Nachdem bereits im Juni das Landesgericht Neuruppin, die Hausdurchsuchung als rechtswidrig einstufte, folgte nun als Konsequenz die Einstellung des Verfahrens wegen Verleumdung und Verstoßes gegen Kunsturheberrecht. Die Staatsanwaltschaft, welche die Ermittlungen führte und die Hausdurchsuchung beantragte, stellte nun „nach internen Recherchen“ fest, dass Volker Hellriegel „den rechtsorientierten" Andreas Rokohl verteidigt hat, sowie auch der Verteidiger, von NPD Mitgliedern aus Oberhavel ist (Reimar Leibner, Lore Lierse).
Weiterhin war festzustellen, das er einmal Verteidiger eines Beschuldigten war, welchem vorgeworfen wurde, Plakate der Partei "Die Linke" beschädig zu haben". (Fehler im Original) Das dies nicht schon in den 12 Monaten Ermittlungen vor der Hausdurchsuchung „intern“ herausgefunden wurde, ist mehr als verwunderlich. Aufgrund dieser „internen Recherche“, kommt die Staatsanwaltschaft zur selben Schlussfolgerung, wie bereits der Anwalt der Genoss*innen, dass der Begriff Neonazianwalt einen Anwalt meint, welcher „Personen mit rechter Gesinnung vertritt und nicht – wie zuvor angenommen – ausschließlich die Gesinnung dieses Anwalts widerspiegelt.“
Auch der Vorwurf des Verstoßes gegen das Urheberrecht, konnte nun die Staatsanwaltschaft nicht mehr sehen, da „sich keine Anhaltspunkte [ergeben], dass der Anzeigenerstatter [Volker Hellriegel] die Homepage allein verfasst hat und damit Urheber der Homepage ist“.
Tendenziöse Ermittlungen im Vorfeld
Im Laufe der acht Monate, seit der Hausdurchsuchung, haben die Genossen*innen Abfragen beim Landeskriminalamt und dem Brandenburgischen Verfassungsschutz gemacht, wodurch bekannt wurde, dass in den vergangenen Jahren mehrere Verfahren, gegen einzelne Mitglieder geführt wurden. Nach Durchsicht der Akten kam der „Antifa-Anwalt“ zu dem Entschluss, dass es sich um tendenziöse Ermittlungen durch den Staatsschutz Oberhavel handelt. Hier ein paar Auszüge der Verfahren, die zeigen mit welcher Motivation der StaSchu Oranienburg/Oberhavel arbeitet.
U.a. wurden Verfahren wegen „Vortäuschen einer Straftat" geführt, da in einem Artikel der Antifa Gruppe Oranienburg zur Antirassismusdemonstration 2010 stand: „Einige Nazis grüßten mit dem Hitlergruß aus ihren Wohnungen in der Lehnitzstraße“. Aufgrund dessen, dass ein Verstoß gegen §86a von Amtswegen verfolgt werden muss, machten sich die Beamten sofort an die Ermittlungen. Dabei stellte der zuständige Staatsschutzbeamte fest, dass „niemand [gemeint sind die eingesetzten Beamten] eine solche Straftat bemerkt [haben] und auch Zeugen meldeten sich nicht“. (Fehler im Original). Die Schlussfolgerung des Staatsschutzbeamten ist daher, dass „die Straftat nur vorgetäuscht wurde, um […] als Antifa Oranienburg […] Oranienburg als eine Hochburg der rechten Szene darstellen zu können“. Diese Ermittlungen, die man nun gegen Unbekannt führen sollte, wurden allerdings sofort einem Genossen zugeordnet. Der Beamte schreibt dazu: „Die Anzeige richtet sich nun gegen den [Beschuldigten], weil dieser dafür bekannt ist Berichte dieser Art und Weise für Zeitungen und Plattformen […] zu verfassen“. Woher diese Erkenntnisse stammen wird nicht mitgeteilt, auch nicht um welche Zeitungen oder Plattformen es sich dabei handeln soll.
In einem ähnlich gelagerten Verfahren, (es geht um einen Chronik Eintrag vom 03.04.2010 wegen eines Hitlergrußes) versuchten die Staatsschutzbeamten herauszufinden, wer unsere damalige E-Mail-Adresse betreut. Dabei hatten sie bereits „die Erkenntnis“, dass der Schreiber wieder nur der oben beschriebene Genosse sein könne, da dieser als Pressesprecher in Zeitungen auftritt und auch an öffentlichen Veranstaltungen, wie dem scheinbar vom Staatsschutz überwachten Treffen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg“ teilnahm. Auch in diesem Fall erwähnen die Staatsschutzbeamten, dass dieses Mitglied Zeitungsartikel verfassen würde, ohne einen Nachweis zu bringen. Um an die nötigen Erkenntnisse zu gelangen, wurde der Genosse polizeilich Vorgeladen. Sein Nichterscheinen, sahen die Beamten als „unkooperatives Verhalten“ an, weshalb sie nun Hausdurchsuchungen (insgesamt drei) beantragten. Genauer steht im Antrag, auf die Hausdurchsuchung, dass der Beschuldigte (gerade eben ging es noch darum, dass er Erkenntnisse zu Straftaten geben könnte) durch den Staatsschutz „immer mal versucht [wurde] zu erreichen“, aber den Gesprächsangeboten nicht nachkam. Oder anders gesagt: Aufgrund dessen, dass er seine Rechte wahrnahm, wurde hier versucht seine Grundrechte zu beschneiden.
Die Staatsanwaltschaft, wollte allerdings keine Hausdurchsuchung zulassen, da die Ermittler „erneut darauf hingewiesen“ wurden, dass es „eines begründeten Verdachts“ vorraussetzt. Doch die Ermittlungen beruhten ausschließlich auf „vagen, vorliegend zudem rein spekulativen Annahmen“. Wegen, der Vortäuschung, der Straftat stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass es hier eine „sehr vage Vermutung“ sei, da „die Feststellung, dass keiner der […] Polizeibeamten [und auch keine Zeugen] auf derartige Handlungsweisen hinwiesen, [diese bewusst] vorgetäuscht sind“. Klarer kann eine Absage an tendenziöser Ermittlung wohl nicht sein.
Auf den rechten Auge (deutlich) blind
Doch in den Verfahren, machte sich – neben dem Verfahren von Hellriegel – der Staatsschutz, auch gern zum Spielball von Neonazis.
So tätigte, der Oranienburger Neonazi, Patrick Schulz eine Anzeige gegen Unbekannt, da in einem Bericht, zu einem Neonaziaufmarsch am 01.05.2010 in Berlin, an dem Schulz teilnahm, sein Name und ein Foto der Demonstration zu sehen war. Außerdem, standen bekannte Informationen über ihn, in dem Artikel, dass er eine Haftstrafe, wegen eines Brandanschlags auf die Linksparteizentrale absitzen musste und Mitglied der neonazistischen Kameradschaften „Sturm Oranienburg“ und „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ war. Er selber sagte aus, dass „die Angaben, welche in diesem Artikel enthalten sind, zwar der Wahrheit entsprechen, aber Niemanden was angehen.“ Es handelt sich um einen – laut einem Oranienburger Jugendrichter – unbelehrbaren, welcher mehrfach rechte Straftaten beging, in organisierten Kreisen unterwegs ist und binnen 3 Jahren an mehr als ein Dutzend Neonaziaufmärschen teilnahm. Dies sind sehr wohl Informationen, die von Interesse sind für Engagierte Menschen in Oranienburg.
Der Gipfel der Absurdität
Ein weiteres Verfahren wegen Verleumdung, wurde durch den ehemaligen Hohen Neuendorfer Wirt, Rene Werner, ausgelöst. In seiner Anzeige versucht Rene Werner, den Hammer als unpolitischen Wikingerladen zu beschreiben, gibt aber zu, dass „vereinzelt mal Rechte vorbei“ kommen, welche er an den Schriftzügen "White Power oder 88“ erkennen würde. Auch der Bekannte Neonazi, Sascha Stein, sei „alle zwei Monate“ vorbeigekommen, „weil es nur [im Hammer] Kirschporter gäbe“. Zu Stein habe er „gehört, dass [seine Naziaktivitäten] Vergangenheit [sei] und er jetzt nichts mehr dergleichen macht“. Dass Stein einen rechten Szeneladen in Oranienburg zeitnah betrieb, war wohl nur ein dummer Zufahl. Allerdings schien Werner, Steins Gesinnung, wenig zu kümmern: "Stein [benimmt] sich wie jeder andere Gast“. In einer weiteren Anzeige, gab er erneut zu, dass „sich hin und wieder Personen rechten Klientels bei mir befinden“ und beklagt „ich kann die nicht einfach rausschmeißen“. Gleichzeitig gab er zu, seine Textilprodukte, im neonazistischen Laden, „On The Streets“ gedruckt zu haben. Als Grund gab er an, dass die Shirts normal 24€ gekostet hätten und mit der verräterischen „On The Streets“ Werbung, nur 8 € gekostet hätten und er ja „Geschäftsmann“ sei. Die grundsätzliche Kritik daran, überhaupt bei Neonazis drucken zu lassen, verstand er nicht. So gab er sich pseudo-geläutert: „[als] ich dann erfahren hatte, was das für ein Laden war, habe ich die Logos nicht mehr raufdrucken lassen“. Außerdem verkaufe er die Shirts nicht, sondern ließ sie für seine „Bedienung anfertigen […] um zu zeigen, dass wir in den Laden gehören“.
Im Laufe des Verfahrens, besuchten zwei Staatsschutzbeamte, Rene Werner in der Kneipe für ein „persönliches Gespräch“. In diesem „persönlichen Gespräch“ äußerte sich Rene Werner, bezüglich einer Sachbeschädigung, durch Farbe an seiner Kneipe. Er habe „durch eine Person, dessen Namen er nicht näher kennt, erfahren, […] dass diese Aktion durch Mitglieder der Antifa Oranienburg durchgeführt wurde.“. Kurioserweise, konnte Herr Werner einen Genossen beschreiben, ohne dass es je zu einem Kontakt der beiden kam. Dabei benannte Herr Werner ein offensichtliches Pseudonym, welches der Staatsschutz – ohne Hinweis wie sie darauf kommen – einem Genossen zuordneten. Ohne, das der Genosse je zu einer politischen Straftat verurteilt wurde, ist ein Aktenvermerk mit den Worten „hinreichend polizeilich bekannt“ und „Gewaltäter linksmotiviert“ zu lesen. Die unbekannte Mittelsperson von Rene Werner, hatte angeblich zu diesem Genossen Mailkontakt, in dem der Genosse „versuchte einer direkten Antwort auszuweichen [aber auch nichts] verneint“ habe. Ferner soll der Genosse sich dahingehend geäußert haben weiterhin „gegen die Lokalität […] zu arbeiten“. Interessanterweise gibt es keine Belege für diese Mails oder Aussagen, denn die Mails sind nicht mehr vorhanden und der Mittelsmann ist sowohl Rene Werner und auch dem Staatsschutz nicht bekannt. Doch dies, reichte den Beamten, um ein Verfahren wegen Sachbeschädigung, gegen den Genossen zu führen – noch mal – wegen nicht vorhandener Mails, einer unbekannten Person.
Ein weiterer Neonazi, Christian Heidinger, stellte ebenfalls Anzeige wegen Verleumdung, da er als „rechter“ bezeichnet wurde und dies nicht sei. Leider gab es in dem Artikel, gegen den er kämpfte, ein Bild von ihm, auf einer Neonazidemo in Berlin, mit dem Motto: „vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff“. Was er als Nicht-Rechter dort suchte, bleibt wohl sein Geheimnis.
Fazit
Es ist erschreckend, zu sehen, wie sehr sich der Staatsschutz Oberhavel, darin bemüht die Antifa Gruppe Oranienburg bzw. einzelne Genossen zu kriminalisieren. Noch erschreckender wird es, wie gern Sie dabei Angaben von Neonazis, für das Verfahren übernehmen und nicht nachprüfen. In diesem Kontext betrachtet, kann die Hausdurchsuchung vom Februar, nur einen Grund haben: Ein gezielter Angriff auf die Unverletzlichkeit des Wohn- und Privatraums. Ferner, ist es ein Versuch der psychischen Kriegsführung und des Druckaufbaus. Hierbei, geht es um die Deutungshoheit zum Thema Neonazis, welchen der Staatsschutz nicht (mehr) hat.
Hier zeigt sich auch, dass der Staatsschutz, kein Bündnispartner von zivilgesellschaftlicher Arbeit sein kann und darf, wie es lange Zeit in Oranienburg üblich war. Er ist ein nicht demokratisch überwachtes Organ, welches sich in Oranienburg zum Werkzeug von Neonazis gemacht hat und demokratische Initiativen ausnutzten, überwachen und Antifaschisten kriminalisieren wollte. Die demokratische Legitimation, für den Kampf gegen Neonazis, in Oranienburg, hat immer noch die örtliche Zivilgesellschaft, in welcher wir aktiv sind – und nicht bezahlte Rechtsbrecher!
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