Provokanter Protest und kreative Meile gegen Missbrauch Magdeburger Geschichte

Mitglieder eines Zusammenschlusses "Magdeburger Bürger für das Erinnern" bei ihrer provokanten Aktion.
Info | Ticker
Erstveröffentlicht: 
14.01.2013

Elbestädter stellen sich mit buntem Aktionsprogramm Aufmarsch von Neonazis entgegen

 

12000 Magdeburger haben nach Angaben der Veranstalter am Sonnabend die Meile der Demokratie besucht. Auf dem Breiten Weg luden mehr als 100 Initiativen ein, sich mit rechter Gefahr auseinanderzusetzen.

 

Altstadt l Für Brigitte Thiel und ihren Mann Hartwig war die Planung für den vergangenen Sonnabend frühzeitig abgeschlossen: "Für uns stand seit Langem fest, dass wir auf die Meile der Demokratie gehen. Wir wollen zeigen, dass Magdeburg eine schöne, eine weltoffene Stadt ist, in der es keinen Platz für rechtes Gedankengut gibt."

 

So wie die beiden Senioren nutzten nach Veranstalterangaben am Sonnabend 12000 Magdeburger die Meile der Demokratie, um mit ihrem Besuch die Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt auszudrücken.

 

Zuvor hatte schon Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) im Namen des Stadtrates die Magdeburger aufgefordert, mit "Mut und Augenzwinkern" gegen rechtes Gedankengut aufzustehen. Magdeburg werde auch in Zukunft nazifrei bleiben, erklärte er.

 

Trümper machte bei seiner Ansprache keinen Bogen um die umstrittenen Blockadeaufrufe anderer Gegendemonstranten. "Ich habe für diesen zivilen Ungehorsam eine gewisse Sympathie. Aber die Frage ist für mich, wo hört der Ungehorsam auf und wo fängt Gewalt an. Auch der zivile Ungehorsam hat seine Grenzen. Ich halte deshalb den friedlichen Protest auf einer Meile der Demokratie für geeigneter, Gesicht gegen Rechts zu zeigen."

 

Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) rief dazu auf, das Leid aus der Geschichte nicht von den Nazis missbrauchen zu lassen. "Wir werden nie wieder wegschauen, wenn Menschenrechte missbraucht werden. Magdeburg gehört den Bürgern, nicht den Nazis", rief er unter dem Beifall der rund 300 Gäste bei der Eröffnung.

 

Anschließend startete die Meile der Demokratie in einer Vielfalt, die so manches Stadtfest in den Schatten stellt. Schulen, Vereine, Verbände Kirchen, Gewerkschaften, der 1. FC Magdeburg - nahezu alle, die auch sonst in Magdeburg zu einem bunten, weltoffenen Stadtklima beitragen, waren auf der Meile mit eigenen Aktionen oder Ständen vertreten.

 

Die Oskar-Kämmer-Schule beispielsweise hatte das Thema 16. Januar 1945 in den Unterricht ihrer 139 Schüler eingebaut. Auf der Meile präsentierten sich Lehrer und Schüler mit Strickangeboten. "Wir haben im Vorfeld mit Partnern wie der Volkssolidarität schon einen 30 Meter langen bunten Schal gestrickt. Er soll die Vielfalt und die bunte Meile symbolisieren", sagte Schulleiterin Heike Gerlieb.

 

Ein paar Meter weiter schrieben Julia, Kaja und Emily ihre Namen mit Filzstiften auf einen Stuhl. "Wir wollen damit zeigen, dass hier in Magdeburg Platz für jeden ist", sagten die drei elfjährigen Schülerinnen der Freien Waldorfschule und animierten mehrere Passanten, es ihnen gleichzutun.

 

So herrschte am frühen Nachmittag vor allem im Abschnitt zwischen Hundertwasserhaus und Allee-Center ein buntes Treiben, das den Zuspruch an einem normalen Sonnabend weit überstieg.

 

Den Verlust für die Magdeburger Innenstadthändler konnte dieser Auflauf aber nicht wettmachen. "Der Demonstrationssonnabend beschert uns Händlern schätzungsweise Einbußen von 50 Prozent", sagte IG-Innenstadtsprecher Arno Frommhagen, der sich selbst am Protest mit beteiligte.

 

Für Aufsehen sorgte um 15 Uhr eine Aktion in Höhe der Goldschmiedebrücke. Ein anonymer Zusammenschluss von "Magdeburger Bürgern für das Erinnern" marschierte zunächst unter dem Transparent "Gegen das Vergessen" als "Nazi-Block" auf. Das Schauspiel sollte die Selbstinszenierung der Rechten als trauernde brave Nazis entlarven, hieß es von den Organisatoren. Wenig später rissen sich die schwarz Vermummten einen Teil ihrer Kleidung herunter und zeigten sich in T-Shirts mit blutverschmierten Hakenkreuzen. Zeitgleich wurde das Transparent vollständig entrollt, auf dem zu lesen war: "Gegen das Vergessen - dass Faschismus ein Verbrechen bleibt!" Mit diesem stummen und provokanten Bild wollten die Akteure nach eigenen Angaben daran erinnern, welche Gefahr von den Neonazis ausgehe.

 

Unter dem Beifall von Hunderten Magdeburgern war die Aktion nach rund 15 Minuten beendet.

 

Mehr über die Meile der Demokratie und die Aktionen, unter anderen des Bündnisses "Magdeburg nazifrei", auf den Lokalseiten 12 und 16.