VOLKSVERHETZUNG VOR GERICHT
Fräulein Stolz und der Hitlergruß
Aus Mannheim berichtet Julia Jüttner
Sie leugnet den Holocaust, verbreitet Verschwörungstheorien, fühlt sich als Justizopfer: Die Rechtsanwältin Sylvia Stolz wurde wegen Volksverhetzung erneut zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Lebensgefährtin des Rechtsextremisten Horst Mahler quittierte das Urteil mit dem Hitlergruß.
Hamburg - In einer blauen Ikea-Tüte wuchtet Sylvia Stolz Akten in den Saal eins des Mannheimer Landgerichts. Es kostet die zierliche Person sichtbar Kraft. Der Aufenthalt im Gefängnis hat Spuren hinterlassen: Das dunkelblaue Kostüm schlackert an ihrem schmalen Körper, die Haare sind ergraut, ihr Gesichtsausdruck verhärmt.
Das Landgericht Mannheim verurteilte die Anwältin am Freitagabend wegen Volksverhetzung zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Nach der Urteilsverkündung verabschiedete sich die 45-Jährige erhobenen Hauptes mit dem Hitlergruß von ihrem Publikum, rund 60 ergrauten Fans. Darunter Günther Deckert, ehemaliger NPD-Vorsitzender, ebenfalls wegen Volksverhetzung verurteilt und von einigen Zuschauern unterwürfig begrüßt.
Die rechtsextreme Anwältin hatte im Prozess gegen den Holocaust-Leugner Ernst Zündel 2007 ihrerseits den Völkermord an den Juden im Nationalsozialismus geleugnet und eine Beschwerde mit "Heil Hitler" unterzeichnet.
Alles, was Unrecht ist
In der Neuauflage des Prozesses hatte Staatsanwalt Peter Skopp erneut dreieinhalb Jahre Gefängnis für Stolz gefordert. Eine Haftstrafe in dieser Höhe war bereits im vergangenen Jahr gegen die gebürtige Bayerin verhängt worden. Doch die Juristin hatte Revision eingelegt und der Strafschutzsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hob das Urteil wegen Rechtsfehlern in einigen Teilen auf. Daher wurde die Haftstrafe nun auch um drei Monate reduziert.
Das verhängte Berufsverbot hielt der BGH jedoch für berechtigt, und dabei bleibt es: Fünf Jahre lang darf die Lebensgefährtin des Rechtsextremisten Horst Mahler ihren Anwaltsberuf nicht ausüben.
Für den zweiten Prozess hatte das Landgericht Mannheim anfangs nur einen Verhandlungstag angesetzt - doch es wurden neun. Der Prozess geriet zuweilen zur Farce: Sylvia Stolz, von Gesinnungsfreunden auch gern "Fräulein Stolz" genannt, gefiel sich in absurden Auftritten und heftigen Wutanfällen.
Als die Kammer um den Vorsitzenden Richter Olaf Rinio zum wiederholten Male Anträge von ihr abschmetterte, bepöbelte sie schließlich das Gericht, man wolle sie mit kriminellen Methoden mundtot machen.
Kurzerhand wurde ihr das Mikrofon abgedreht und die Sitzung unterbrochen. Stolz echauffierte sich anschließend über "Lynchjustiz". Szenen, die daran erinnerten, wie sie sich nach dem ersten Urteil in Mannheim zu den Zuschauerrängen gedreht und mit verbotenem Hitlergruß regelrecht salutiert hatte.
Ihr Verteidiger Ludwig Bock, der in früheren Verfahren aus Hitlers "Mein Kampf" und den Nürnberger Rassegesetzen zitierte und wegen Volksverhetzung vorbestraft ist, hatte sein Plädoyer auf 17 Minuten beschränkt. Dass sich der rechtsextreme Szene-Anwalt so kurz fasste, ersparte den Prozessbeteiligten jedoch nicht, dass ihr Schlusswort sich fast endlos ausdehnte. Insgesamt zwei Tage nutzte Stolz, um ihre verworrenen Verschwörungstheorien auszubreiten. Immer wieder ermahnte sie der Vorsitzende Richter.
Sie spricht ein kräftiges Bayerisch, ihre glockenhelle Mädchenstimme hat dabei etwas Anstrengendes. Erst recht, wenn man auf den Inhalt ihrer Worte achtet. Ihre Ausschweifungen am Freitag über die umstrittenen Gaskammer-Theorien des ebenfalls verurteilten Holocaust-Leugners Germar Rudolf, laut Verfassungsschutz "der aktivste deutsche rechtsextremistische Geschichtsrevisionist", waren eine einzige Verhöhnung der Opfer des Nazi-Regimes.
"Ich gehe ins Gefängnis, das ist mir das deutsche Volk wert"
Stolz wird auch ihre jetzige Haftstrafe - von 42 auf 39 Monate verkürzt - als Mission sehen. "Ich gehe ins Gefängnis, das ist mir die Wahrheit wert, und das ist mir das deutsche Volk wert", erklärte die Juristin bereits im vergangenen Jahr in einem Video-Blog. Mit einer Strafe versuche man, Überzeugungen zu ändern. "Aber das kann man nicht."
Sylvia Stolz leugne hartnäckig den millionenfachen Mord an Juden während der NS-Zeit, erklärte Staatsanwalt Skopp in seinem Plädoyer. Zudem habe die 45-Jährige auch während dieses Verfahrens Richtern, Beisitzern und Anklagevertretern gedroht, sie müssten bei einer Wiederkehr des Dritten Reiches mit Konsequenzen rechnen. Sylvia Stolz habe sich zudem "als unbelehrbar erwiesen".
Einer von vielen Affronts, mit denen Sylvia Stolz bereits in einem Prozess für genervte Empörung sorgte und der ihr schließlich das derzeitige Verfahren bescherte: Vor dem Landgericht Mannheim verteidigte Stolz den fanatischen Holocaust-Leugner Ernst Zündel, der im März 2005 von Kanada nach Deutschland abgeschoben worden war.
Auch dieser Prozess mutierte zur denkwürdigen Show: Immer wieder attackierte Stolz derart den Vorsitzenden Richter Ulrich Meinerzhagen, bezichtigte ihn des "unbändigen Hasses gegen alles Deutsche" und bemühte sich, "die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches wiederherzustellen". Den beiden Schöffen drohte sie im Falle einer Verurteilung ihres Mandanten mit der Todesstrafe wegen "Volksverleumdung und Feindbegünstigung".
Die Kammer schloss sie schließlich vom Verfahren aus. Stolz legte Beschwerde ein - und unterschrieb diese mit "Heil Hitler". Trotz ihres Ausschlusses erschien Stolz erneut als Verteidigerin, bis sie von Polizeibeamten aus dem Saal getragen wurde, die rechte Faust zur Decke erhoben und laut rufend: "Das deutsche Reich erhebt sich!"
"Ein Rückgrat aus Stahl und die Schönheit einer Mangrove"
Viele rechtsextreme Anhänger zollen ihrer Gesinnungsgenossin aus dem bayerischen Ebersberg Respekt. Zündels Ehefrau Ingrid Rimland-Zündel bescheinigte der 45-Jährigen mit der biederen Frisur und der randlosen Brille einst "ein Rückgrat aus Stahl und die Schönheit einer Mangrove".
Ihre dubiose Einstellung zur deutschen Geschichte verfestigte sich erst über die Jahre. Sylvia Stolz brauchte Zeit, so sagt sie selbst, um ihre wahre Überzeugung zu finden. "Jeder hat die Gelegenheit, über die Wahrheit zu stolpern", erklärt die gebürtige Bayerin in einem Video im Internet. In ihrem Fall sei es ihr Engagement für den Tierschutz gewesen.
"Als typische Deutsche kann und will ich es nicht hinnehmen, wenn anderen Leid zugefügt wird." Sie habe gegen Tierversuche und Massenhaltungen gekämpft und dabei gemerkt, dass "es auf Argumente nicht ankommt" und "Sachzwänge nur vorgeschoben" werden.
Schon als Tierschützerin sei sie als Nazi beschimpft worden, erzählt die zierliche Frau. Erst dadurch habe sie sich mit den Personen, denen es ebenso ergehe und der deutschen Geschichte näher auseinandergesetzt. "Ich habe gemerkt, dass man als Nazi bezeichnet wird, wenn man sich für etwas Positives einsetzt."
Seither ist Sylvia glühende Verteidigerin von Größen der rechtsextremen Szene. Auf ihrem Briefkopf prangt der Reichsadler, darunter steht: "In Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich."
Gefährliche Gefolgschaft
Vor circa zehn Jahren lernte sie Horst Mahler kennen. In den Siebzigern gehörte er zur Gründungsgeneration der RAF, wurde wegen Beteiligung an der Befreiung Andreas Baaders und an drei Banküberfällen zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Von 2001 bis 2003 war Mahler dann Mitglied der NDP, diente der Partei als treuer Anwalt im Verbotsverfahren. Später gründete er den als verfassungsfeindlich verbotenen "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten".
Sylvia Stolz war begeistert von einem offenen Brief, den Mahler an den Historiker Daniel Goldhagen, der wegen seiner Holocaust-Theorien bei renommierten Historikern als umstritten gilt, verfasst hatte.
Sie habe gewusst, dass sie bestraft werde, sagte Stolz nach ihrer ersten Verurteilung. Ihr Lebensgefährte Horst Mahler sitzt seit Februar für sechs Jahre in Haft, weil er den Holocaust ebenfalls als "die gewaltigste Lüge der Weltgeschichte" bezeichnet, die systematische Judenvernichtung im Dritten Reich geleugnet und ein Buch Germar Rudolfs verschickt hatte. Mahler habe sich wie sie entschlossen, ins Gefängnis zu gehen, weil "das deutsche Volk nicht weiter unter Fremdherrschaft leben" wolle, sagt Stolz.
Vor Gericht war er meist mit einem Schal in den Farben Schwarz, Weiß und Rot aufgetreten - die Farben des Deutschen Reichs. Auch der hing am Freitag um die Hälse einiger Prozessbesucher - obwohl es draußen selbst noch am späten Abend sommerlich warm war.