Grazer Prozess wegen NS-Wiederbetätigung im Endspurt

Erstveröffentlicht: 
03.12.2012

Angeklagter ortet "politisch feindselige Gesinnung" bei Laienrichter, Urteil für Mittwoch erwartet

 

Von Von Colette M. Schmidt

 

Graz - "Schreien Sie nicht immer rein", meldete sich am Montag die ansonsten zurückhaltende beisitzende Richterin Eva Cesnik im Prozess gegen zehn Männer wegen NS-Wiederbetätigung zu Wort, "Wie im Kaffeehaus ist das!"

 

Der Kragen war Cesnik geplatzt, weil sich der Angeklagte Richard P. wiederholt laut von der Anklagebank meldete. P. gilt als "Leitwolf" einiger der Männer, die mit ihm wegen zwei Vorfällen 2010 in einem Studentenlokal in Graz und beim Public Viewing der Fußball-WM vor Gericht stehen. Der Prozess unter dem Vorsitz von Richter Edmund Frei läuft - der Standard berichtete - seit Mai. Einige der Männer wurden bereits wegen schwerer Körperverletzung bei denselben beiden Vorfällen - nicht rechtskräftig - von Frei verurteilt. Der zweite Prozess dürfte am Mittwoch zu Ende gehen.

 

Unter den zehn Männern ist auch der bekannte oststeirische Rechtsextreme Franz Radl, der 15 bis 20 Jahre älter als die anderen ist. Gemeinsam soll man mit Aufklebern und einer Homepage Werbung für den rechtskräftig verurteilten Holocaustleugner Gerd Honsik, mit dem Radl befreundet ist, gemacht haben.

 

Um Honsik, der wegen seines Alters (71) vorzeitig aus der Haft entlassen wurde und seinen Lebensabend in seiner Wahlheimat Spanien zubringen darf, wo er jetzt gegen sein Urteil und die Republik Österreich wettert, geht es in dem Grazer Verfahren nicht. Trotzdem wird er von den Angeklagten in Graz immer wieder zum Thema gemacht. P. wollte den Austausch eines Laienrichters, weil dieser angesichts der Balladen von Honsik an einem anderen Prozesstag bemerkt haben soll, dass Honsik "kein Dichter" sei. P. ortete deshalb Befangenheit und eine " politisch feindselige Gesinnung" bei dem Geschworenen. Frei lehnte den Antrag ab.

 

Radl wollte ein Buch Honsiks analysieren und beantragte hierfür erfolglos DÖW-Leiterin Brigitte Bailer-Galanda und ihren Vorgänger, Wolfgang Neugebauer, als Zeugen.

 

Die einzige Zeugin war am Montag eine Beamtin vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die 2011 Radls Telefon überwachte. Als sie den Saal betrat, zweifelte P. ihre Identität an. " Wollen'S vielleicht an Ausweis sehen?", fragte Frei entnervt.

 

Die Aussage der Beamtin und eine Präsentation von Screenshots durch Staatsanwalt Johannes Winklhofer bestätigten erneut, dass Radl und P. auch im Visier der Ermittler in der Causa der Neonazi-Site Alpen-Donau. info waren. Wegen der Seite stehen derzeit Gottfried Küssel und zwei weitere in Wien vor Gericht.

 

(Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 4.12.2012)