldeutsch wurzelnden Vorsitzenden, einen ungestörten Tummelplatz für akademische Neofaschisten. Angesichts der Diskussion um ein NPD-Verbot dürfte die DB nun auch von zu nehmenden Interesse für Studierende sein, welche eine Parteimitgliedschaft dort aus Gründen der Reputation scheuen. Solange führende Unionspolitiker Mitglied in der DB sind, braucht kein brauner Aktiver oder Alter Herr eine Ächtung seiner Organisation zu fürchten.