Völkische Ideologen führen Deutsche Burschenschaft

"Pflege von heimatlichem Brauchtum, völkischem Wesen und traditionellem studentischen Leben": Die Website der Wiener Teutonia gibt Auskunft über das Selbstverständnis der Burschenschaft, die nun im Dachverband den Vorsitz übernimmt.
Erstveröffentlicht: 
02.01.2013

Neuer Vorsitz

 

Den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft übernimmt ein österreichischer Bund mit großdeutschen Phantasien. Die Wiener Teutonia bestimmt im nächsten Jahr die Ausrichtung des Dachverbands. Interne Papiere und bisher unbekanntes Propagandamaterial offenbaren: Dort herrscht rechtsextremes Gedankengut.

 

Von Tina Friedrich

 

"Schandverträge!", "Ganz Ostdeutschland noch heute besetzt!", "Gebietsabtretungen revidieren!" Was klingt wie Parolen aus den dreißiger Jahren, steht auf einem Flugblatt, das keine drei Jahre alt ist. Die Schrift zieht sich schmucklos im Blocksatz über eine Karte "Großdeutschlands", wozu nach Ansicht der Verfasser auch Südtirol, "Deutschböhmen" und Ostpreußen gehören. Als verantwortlich ist die Wiener Burschenschaft Teutonia angegeben.

 

Die Teutonen sind keine durchgeknallte Splittergruppe der Verbindungsszene, sie haben Einfluss, nicht nur in Österreich: Künftig geben die Teutonen im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) mit seinen rund hundert Mitgliedsbünden den Ton an, auf einem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart sind sie zur vorsitzenden Verbindung gewählt worden.

 

Schon bei der Veranstaltung deutete sich an, wohin die Bünde marschieren wollen: weiter nach rechts. Völkische und rechtsextreme Funktionäre haben massiv an Einfluss im Dachverband gewonnen, liberalere Bünde wollen austreten, ein gutes Dutzend haben die DB seitdem verlassen.

 

Doch wie stark der Einfluss der Rechten ist und wie gestrig ihr Gedankengut, das offenbaren jetzt interne Dokumente und bislang unbekanntes Propagandamaterial, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. Auch das rechtspopulistische Netzwerk der Teutonia-Funktionäre mit Verbindungen in die Politik und die Wirtschaft zeigt ihre ideologische Ausrichtung und ihren Einfluss.

 

Hardliner der Verbindungsszene


Die Wiener Akademische Burschenschaft Teutonia, wie sie vollständig heißt, hat sich einem völkischen Vaterlandsbegriff verschrieben und ist Gründungsmitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft - einem Zusammenschluss von Hardlinern in der Verbindungsszene. Diesem Verband gehören fast 40 deutsche und österreichische Rechtsaußen-Burschenschaften an, die nach der "geistigen und kulturellen Einheit aller, die dem deutschen Volke angehören" streben.

 

Doch während Verfassungsschützer längst besorgt sind über den erstarkenden Einfluss der Rechten, ignoriert die Bundesregierung das Problem. Bisher sah sie "keine hinreichenden Anhaltspunkte" für antidemokratische Bestrebungen in der DB, wie aus einer Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Im Oktober hat sie erstmals angekündigt, "anlassbezogen sorgfältig zu prüfen". Die Teutonia könnte jetzt einen solchen Anlass bieten.

 

Sie sieht ihre Aufgabe darin, junge Studenten zu "charaktervollen Männern zu erziehen". Dazu gehört das "mannhafte Eintreten für unsere Heimat und unser Volk". Sie bekennt sich zum Fechtkampf, der Mensur, als wichtiges gruppendynamisches Element.

 

"Hochburg der militant-rechten Szene"


SPIEGEL ONLINE liegt zudem ein weiteres, bisher unbekanntes Flugblatt vor, gedruckt in den frühen achtziger Jahren. Es zeigt unter dem Titel "Deutschlands Verstümmelung" eine Landkarte des Deutschen Reichs und Österreichs nach dem ersten Weltkrieg, auf der akribisch die "verlorenen" Gebiete verzeichnet sind. Untertitel: "Niemals verzichten!" Walter Tributsch, Mitglied der Wiener Teutonia und Sprecher der Deutschen Burschenschaft, will weder bestätigen, noch bestreiten, dass die Teutonia für die Flugblätter verantwortlich ist. Der Zettel mutet allerdings wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten an. Die Ideologie jedoch ist bei den Wiener Bundesbrüdern höchst aktuell.

 

Im Österreich der neunziger Jahre galt die Teutonia als "Hochburg der militant-rechten Wiener Szene", so steht es im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, das von der Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes herausgegeben wurde. Einige Mitglieder waren damals in bekannten Neonazi-Netzwerken aktiv. Bis heute gibt es Verbindungen zur Szene, aber auch in die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). "Über die FPÖ können Burschenschafter Themen setzen und völkische Kernanliegen, wie etwa die 'Deutscherhaltung' Südtirols, den 'Kampf gegen Überfremdung' oder die Infragestellung des NS-Verbotsgesetzes im tagespolitischen Diskurs halten", sagt der Wiener Politologe Bernhard Weidinger.

 

Drei Teutonen und ihre Kontakte sind dabei besonders auffällig:

  • Da ist zum Ersten Jan Ackermeier, ein gut vernetzter Bundesbruder: Seit 2008 war er Mitarbeiter mehrerer FPÖ-Abgeordneter - allerdings flog er zwei Jahre später raus, als sein damaliger Chef Wind davon bekam, dass Ackermeier sich bei der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) engagiert haben soll. Die JLO ist ein deutscher rechtsextremer Verein, der den jährlichen "Trauermarsch" in Dresden veranstaltet, einen Neonazi-Großaufmarsch am Jahrestag der Zerstörung der Stadt durch alliierte Bombenangriffe. Ackermeiers Verbindung in die Partei blieb aber stabil. Mittlerweile arbeitet er für einen anderen FPÖ-Abgeordneten. Sein mutmaßliches Engagement bei der JLO dürfte Ackermeier unangenehm sein.

    Einige Artikel auf der Online-Plattform "Stoppt die Rechten" des österreichischen Grünen Abgeordneten Karl Öllinger bezeichneten Ackermeier als JLO-Funktionär, der den Dresden-Marsch "mitorganisiert" habe. Dagegen hat Ackermeier nun eine Gegendarstellung verlangt, mit dem Hinweis, er sei "weder Funktionär, noch Mitglied" der JLO und habe auch niemals den Dresdenmarsch oder "sonstige Aufmärsche" mitorganisiert.

    Wie Recherchen von SPIEGEL ONLINE ergeben, dürfte Ackermeier aber tatsächlich in der JLO aktiv gewesen sein. Das belegt ein Protokoll der Bundesvorstandssitzung der JLO vom Juli 2010. Darin wird Ackermeier als Beisitzer und Protokollführer genannt. Demnach sollte er "weiterhin" eine Wander- und Vortragswoche organisieren, zu der immer wieder Größen der rechtsextremen Szene eingeladen worden sind. Auch sollte er Ansprechpartner für einige "Ostlandfahrten" sein. Er selbst will sich auch auf Nachfrage nicht dazu äußern, einen telefonischen Kontaktversuch bricht er nach wenigen Momenten ab.
  • Da ist zum Zweiten Herbert Orlich, ein rechter Provokateur. Der Teutone Orlich hat als Rechtsanwalt einen der Angeklagten im Prozess rund um den österreichischen Neonazi Gottfried Küssel vertreten. Die drei Männer sollen die rechtsextreme Webseite Alpendonau.info und ein dazugehöriges radikales Internetforum gegründet und betrieben haben. Die Verbreitung von NS-Ideologie steht in Österreich unter Strafe. Besonders das anmeldepflichtige Forum hatte sich zu einem Tummelplatz entwickelt für alles, was in der rechten Szene Rang und Namen hat.

    Während einer Befragung im laufenden Verfahren Ende Mai forderte Orlich laut mehrerer Zeitungsberichte einen Zeugen auf, den Hitlergruß vorzuführen. Der Mann weigerte sich. Daraufhin streckte Orlich selbst die Hand aus. Die Richter protestierten, Orlich wurde flapsig, wie es im Prozessbericht von derstandard.at nachzulesen ist: "Ich mache es selber, ich mache mich ja selber strafbar!" In derselben Verhandlung trug er demnach einen verharmlosenden Text über Hitler vor. Der Richter nannte Orlichs Auftritt ein Kasperltheater. Berichten zufolge gab es allerdings kein juristisches Nachspiel für den Anwalt. Orlich habe lediglich seine Verteidigerrechte wahrgenommen. Einen Monat nach dem Vorfall trennte sich sein Mandant von ihm. Bereits vor zwei Jahren hat Orlich den Holocaust-Leugner Gerd Honsik verteidigt, einen verurteilten Neonazi. Ohrlich wollte sich auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE dazu nicht äußern.
  • Zum Dritten ist da Walter Tributsch, der derzeit als eine Art Diplomat auftritt. Er ist "Altherrenobmann" der Teutonia und damit einer der einflussreichsten Funktionäre. Seit Juni arbeitet er zudem als Pressereferent der Deutschen Burschenschaft. Er hat wie Ackermeier beste Verbindungen zur FPÖ und arbeitet seit Jahren für den FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer. Tributsch ist außerdem Herausgeber und Mitbegründer der Wochenzeitung "Zur Zeit", deren Chefredakteur wiederum Andreas Mölzer heißt.

    In dem Blatt kommentieren konservative Publizisten und viele hochrangige FPÖ-Politiker aktuelle Themen aus rechtskonservativer Perspektive. Dazwischen gibt es auch rassistische oder rechtsextreme Texte und Kommentare. So fragt sich ein Autor, ob "man hierzulande eigentlich auch entspannt mit der eigenen Geschichte umgehen kann", wenn auf Flohmärkten verstärkt gegen den Verkauf von NS-Devotionalien vorgegangen wird. In der gleichen Ausgabe findet sich unter "Satire" ein kurzer Artikel zur Frage "Ist der Magyar ein Arier?" Auf der Suche nach einer vermeintlich augenzwinkernden Antwort zitiert der Verfasser eine Rede Heinrich Himmlers, in der dieser die Ungarn als Untermenschen bezeichnet. Tributsch nennt die Zeitschrift eine "von offizieller staatlicher Seite anerkanntes Wochenmagazin". Fragen zu den Flugblättern will er nicht beantworten. Wie die Teutonia ihre Mitgliedskandidaten anspreche, gehe niemanden etwas an. Und auch viele Historiker würden die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg kritisieren.

Dass viele gemäßigte national-liberale Burschenschaften den Dachverband angesichts des deutlichen Rechtsrucks verlassen möchten, redet Tributsch nach dem Burschentag in Stuttgart einfach weg: "Es war eine sehr harmonische Atmosphäre. Eine Spaltung der Deutschen Burschenschaft ist erst einmal vom Tisch." Wenige Tage darauf verkündet eine der größten und wichtigsten liberalen Burschenschaften, die Hilaritas Stuttgart, dass sie der Deutschen Burschenschaft nicht länger angehören wolle. Auf eine mögliche Rücktrittswelle angesprochen, sagt Tributsch: "Es gab auf dem Burschentag keine einzige Wortmeldung, die die Ankündigung eines möglichen Austritts zum Inhalt hatte." Gerüchte über weitere Austritte findet er "bedauerlich".

 

Die Mitgliederzahl der Deutschen Burschenschaft schrumpft, ideologisch wandert sie immer weiter nach rechts. Die Wiener Teutonia ist für beides mitverantwortlich. Ein Jahr lang werden ihre Bundesbrüder und Altherren die Debatten im Dachverband lenken. Politologe Weidinger rechnet damit, "dass die Teutonen bestrebt sein werden, die Interessen und Narrative der völkischen Hardliner im Verband zur Geltung zu bringen". In ihren eigenen Reihen, auf ihren Veranstaltungen und Flugzetteln tun sie das bereits.