Rede von Conny Renkl, gehalten am 23.5.2009 bei der gestern vorzeitig abgebrochenen Städtetour "Nazis keine Basis bieten":
Ich bin Conny Renkl von der VVN-BdA und habe die Ehre, heute für das
Antifa-Bündnis Sindelfingen – Böblingen - Leonberg sprechen zu dürfen.
Zusammengefunden
haben wir uns, nachdem ein gewisser Frank Rennicke im Fasching 2007 für
die NPD in der Gaststätte des Sindelfinger Stadions seine rassistischen
und antisemitischen Hasslieder aufspielen konnte. Das Skandalöse an
diesem Vorgang war, dass ein massives Polizeiaufgebot an der
S-Bahn-Station Goldberg Antifaschisten jagte, einkesselte, festhielt
und sie schließlich zwang, nach Stuttgart zurück zu fahren. So nahm die
Nazi-Party einen ungestörten Verlauf. Antifaschisten, die den streng
geheimgehaltenen Veranstaltungsort der Nazis ausfindig gemacht und sich
auf Auseinandersetzungen eingelassen hatten, wurden in nächtlicher
Verfolgungsjagd durch die Polizei gestellt. Sieben standen im September
2008 vor Gericht – wohlgemerkt die Antifaschisten und nicht das braune
Pack! Sie wurden vom Richter Kirbach beim Böblinger Amtsgericht zu
Haftstrafen bis zu mehr als zwei Jahren verurteilt. Die Antifaschisten,
davon Vier mit sog. Migrationshintergrund, sind in Berufung gegangen.
Sie sind nicht vergessen und sie brauchen weiterhin unsere Solidarität
- auch als direkte materielle Unterstützung!
Als
deutlich wurde, dass die Faschisten um Janus Novak in Sindelfingen
Strukturen aufbauen wollen, mit ihrem Blättchen infame Ausländerhetze
betreiben und sich zum Ziel gesetzt haben, bei den Kommunalwahlen in
den Sindelfinger Gemeinderat einzuziehen – als dies deutlich wurde,
setzten sich KollegInnen aus den Gewerkschaften, der VVN-BdA, von
attac, von der Montagsdemo und andere Interessierte zusammen mit dem
erklärten Ziel:
Nazis keine Basis bieten, keine NPD in den Gemeinderat!
Mit der Demonstration im Juli 2008 haben wir dieser Forderung Nachdruck verliehen
Auch
in Stuttgart und in anderen Orten wurde die Drohung der Faschisten
ernst genommen. Wir freuen uns sehr, dass damals und auch heute wieder
viele KollegInnen und Freunde von auswärts zu uns gekommen sind, um uns
in diesem Kampf solidarisch zu unterstützen. Ich begrüße Euch ganz
herzlich.
In
Sindelfingen scheinen wir einen ersten Erfolg verbuchen zu können. Die
NPD-Bande um Janus Novak hat den Schwanz eingezogen und von einer
Kandidatur in Sindelfingen Abstand genommen. Ich frage Euch - ist das
gut???
Natürlich ist das gut.
Auch gut ist, dass die Nazis offenbar das geplante Zentrum in Rosenberg-Hohenberg aufgeben müssen.
Soweit die guten Nachrichten!
Grund um in unseren Anstrengungen zu erlahmen, ist das allerdings nicht!
Ausgerechnet der Volksverhetzer Rennicke darf zur Wahl des Bundespräsidenten als Kandidat von NPD und DVU antreten.
Für
die Kreistagswahl treten die Nazis im Kreis Böblingen an. Bei den
Wahlen zum Regionalparlament kommen die meisten Kandidaten aus dem
Landkreis Böblingen. Die Liste wird angeführt von dem inzwischen zum
„Unternehmer“ mutierten Janus Nowak , aus dem Max-Liebermann- Weg 16 in
Sindelfingen. Übrigens: Von diesem großen jüdischen Maler Max
Liebermann stammt der treffende Spruch – als die Nazis 1933 mit Fackeln
an seinem Haus in Berlin vorbeizogen, rief er:
„Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte“!
Diese
Umstände für sich betrachtet wären noch kein Grund, Alarm zu schlagen
und von einer neuerlichen faschistischen Gefahr zu sprechen.
Aber: Vom Innenminister des Landes, Herrn Rech, erfahren wir, dass die NPD als Veranstaltung des Staates angesehen wird.
„Wenn
ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NPD-Gremien abziehen würde,
dann würde die NPD in sich zusammenfallen“, so zitiert der
Schwarzwälder Bote am 5.3. den Originalton des baden-württembergischen
Innenministers Rech auf einer Veranstaltung in Gechingen.
Das
hat Rech zwar inzwischen relativiert. Dennoch wird deutlich, dass die
NPD eine Partei ist, die nur auf Staatskosten und mit Aufbauhilfe u.a.
durch die Spitzel des sog. „Verfassungsschutzes“, und dank Duldung oder
Förderung durch Teile von Justiz, Polizei und Militär (man denke z.B.
an den ehemaligen Kommandeur des KSK, General Günzel) existieren kann.
Die antisemitische und chauvinistische Hetze der NPD wurde durch
namentlich bekannte V-Leute, wie die Herren Frenz, Hesse, Holtmann,
Stadler ausgearbeitet und verbreitet.
Und
wir wissen, in welcher Tradition baden-württembergische „Landesväter“
standen wie Kiesinger (Abteilungsleiter im Goebbels-Ministerium) oder
wie Filbinger, der Marinerichter, der erklärte: „Was damals Recht war,
kann heute nicht Unrecht sein. In diese Tradition stellt sich
Oettinger, der Filbinger gar zum Widerständler gegen das Naziregime
stilisierte und zuletzt mit der Verbreitung von Nazi-Liedern von sich
reden machte.
Sie
halten der NPD, dieser Partei von Spitzeln und Drei-Groschen-Jungs, das
Nest warm. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass heute noch und
wieder Nazipropaganda betrieben werden darf.
Die
NPD heute wird von Staats wegen ausgehalten und aufgebaut als Kraft,
die bei sich verschärfender Krise, bei wachsender Unzufriedenheit mit
den gesellschaftlichen Verhältnissen, bei drohendem Massenwiderstand
als Reserve, als Schlägertruppe aber auch als ideologische
Propagandatruppe zur Verfügung steht. Diese Reserve hat die Funktion
Massen zu gewinnen, die den Feind nicht im Großkapital, sondern vor
allem in Ausländern sehen; sie hat die Funktion, Massen zu
beeinflussen, um den Aggressionskurs nach Außen zu unterstützen und
dafür Feindbilder zu liefern wie „Terrorismus“, „Islamismus“, was
leicht durch andere Phantome ersetzt werden kann, wie die in diesen
Kreisen so beliebte „jüdische Weltverschwörung“ und dem ganzen
widerlichen Antisemitismus.
Und
seht hin, mit welch massivem Polizeiaufgebot sie diese Bande zuletzt in
Ulm wieder geschützt haben. Wie Polizisten zu Pferd in die
Antifaschisten geritten sind, Verletzte und Tote in Kauf genommen
hätten. Und Wut steigt auf, wenn dann zwar große Massen ihren Unwillen
gegen Nazis kundtun, aber sie dann laufen lassen in ihrer Stadt und
wegsehen, wenn die entschiedenen Antifaschisten von Polizei
niedergeknüppelt, mit Tränengas verletzt und festgenommen werden.
Männer
und Frauen aus der sog. honorigen Gesellschaft Richter, Minister und
Ministerpräsidenten meinen die NPD benutzen zu können und das obwohl
sie wissen, wohin der Faschismus geführt hat, welche unsäglichen
Verbrechen die Nazifaschisten im deutschen Namen begangen haben. Und
sie haben immer noch die Dreistigkeit Linke und Nazis gleichzusetzen.
Während
Links für die Erweiterung der Demokratie um soziale Rechte für die
Masse der Menschen durch Änderung der Eigentumsverhältnisse steht,
steht Faschismus für die Beseitigung der Demokratie und für die
Verewigung von Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung.
Aus unserer Geschichte wissen wir:
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Und
zum Komplizen des Verbrechens macht sich nicht nur, wer diese Partei
unterstützt, wer sie in Schutz nimmt. Zum Komplizen macht sich, wer sie
nicht aktiv bekämpft, sondern durch Indifferenz, Politikverdrossenheit,
durch Passivität indirekt der braunen Seuche Vorschub leistet.
Nein
zu Rassismus, Antisemitismus und Ausländerhetze. Der Graben, der durch
unsere Gesellschaft geht, verläuft nicht zwischen Nationalitäten, nicht
zwischen Jung und Alt, nicht zwischen Mann und Frau – sie verlaufen
zwischen Reich und Arm, zwischen Oben und Unten.
Ausländer und Deutsche Schulter an Schulter gegen die Faschisten.
Keine NPD in die Parlamente – nicht in Sindelfingen, nicht in Böblingen, sondern nirgendwo!
Hoch die internationale Solidarität!
Externe Links zum Thema:
• Freitag, 9. Februar 2007: Aktionsbündnis ruft zur Verhinderung von NPD-Veranstaltung in Stuttgart auf
• Samstag, 17. Februar 2007: VVN Presseerklärung zum NPD-Rennicke Auftritt in Stuttgart am 16.2.2007
• Mittwoch, 21. Februar 2007: VVN-BdA Baden-Württemberg zum Rennicke-Konzert in Sindelfingen
• Freitag, 23. Februar 2007: Rennicke-Auftritt in Sindelfingen: Gegendarstellung zur VVN-Presseerklärung
• Samstag, 24. Februar 2007: Veranstaltungsort für "private" Faschingsfeier war bekannt
• Sonntag, 25. März 2007: Stuttgart/Sindelfingen: Der Rennicke-Auftritt als Symptom der Lage
• Freitag, 30. März 2007: Sindelfingen: "Zwischen Nachsicht und Härte"
• Donnerstag, 18. Oktober 2007: Sindelfingen: Unterschriftensammlung für NPD Verbot
• Samstag, 18. April 2008: 80 Teilnehmer bei Veranstaltung: „Nazis hetzen wieder gegen Migranten und Flüchtlinge! Warum, wozu, für wen?“
• Mittwoch, 9. Juli 2008: Antifaschistische Kampagne gegen die NPD in Sindelfingen
• Mittwoch, 16. Juli: Stuttgart: Flash-Mob Aktion gegen Nazi-Propaganda
• Samstag, 19. Juli 2008: Demonstration: Nazis keine Basis bieten!
• Sonntag, 20. Juli 2008: Knapp 500 Menschen demonstrierten in Sindelfingen gegen die NPD und andere faschistische Strukturen
• Bündnisaufruf des Bündnis "Nazis keine Basis bieten!"
• "Auf der Strasse und in Parlamenten: Nazis keine Basis bieten" Beitrag von Brigitte Renkl, Vorsitzende der Kreisvereinigung der VVN-BdA Böblingen-Sindelfingen- Leonberg.
• Samstag, 23.05.2009: Städtetour "Nazis keine Basis bieten" von Polizei schikaniert!
• Samstag, 23.05.2009: Antifaschistische Städtetour vorzeitig abgebrochen! Bericht der Antifaschistischen Aktion (Aufbau) Stuttgart