Mieter in der Katharinenstraße wollen standhalten

Erstveröffentlicht: 
26.10.2012

Privater Investor und Bewohner einer Wohngemeinschaft in ehemaliger Franzosenwohnung treffen sich vor Gericht.
Kaum hat die Verhandlung im Amtsgericht begonnen, ist sie auch schon wieder beendet: Jahreszahlen zwischen 2009 und 2012 sind durch den Raum geschwirrt. Es geht um Mietminderung, angeblich zu späte Reparaturen, zu hoch veranschlagten Heizungs- und Wasserverbrauch, Nachzahlungen, Vorauszahlungen und Erstattungen sowie Anwaltskosten in Höhe von 500 Euro für das Abmahnungsschreiben eines Anwalts, die eine Mietpartei bezahlen soll.

 

Das Durcheinander wird Amtsrichter Seidel zu viel: "Das bringt doch nix." Er fordert die streitenden Parteien auf, Beweise zu liefern und die einzelnen Punkte genau aufzudröseln. Am liebsten würde er einen Vorschlag zur Güte machen, so banal erscheint, um was da alles gestritten wird. "Aber ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll." Bringen würde es ohnehin nichts. "Ich habe Weisung, nicht nachzugeben", tut Rechtsanwalt Klaus Siemers als Vertreter des klagenden Vermieters unmissverständlich kund.

 

Die Scharmützel, die vor Gericht ausgefochten werden, haben eine lange Vorgeschichte und beginnen 2006 mit dem Verkauf zweier Häuser in der Katharinenstraße an den privaten Freiburger Investor Wolfgang Fehr. Die ehemaligen "Franzosenwohnungen" im Institutsviertel waren vorher von der Freiburger Stadtbau verwaltet worden und sozial gebunden. Nach dem Verkauf wird ein Teil der Wohnungen aufwendig saniert und an zahlungskräftige private und gewerbliche Mieter vergeben. Die alten – studentische Wohngemeinschaften, ausländische Familien – weichen nach und nach, wegen Baulärms und fortgesetzter Schikanen des neuen Vermieters, wie der jetzt beklagte Uli Weyer behauptet. "Von einst vier Wohngemeinschaften wohnt hier nur noch eine. Damit ist Wohnraum für viele Menschen vernichtet worden, die nicht so viel Geld haben." Mit fünf Erwachsenen und einem Kleinkind wohnt er in einer 175-Quadratmeter-Wohnung.

 

Würden sie ausziehen, wären womöglich alle Kabbeleien auf einen Schlag beendet. "Mit den gerichtlichen Auseinandersetzungen soll wahrscheinlich die letzte Bastion geknackt werden", sagt Mieter-Anwalt Stefan Schiller. "Sie könnten vorbereitende Kündigungsmaßnahmen sein." Da die Mieter einen unbefristeten Mietvertrag haben, können sie nach Weyers Angaben nicht direkt gekündigt werden. Jetzt steigen die Prozesskosten vielleicht höher als der Streitwert, um den es geht. Die Mieter sind entschlossen, standzuhalten. Sie wollen dem Verdrängungsprozess nicht hilflos ausgeliefert bleiben. "Es geht ums Prinzip", sagt Mitbewohnerin Valerie Sylla. Aber "ist es möglich, sich zu wehren, wenn man die Zeit und das Geld dafür nicht hat?" Die anderen "hatten irgendwann keinen Bock mehr und sind ausgezogen". Die WG-Bewohner wüssten aber gar nicht, wo eine bezahlbare Wohnung finden.

 

Ein Transparent "Miethaie zu Fischstäbchen" hatten sie im Sommer 2011 rausgehängt. Der Vermieter hatte es via Anwalt entfernen lassen. Unter anderem für das Abmahnungsschreiben sollen sie jetzt 500 Euro bezahlen. In zwei Wochen soll der Schlagabtausch vor Gericht weitergehen – es sei denn, Amtsrichter Seidel fällt ein weises Urteil.