"Landshuter Erklärung" - Aufruf zum zivilen Widerstand

Beim Aufmarsch der Neonazis im Februar verfolgte die Polizei die Strategie, die Demonstranten auf größtmöglicher Distanz zu halten.
Erstveröffentlicht: 
18.10.2012

Runder Tisch gegen Rechts sammelte Unterschriften für die „Landshuter Erklärung“

 

Von Rita Neumaier.
Der Widerstand gegen Rechtsradikale eint Menschen aller Gesellschaftsschichten und Parteien. Das bestätigt die vom Runden Tisch gegen Rechts initiierte "Landshuter Erklärung". Darin haben sich rund 450 Bürger bereit erklärt, bei einem erneuten Naziaufmarsch an einer gewaltfreien Blockade teilzunehmen und sich solidarisch mit den Zielen des Bündnisses erklärt.

Der Runde Tisch gegen Rechts hat nach dem Aufmarsch der Neoazis am 25. Februar deren Androhung, dass sie wiederkommen wollen, ernstgenommen, sagt Hans-Dieter Schenk vom Runden Tisch gegen Rechts. Für diesen Fall wurde die "Landshuter Erklärung" initiiert, die für ein weltoffenes und tolerantes Landshut wirbt.

Die Unterstützerliste soll im Fall eines erneuten Nazi-Aufmarsches den gewaltfreien Widerstand mobilisieren. "Wir wollen vorbereitet sein", sagt Bündnis-Mitglied Kurt Büttler. 454 Bürger aus der Stadt und der Region haben diese Erklärung unterzeichnet. Ein großer Teil davon erklärte sich bereit, diese Unterstützung auch öffentlich zu machen - etwa in einer demnächst erscheinenden Anzeige. Daran sei zu ersehen, wie breit der Widerstand in der Bevölkerung verankert ist, sagt Kurt Büttler.

"Okkupation" entgegenstellen


Schon bei dem Aufmarsch im Februar hätten sich viele Bürger den Neonazis entgegengestellt, obwohl die Stadt und die Polizei die Strategie verfolgten, die Nazis und die Gegendemonstranten auseinanderzuhalten. "Davon halten wir nichts", sagte Schenk. Vielmehr müsse man den Neonazis deutlich zeigen, dass sie in Landshut unerwünscht sind. Man wisse aus anderen Städten, dass sich die Rechtsradikalen willkommen fühlten, wenn man sich ihnen nicht entgegentritt: "Sie betrachten es als Okkupation, wenn sich ihnen niemand in den Weg stellt", erklärt Kurt Büttler. "Da zählt jeder Meter." Die "Landshuter Erklärung" wolle unmissverständlich deutlich machen, dass in dieser Stadt kein Platz für Nazis ist.

Die Unterzeichner erklärten sich gleichzeitig solidarisch mit allen, die dieses Ziel teilen - auch wenn sie sonst andere politische Ansichten vertreten. Darunter sind Ärzte, Pfarrer, Lehrer, Künstler und Unternehmer. Die Bandbreite der Unterzeichner zeigt laut Schenk, dass eine breite Bürgerschaft die Ziele des Runden Tischs gegen Rechts unterstützt, einem Zusammenschluss aus verschiedenen politischen Gruppen und Institutionen, der gegen Rechtsradikalismus kämpft. Hans-Dieter Schenk ist beispielsweise Regionssekretär des DGB, Kurt Büttler ist im Vorstand des Arbeitskreises Dritte Welt aktiv.

Der Runde Tisch gegen Rechts sieht sich gelegentlich mit dem Vorwurf, zu links zu sein, konfrontiert. "Aus der Sicht der Rechten kann das sogar stimmen", sagt Schenk scherzhaft. Wo es um den gemeinsamen Widerstand gegen Rechtsradikalismus gehe, dürfe man aber keine "Links-Rechts-Schwarzweiß-Malerei" betreiben. Innerhalb von zwei Monaten sind die Unterschriften zusammengekommen. "Es haben viele unterschrieben, von denen wir es nicht gedacht hätten, aber auch manche nicht, von denen wir es erwartet hätten."

Angst vor Nazi-Drohungen

Die Angst vor dem Droh-Potenzial der Neonazis habe einige von der Unterschrift abgehalten. Doch die meisten der zurückgeschickten Unterschriftszettel hätten zustimmende und unterstützende Bemerkungen enthalten.

Die Erklärung fordert unmittelbar zum zivilen Widerstand auf. Sitzblockaden seien jedoch eine rechtliche Grauzone, sagt Polizeisprecher Stefan Scheibenzuber. Allerdings werde die Polizei nicht gegen Bürger vorgehen, die sich gegen Rechts wehren wollen. Die Einsatztaktik der Polizei bei Aufmärschen von Neonazis und Gegendemonstranten sei jedoch vom Einzelfall abhängig. Man werde in der Regel versuchen, die beiden Lager zu trennen und gewalttätige Handlungen würden von keiner Seite toleriert. "Wenn Tomaten fliegen, greifen wir ein."

Abgesehen von einer kleineren Protestaktion am Rand der Innenstadt, die von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb, hat es in Landshut bislang keine weiteren Aktionen der Neonazis gegeben. Scheibenzuber befürchtet, dass es zu solchen kommen könne, wenn ihr örtlicher Rädelsführer, der Rechtsradikale Martin Wiese, wieder ins Gefängnis kommt. Er war im Mai von einem fränkischen Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die er bislang noch nicht angetreten hat.