Der Triumph von Rechtsextremen beim Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft (DB) am Wochenende in Stuttgart ist für die Bundesregierung kein Anlass, ihre Einschätzung der Burschenschaften zu erneuern.
Es gebe aktuell „keine neue Bewertung“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag auf Anfrage. „Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für Bestrebungen im Dachverband, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten“, so der Sprecher.
Bei dem Sondertreffen von Abgesandten der etwa 100 Burschenschaften in der DB hatten sich am Wochenende in allen Belangen völkische Bünde gegen die eher gemäßigten Burschenschaften durchgesetzt. So wird es etwa auch künftig keine Unvereinbarkeit geben zwischen der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft und in einer verfassungsfeindlichen Organisation. Das Sondertreffen war überhaupt nur nötig geworden, weil sich der Dachverband beim letzten Burschentag in Eisenach heillos über rechtsextreme Burschenschaften in der DB zerstritten hatte. Nun drohen die noch verbliebenen gemäßigten Bünde mit dem Austritt aus der DB. Besorgniserregend erschien am Wochenende vor allem der Hinweis der Gemäßigten auf das Verhältnis der völkischen Bünde zum Staat: Diese sähen sich „im Kampf mit der Gesellschaft“.
Die Bundesregierung hatte bereits nach dem Eisenacher Burschentag mitgeteilt, nach ihrer Einschätzung gebe es „keine rechtsextremen Tendenzen“ im Verband. In einer weiteren Auskunft vom Oktober hieß es dann, es gebe „vereinzelt Kontakte“ und „einzelne Burschenschaftler“, die auch Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen seien. Man werde die weitere Entwicklung „anlassbezogen sorgfältig prüfen“. Diesen Anlass scheint das Sondertreffen nun noch nicht zu bieten. Eine Bewertung sei Sache der Verfassungsschutzämter, hieß es im Innenministerium.
In Hessen scheint es diese zu geben. Auf einen Berichtsantrag der Landtags-Grünen antwortete das Innenministerium nun, im abgefragten Zeitraum 2007 bis heute „wurden bzw. werden“ Verbindungen, die dem Dachverband angehören, vom Verfassungsschutz beobachtet. Das geschehe „einerseits, weil bei ihnen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gegeben sind, andererseits aber auch, um zunächst zu überprüfen, ob tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen vorliegen“. Bei fünf Burschenschaften in Hessen gebe es Hinweise auf Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppen.
Die Antwort des Ministeriums, die der Zeitung vorliegt, wird am Donnerstag Thema im Innenausschuss des Landtages sein. „Aus operativen Gründen“ nennt das Ressort von Innenminister Boris Rhein (CDU) weder die Namen der Burschenschaften noch die von Mitgliedern, die auch in der NPD oder in Neonazi-Gruppierungen aktiv sind. Bei den Kontakten gehe es unter anderem um Referenten wie den 2009 verstorbenen Neonazi Jürgen Rieger, die bei Burschen-Treffen aufgetreten seien. „Immer wieder“, so das Ministerium, gebe es Hinweise, dass Vertreter des „intellektuellen Rechtsextremismus“ bei Burschenschaften Vorträge hielten.